Warum der serbische Ex-Premier Kostunica plötzlich als „Rechtsextremer“ gilt
7.11.2013. Als die „Regierung“ des mit Hilfe eines von der NATO losgetretenen Krieges „unabhängig“ gewordenen „Staates“ Kosovo, der sich von Serbien abgespalten hat, Anfang
November Kommunalwahlen abgehalten hat, wurde im Norden Kosovos in etlichen Wahllokalen randaliert, Wahlurnen zerstört und abgegebene Stimmzettel unbrauchbar gemacht, so das die Wahl in einigen
Kommunen nicht gewertet wurde.
Dazu muß man wissen, daß der Kosovo zu 90% von Albanern besiedelt ist, aber im Nordzipfel eine serbische Minderheit lebt, welche mehrheitlich die gewaltsame Abspaltung der ehemals serbischen
Provinz ablehnt und die deshalb bereits mehrfach die Wahlfarcen des Pseudostaates abgelehnt hat.
Um einen Sündenbock für die Gewalt und das Chaos am Wahltag zu haben, beschuldigte die westliche Presse jetzt den ehemaligen serbischen Premierminister Vojislav Kostunica und seine
Demokratische Partei Serbiens (DSS) hinter dem Aufruhr zu stehen, die beide nun als „rechtsnationalistisch“ und „extrem“ betitelt werden. Dabei galt Kostunica bisher als gemäßigt
national-konservativ und vor ein paar Jahren war er DER Mann des Westens bei der Zerschlagung Restjugoslawiens.
Im Jahre 2000 unterstützte der Westen den gemäßigten serbischen Patrioten Kostunica bei seiner Kandidatur gegen den in Brüssel und bei der NATO verhaßten jugoslawischen Staatschef und Sozialisten
Slobodan Milosevic. Kostunica wurde Präsident und wandelte Restjugoslawien, daß nur noch aus Serbien und Montenegro bestand – auch unter dem Druck montenegrinischer Absetzbewegungen – in ein
Bündnis zweier souveräner Staaten um.
Unter der Regentschaft pro-westlicher „Reformer“ wie Zoran Djincic zerfiel auch diese lockere Allianz bald und beide Staaten wurden komplett selbstständige Einheiten.
Der serbische Patritot Kostunica, der als sein Vorbild Charles de Gaulle nannte und im SPIEGEL-Interview kritisierte, daß sich „Amerika überall in Europa und auf dem Balkan einnistet“ hatte seine
Schuldigkeit getan. Die EU und die NATO protegierten jetzt lieber die pflegeleichteren Liberalen, welche Serbien nach Brüssel und in das atlantische Militärbündnis führen wollten – und dabei
bereit waren, offenbar auf Knien angerutscht zu kommen, denn schließlich hatte die NATO 1999 Serbien (bzw. Restjugoslawien) einen Krieg aufgezwungen und das Land bombardiert.
Zwar kamen Kostunica und seine kleine DSS noch zweimal an die Regierung und hielten in buntgescheckten Regierungskoalitionen mehrere Jahre durch – konnten allerdings nicht verhindern, daß die
politische Elite Serbiens sich nach Westen drehte und sich unter dem Einfluß Brüssels nach und nach ein neuer Staat „Kosovo“ aus den serbischen Landesgrenzen herausschälte.
Als großes Verdienst Kostunicas muß es gelten, daß er die serbische Neutralität in der Verfassung verankern ließ, was den Zugriff der NATO auf das Land etwas einschränkt. Auch der (wegen
Bankrotts nötige) Verkauf des serbischen Tankstellennetzes an russische Investoren statt an westliche Konzerne kurz vor seiner Abwahl hat der Westen Kostunica nicht verziehen.
Stand er vor ein paar Jahren noch als „gemäßigt National-Konservativer der politischen Mitte“ im Zentrum der Belgrader Polit-Elite gilt er heute als nationalistischer Außenseiter, weil er als
einziger Spitzenpolitiker der Parlamentsparteien sich weigert, die künstlich geschaffene und erzwungen Unabhängigkeit des Kosovo, der historisch schon immer zu Serbien gehört hat, anzuerkennen.
Die DSS ruft regelmäßig die Kosovo-Serben zu Wahlboykotten auf und ist – obwohl sie in ganz Serbien nur einen Stimmenanteil von 5-10% hat, im Nordkosovo die stärkste politische Kraft.
Kostunica ist sich letztendlich treu geblieben, doch die politischen Mitbewerber, die früher weitaus radikaler waren und einen serbischen Nationalismus propagierten, haben sich opportunistisch an
Brüssel herangeschoben und sich mit der Abspaltung der albanisch besiedelten Südprovinz arrangiert.
Zu diesen Wendehälsen zählt nicht nur die Sozialistische Partei Serbiens (SPS) des inzwischen unter dubiosen Umständen verstorbenen Ex-Staatschefs Milosevic, auch die Serbische
Fortschrittspartei (SNS) des Staatspräsidenten Tomislav Nikolic gehört dazu. Nikolic war früher Mitglied der extrem nationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS), die
mittlerweile aus dem Parlament geflogen ist. Um an die Macht zu kommen, gründete er die etwas gemäßigtere SNS und wandelte sich nach seiner Wahl vom Paulus zum Saulus.
Mittlerweils überholt er auf der pro-europäischen Schiene selbst die lange dominante liberale Demokratische Partei (DS), von der sich Kostunicas DSS abgespalten hatte.
Und die Liberaldemokratische Partei LDP konnte es auch kurz nach der Bombardierung 1999 schon kaum erwarten, Mitglied der Wirtschafts- und Staatengemeinschaft der Aggressoren zu
werden.
Nachdem viele Kräfte, die Kostunica mit nationaler Rhetorik vor ein paar Jahren noch rechts überholt hatten, heute handzahme Marionetten der EU-Imperialisten sind, wirkt der Patriot Kostunica wie
ein politisches Fossil aus vergangener Zeit. Ein Ewig-Gestriger, den die westliche Presse in Ermangelung eines klaren Feindbildes nun zum Prügelknaben machen will für alles, was in der serbischen
Kosovo-Politik schief läuft.
Dabei wird es nicht mehr lange dauern, bis sich herausstellt, daß EU und NATO politische Auslaufmodelle sind und der Brüsseler Neoliberalismus einen ganzen Kontinent in den Abgrund geführt
hat.
Kay Hanisch
November 2013
Nachruf Norodom Sihanouk
Am 31. Oktober 2012 wäre der frühere kambodschanische König Norodom Sihanouk 90 Jahre alt geworden, doch er verstarb 15 Tage vor seinem Geburtstag.
1941 setzte die französische Kolonialmacht den 19-jährigen Sihanouk auf den Königsthron, weil sie glaubte, mit dem unerfahrenen Jüngling eine perfekte Marionette zu haben. Doch schnell
entwickelte dieser ungeahnte politische Fähigkeiten, arrangierte sich mit den in Indochina siegreichen Japanern und nach dem Krieg wieder mit den Franzosen, denen er Schritt für Schritt die
Unabhängigkeit seines Landes abtrotzte. Die endgültige Unabhängigkeit Kambodschas erreichte Sihanouk 1953, wobei er den Franzosen drohte, sich mit den Kommunisten zu verbünden, wenn Paris weiter
an Kambodscha als Kolonie festhält.
Auf dem Höhepunkt seiner Popularität dankte Sihanouk 1955 als König ab, überließ seinem Vater den Thron und gründete die Volkssozialistische Gemeinschaft (Sangkum), eine Partei, die einen
„sozialistischen Buddhismus“ anstrebte – ähnlich wie Premierminister Nehru in Indien. Mit einem fulminanten Wahlsieg wurde die Sangkum im gleichen Jahr stärkste politische Kraft und Sihanouk der
neue Premierminister. Damit hatte er viel größeren Gestaltungsspielraum als in der eher zeremoniellen Funktion des Königs.
Innen- wie außenpolitisch verfolgte Sihanouk einen Kurs der politischen Neutralität und nationalen Unabhängigkeit. Außenpolitisch äußerte sich dies z.B. in einer Schaukelpolitik zwischen Ostblock
und Westmächten. Auch war Sihanouk neben Indonesiens Staatschef Sukarno, Ägyptens Nasser, Jugoslawiens Tito und Nehru aus Indien einer der führenden Köpfe bei der Gründung der weltweiten
Bewegung der Blockfreien Staaten.
Innenpolitisch versuchte Sihanouk die Balance zwischen den politischen Extremen zu halten, in dem er sowohl linke als auch rechte Politiker auf der Liste der Sangkum kandidieren ließ und im
Zweifelsfall den politischen Schiedsrichter spielte.
Wichtige Wirtschaftszweige ließ er verstaatlichen. 1960 starb Sihanouks Vater – offenbar auch an den Spätfolgen eines US-amerikanischen Bombenanschlages der eigentlich Sihanouk gegolten hatte –
und diesem fiel wieder der Königsthron zu. Sihanouk wurde wieder Staatsoberhaupt, verzichtete aber auf den Königstitel.
Den USA mißfiel die unabhängige Außenpolitik Kambodschas und der US-Botschafter versuchte Sihanouk ziemlich plump – zuerst mit Geld, dann mit politischem Druck – in das US-Lager zu nötigen. Damit
biß er aber auf Granit und führte eine Verschlechterung der kambodschanisch-amerikanischen Beziehungen herbei. Im Vietnam-Krieg bemühte sich Sihanouk ebenfalls um Neutralität, erlaubte aber dem
Vietcong Schleichwege über kambodschanisches Territorium zu nutzen.
Die USA rächten sich mit einem grausamen Flächenbombardement des neutralen Landes, welches zehntausende zivile Opfer forderte. Die Gummibaum-Plantagen wurden mit Napalm niedergebrannt, tausende
Tonnen Glasscherben wurden über den Reisfeldern abgeworfen, damit sich die barfüßigen Bauern und die Wasserbüffel ihre Füße zerschneiden und nicht auf den Feldern arbeiten können. Alles, nur um
die kambodschanische Wirtschaft zu ruinieren und den Sturz Sihanouks zu befördern!
Als selbst diese Maßnahmen nichts brachten, inszenierte die CIA 1970 einen Putsch durch den rechten Premierminister General Lon Nol und den intriganten Prinzen Sirik Matak, der im Volk noch
unbeliebter als Lon Nol war. Beide erklärten das Ende der Monarchie, riefen die „Khmer-Republik“ aus und ließen Sihanouk, der sich gerade auf einer Auslandsreise befand, zum Tode
verurteilen.
Als sich die Parlamentsabgeordneten weigerten, den Putsch gutzuheißen, ließ Lon Nol Panzer vor dem Gebäude auffahren. Ergebnis: 83 von 86 Abgeordneten segneten plötzlich den Umsturz ab.
Die Volksrepublik China nahm Prinz Sihanouk und dessen Familie in Peking freundschaftlich auf und finanzierte ihm eine große Residenz. Offenbar angestachelt durch die chinesische Führung kündigte
Sihanouk die Gründung einer Exilregierung des Widerstandes an. Die Chinesen stellten einen Kontakt zur kambodschanischen kommunistischen Volkspartei (Pracheachon) her. Ihre Kader hatten zu
Beginn der 60iger Jahre Sihanouks Regierung verlassen und kämpften schon seit Jahren ohne großen Erfolg im Dschungel für einen kommunistischen Staat. Einer ihrer führenden Köpfe, Khieu Samphan,
war unter Sihanouk kurzzeitig Minister gewesen. Sihanouks Anhänger vom „linken“ Sangkum-Flügel bildeten breites ein Bündnis mit den Kämpfern der Pracheachon, und den Organisationen von
Intellektuellen, ethnischen Minderheiten, Bauern, Arbeitern, Mönchen etc.. Der militärische Arm dieses Bündnisses, die FAPLNK, in dem die Kommunisten den Ton angaben, bekam massiven Zulauf durch
die zahlreichen Anhänger Sihanouks aus der Bauernschaft.
Das Lon-Nol-Regime erwies sich als unfähig und korrupt. Es erklärte seine Kriegsteilnahme in Vietnam auf Seiten der USA. In Kambodscha ließ es Monarchisten, Linke und Liberale gleichsam verfolgen
und zeichnete sich für grausame Massaker an der vietnamesischen Minderheit verantwortlich. Den Partisanen der „königlich-kommunistischen“ Guerilla-Armee hatte das morsche Regime nichts
entgegenzusetzen und kassierte eine Niederlage nach der anderen. Es dauerte nicht lange, da kontrollierten die USA und ihre Marionette Lon Nol trotz eines brutalen Bombenkrieges, für den sich der
spätere „Friedensnobelpreisträger“ Henry Kissinger zu verantworten hat, nur noch die Hauptstadt Phnom Penh und ein paar große Überlandstraßen.
1975 war alles vorbei. Die USA flogen Lon Nol aus, in Laos und Vietnam siegten die Kommunisten und auch in Kambodscha marschierten die Widerstandskämpfer der Königlichen Regierung der Nationalen
Einheit (FUNK) in die Hauptstadt ein. Es wird wohl nie ganz geklärt werden, was in dieser Zeit und den nachfolgenden Jahren passiert ist. Wie es eine zahlenmäßig kleine radikal-kommunistische
Gruppe innerhalb der FUNK schaffen konnte, derartig die Macht an sich zu reißen und alle anderen auszubooten. Wie es überhaupt möglich war, daß diese kommunistische Gruppe von Kambodschanern
(Sihanouk verwendete den Begriff „Rote Khmer“ für sie), die in den Jahren des Widerstandes 1970-75 selbst am Regierungsprogramm der FUNK mitgearbeitet hatten und sich durch vernünftige Ansichten
auszeichnete – wie diese Gruppe plötzlich das ganze Land in einen revolutionären blutigen Amoklauf stürzte und eine der schlimmsten Diktaturen des 20. Jahrhunderts errichtete.
Formal diente Sihanouk diesem Regime, daß ihn quasi zur Geisel machte, im ersten Jahr noch als machtloses Staatsoberhaupt und diplomatisches Feigenblatt, bis er 1976 zurücktrat und mit seiner
Frau im Königspalast unter Hausarrest gestellt wurde. Das Regime der Roten Khmer, dessen offizieller Führer Khieu Samphan, aber dessen wirklicher Herrscher im Hintergrund der geheimnisvolle
Saloth Sar alias Pol Pot gab, war, errichtete einen steinzeitkommunistischen Bauernstaat und ließ die Stadtbevölkerung aufs Land zwangsumsiedeln. Über eine Mio. Kambodschaner kamen in den knapp
vier Jahren der Pol-Pot-Herrschaft um, Sihanouk überlebte nur, weil China den Roten Khmer klarmachte, daß es seine Ermordung nicht dulden werde.
Nach Grenzkonflikten mit Vietnam überrannte die vietnamesische Armee 1979 die Stellungen von Pol Pots Kindersoldaten, die Chinesen flogen Sihanouk aus Phnom Penh aus. Im Pekinger Exil zimmerte er
sofort wieder eine Exil-Regierung aus Monarchisten, Republikanern und Kommunisten zusammen, die militärischen Widerstand gegen die nun folgende zehnjährige vietnamesische Besatzung
organisierte.
1991 unterzeichneten die Bürgerkriegsparteien dann ein Friedensabkommen und die UNO entsandte eine große Friedensmission in das Land. Sihanouk wurde als „Vorsitzender eines Obersten
Nationalrates“ provisorisches Staatsoberhaupt.
Die Wahlen von 1993 brachten ein politisches Patt hervor. Obwohl die von Sihanouk noch im Exil gegründete und mittlerweile von seinem Sohn Prinz Norodom Ranariddh geführte Vereinigte Nationale
Front für ein unabhängiges, neutrales, friedliches und solidarisches Kambodscha (FUNCINPEC) mit 58 von 120 Parlamentssitzen stärkste Kraft im Parlament wurde, weigerte sich der seit 1985
amtierende pro-vietnamesische Premierminister Hun Sen (Kambodschanische Volkspartei CPP, 51 Sitze) die Macht abzugeben. Da Hun Sen und seine Anhänger den Sicherheitsapparat und das Militär
kontrollierten, saß er letztlich am längern Hebel.
Doch auch hier fand Sihanouk eine für ihn typische Lösung und erklärte sich – der 1955 abgedankt war und 1960 abermals auf den Königstitel verzichtet hatte – zum neuen alten Monarchen von
Kambodscha und ernannte Ranariddh zum Ersten, Hun Sen zum gleichberechtigten zweiten Ministerpräsidenten.
Doch die beiden zerstritten sich schnell und 1997 putschte Hun Sen den Prinzen aus dem Premiersamt und regierte mit einem loyalen FUNCINPEC-Flügel weiter. König Sihanouk, dessen Amt auf rein
repräsentative Aufgaben beschränkt war, mißbilligte zwar den Putsch, konnte aber nichts unternehmen. Ohnehin hielt er sich nunmehr größtenteils zur medizinischen Behandlung in Peking auf, denn er
litt an Bluthochdruck, Darmkrebs und Diabetes. Dennoch setzte er sich weiter für sein Land ein und war z.B. treibender Keil bei der Durchsetzung neuer schärferer Umweltschutzgesetze, mit denen
der Raubbau am Regenwald bekämpft werden sollte.
Ranariddh verschanzte sich mit ein paar hundert loyalen Soldaten im Urwald und suchte das Bündnis mit den letzten kämpfenden Resten der Roten Khmer gegen Hun Sun.
Im Jahre 2004 dankte Sihanouk dann aus gesundheitlichen Gründen endgültig ab und überließ seinem Sohn Norodom Sihamoni, der Kambodscha bisher als UNESCO-Botschafter gedient hatte, den Thron. Nach
und nach zog sich Sihanouk immer mehr aus der Öffentlichkeit zurück, kommunizierte fast nur noch über seine Internetseite mit der Öffentlichkeit. Auch der Postkontakt zum Autor dieses Artikels
erlahmte.
Am Morgen des 15. Oktobers 2012 ist Norodom Sihanouk friedlich eingeschlafen. Kambodscha verliert mit ihm nicht nur den „Vater der nationalen Unabhängigkeit“ sondern auch den für das Land wohl
bedeutendsten Politiker des 20. Jahrhunderts, der immer wieder bestrebt war, zwischen extremen politischen Standpunkten auszugleichen und Bündnisse weit über ideologische Grenzen, angetrieben vom
gemeinsamen Anliegen für das Gemeinwohl, zu schmieden.
Kay Hanisch
31. Oktober 2012
Die undurchsichtige Haltung des Tschad im Libyen-Konflikt und mögliche Ursachen dafür
23.11.2011. Seit einiger Zeit mehren sich die Informationen darüber, daß angeblich NATO-Kampfflugzeuge vom Tschad und vom Südsudan aus Ziele in Libyen angreifen. Die
Angriffe gelten dem Wüstenstamm der Tuareg und der Libyschen Befreiungsfront (LLF), welche beide gegen das von der NATO installierte Terrorregime aus Islamisten und Neoliberalen in
Tripolis kämpfen.
Diese Bombardements fanden nach dem 31.10.2011 statt, nach dem die NATO also ihren Einsatz in Libyen offiziell für beendet erklärt hatte.
Der Südsudan ist ein Staat, der erst in diesem Jahr – auf massives Betreiben von Washington – „unabhängig“ wurde. In Wirklichkeit ist dieses Staatsgebilde, ohne nennenswerte Infrastruktur, aber
dafür mit Ölquellen ausgestattet, eine Kolonie der USA und von diesen völlig abhängig.
Der Tschad hingegen steht als ehemalige französische Kolonie unter dem Einfluß von Paris.. In seinem Staatsgebiet führten Libyen und Frankreich in den 80iger Jahren einen Stellvertreterkrieg. Der
jetzige Präsident Idriss Déby, ein als wagemutig und strategisch brillant bekannter hoher Offizier der pro-französischen Diktatur von Hissen Habré stürzte diesen 1990 mit Hilfe von Libyen,
Frankreich und Sudan. Déby hatte es geschafft, nachdem er bei Habré in Ungnade gefallen war, die widerstreitenden Interessen der drei unterschiedlichen Hegemonialmächte im Tschad auszubalancieren
und es allen dreien „irgendwie recht zu machen“.
Noch zum Beginn des Krieges in Libyen tönte Idriss Déby, er werde der libyschen Regierung 1.000 Soldaten zur Verteidigung gegen die Anti-Ghaddafi-„Rebellen“ schicken. Dies dürfte Frankreich mehr
als nur verärgert haben.
Die Soldaten scheinen auch angekommen zu sein, denn es gibt Berichte, daß tschadische Scharfschützen bei der Verteidigung von Tripolis Ende August aktiv waren. Nach der Zerstörung der
Großfahrzeuge und Panzer der libyschen Armee durch die NATO-Jets haben laut „taz“-Berichten Offiziere aus dem Tschad im Frühjahr 2011 kurzzeitig die operative Leitung der Angriffe auf der Straße
zwischen Sirte und Adschabbija übernommen. Die Tschader besitzen jahrelange Erfahrung in der Durchführung von „Toyota-Kriegen“ – also Schlachten, die hauptsächlich mit leichten Pick-ups geführt
werden.
Im Frühling tauchte Idriss Déby noch einmal in der Weltpresse auf, als er davor warnte, daß sich unter den libyschen Rebellen radikale Islamisten befinden und die Al-Qaida im Maghreb, so fern sie
libysche Waffen in die Hände bekäme „zur stärksten Armee in der Region“ aufsteigen könnte. Danach kamen keine Meldungen mehr aus dem Tschad bezüglich des Krieges in Libyen.
Es ist aber anzunehmen, daß die Franzosen Déby für seine Haltung mehr als nur den „Kopf gewaschen“ haben. Unmittelbar vor dem Fall von Tripolis wurde bekannt, daß tschadische Sicherheitskräfte
durch Verhaftungen dafür gesorgt hätten, daß Freiwillige, die auf der Seite Libyens in den Krieg eintreten wollten, die Grenze nicht überschritten. Wenige Tage nach dem Fall der Hauptstadt
erkannte der Tschad den von der NATO und westlichen Geheimdiensten eingesetzten „Nationalen Übergangsrat“ als Regierung Libyens an.
Also eine 180-Grad-Wende in der Politik des Tschad.
Ist dies ausschließlich mit dem Einfluß von Paris in seiner ehemaligen Kolonie zu erklären?
Dazu muß man wissen, daß Idriss Débys Herrschaft 2006 und 2008 von Rebellen bedroht wurde, welche beide Male bereits bis in die Hauptstadt N´Djamena vorgedrungen waren. Nur äußerst knapp konnte
der verschlagene Autokrat seinen Hals aus der Schlinge ziehen. 2008 waren die Rebellen bereits bis auf wenige hundert Meter vor den Präsidentenpalast vorgedrungen. Déby verweigerte das Angebot
der Franzosen ihn auszufliegen und wollte wie Muammar al-Ghaddafi in Libyen bis zur letzten Patrone kämpfen. Beide Male verdankte er seinen Sieg über die Rebellen – übrigens auch nur zu kurz
gekommene Ex-Funktionäre seines Regimes – dem Eingreifen Libyens und Frankreichs. 2006 feuerten französische Kampfjets, welche im Tschad stationiert sind, auf einen Rebellenkonvoi, 2008 brachte
Paris mittels Luftbrücke und in dem es den Flughafen von N´Djamena gegen die Rebellen verteidigte, kistenweise libysche Waffen für die Regierungstruppen des Tschad, denen die Munition auszugehen
drohte.
Sein politisches Überleben hatte Déby also immer sowohl Paris als auch Tripolis zu verdanken. Dieses empfindliche Gleichgewicht ist mit dem Sturz Ghaddafis und dem Krieg in Libyen nun
bedroht.
Inzwischen ist der chinesische Einfluß im Sahelstaat immens gewachsen. Zusammen mit China baute der Tschad bereits seine erste eigene Erdölraffinerie.
Seine erfolgreiche Schaukelpolitik wird der Tschad nun zwischen Peking und Paris betreiben.
Als schlauer Stratege – und diesen Ruf geniest Déby in Afrika – wollte der in Paris als „Wüstencowboy von N´Djamena“ bezeichnete Präsident des Tschad wohl nicht auf der Seite der Verlierer
stehen, als klar war, daß die Kräfte der libyschen Jamahiriya (basisdemokratisches Rätesystem unter Ghaddafi) den Konflikt nicht gewinnen werden.
Immer wieder bemüht sich Déby, durch populistische Manöver seine „Unabhängigkeit“ von Paris zu unterstreichen, was aber in Wirklichkeit zeigt, wie stark der Einfluß der ehemaligen Kolonialmacht
noch ist. Am 11. August 2010 stellte der tschadische Präsident die französische Truppenpräsenz öffentlich in Frage und verlangte eine Kompensation für die Nutzung des Stützpunktes. Das ganze
verlief wie so viele rhetorische Attacken Débys gegen Paris wieder völlig im Sande und die Franzosen sind immer noch da.
Weiter gibt es nun Informationen, die aber offiziell noch nicht bestätigt wurden, daß Truppen des Tschad, angeblich auf französischen „Befehl“ hin, nach Süd-Libyen einmarschiert seien. Die
Informationen darüber sind sehr spärlich.
Falls dies aber zutrifft, könnte das Motiv des Tschad aber auch ein anderes sein, als die Interessen der Franzosen zu bedienen. Idriss Déby ist 2011 mit knapp 89% als Präsident wiedergewählt
wurden und hat seine Position gefestigt, die Opposition ist schwach und zerstritten, mehrere Rebellen-Chefs streckten nach einer Amnestie die Waffen. Mit anderen Worten, Déby hat seinen fragilen
Staat gerade erst wieder mühsam zusammengeflickt und bestimmt nicht die Absicht, ihn durch das Überschwappen eines benachbarten Bürgerkrieges wieder zerlegen zulassen. Der Tschad könnte also
versuchen, eine Pufferzone in Libyen einzurichten, um den Waffenschmuggel zu unterbinden, zumal das rebellische Volk der Tubu auf beiden Seiten der extrem durchlässigen und schwer zu
kontrollierenden Grenze lebt. Dieses vitale Interesse des Tschad deckt sich durchaus mit dem des Westens, welcher ebenfalls Angst hat, daß die zahlreichen Waffen aus dem libyschen Bürgerkrieg in
andere Staaten gelangen.
Das alles ändert nichts an der Tatsache, daß der von der NATO in Gang gesetzte Libyen-Krieg eines der bisher größten Verbrechen des 21. Jahrhunderts ist und jegliches internationales Recht
seitens der westlichen Staatengemeinschaft mit Füßen getreten wurde.
Fragwürdige Kritik an Ungarn
Warum die Kritik an Ungarns neuem Mediengesetz scheinheilig ist und was wirklich dahintersteckt
30.1.2011. Seit einigen Wochen lesen wir in unseren Zeitungen und hören und sehen in Radio und TV, daß in Ungarn, einem EU-Land, demnächst die Pressefreiheit abgeschafft wird. Dort hatte im
letzten Jahr der Bund Junger Demokraten (FIDESZ) unter seinem Gründer Viktor Orban gemeinsam mit seiner „Satellitenpartei“ KDPN, einer christlich-konservativen Kleinpartei, die Wahlen mit
einer 2/3-Mehrheit gewonnen. FIDESZ wurde bereits in den letzten Wochen des Sozialismus 1989 gegründet und war zunächst eine liberale bürgerliche Partei, die Kontakt zur deutschen FDP hielt.
Bereits während seiner ersten Regierungszeit 1998-2002 entwickelte sich Viktor Orban zum Konservativen, ohne aber die neoliberale Linie zu verlassen. In der Folgezeit trat FIDESZ im
Europaparlament der Europäischen Volkspartei (EVP), der auch die CDU angehört, bei.
In den Jahren der Opposition 2002-2010 entwickelte FIDESZ immer stärker nationalkonservative Positionen. Dies äußerte sich auch in aggressiver Rhetorik gegen die damalige links-nationale
Koalition in der Slowakei.
Da Ungarn von der Wirtschaftskrise stark angeschlagen war, mußte Viktor Orban nach seinem erneuten Wahlsieg 2010 Maßnahmen zur Konsolidierung des Staates treffen. Allerdings weigerte er sich,
dies nur mit einseitigen Maßnahmen zu tun, welche ausschließlich die Bevölkerung zur Kasse bitten, sondern forderte eine zeitlich begrenzte „Krisensteuer“ von ausländischen Konzernen zur
Kompensierung.
Mittlerweile ist das öffentliche mediale Aufjaulen deutscher Supermarktketten und Großkonzerne, welche in Ungarn tätig sind, wieder in Vergessenheit geraten, obwohl es erst wenige Wochen her ist.
Dies dürfte der eigentliche Grund für die Hetzkampagne gegen Ungarns Premier Viktor Orban sein. Und das hat ja auch Methode, wenn man sich an die Slowakei erinnert: dort regierte nämlich von
2006-2010 der Sozialdemokrat Robert Fico in Koalition mit einer kleinen linksnationalen und einer kleinen rechtsnationalen Partei. Diese bunte Koalition stoppte die Privatisierung öffentlichen
Eigentums (darunter der Flughafen von Bratislava), holte die slowakischen Truppen umgehend aus dem Irak zurück und machte die Privatisierung der Rentenversicherung teilweise wieder rückgängig.
Gegen diese Koalition erhob sich europaweit ein mediales Trommelfeuer, die slowakischen Sozialdemokraten wurden – unter reger Beteiligung des EU-Abgeordneten und SPD-Westentaschendemagogen Martin
Schulz – aus dem Fraktionsbündnis der europäischen Sozialdemokraten ausgeschlossen. Als offizieller Vorwand diente die Regierungsbeteiligung der kleinen rechtsnationalen Slowakischen
Nationalpartei (SNS).
Zu guter Letzt gewann Robert Ficos sozialdemokratische Partei Smer trotz Wirtschaftskrise die Wahl und legte sogar um 6% zu, konnte aber nicht mehr regieren, da aufgrund der Intervention
von Adenauer- und Friedrich-Naumann-Stiftung ein wackeliges Bündnis der abgehalfterten Oppositionsparteien zu Stande kam. Diesen Parteien nahmen die deutschen Stiftungen das Versprechen ab, in
KEINEM FALL mit Fico zu koalieren. Der Sieger mußte in die Opposition.
Zurück nach Ungarn. Dort – wo Pressefreiheit wesentlich laxer gehandhabt wird, als in Deutschland und oftmals die Journalisten mit unfeinen Adjektiven Politiker charakterisieren – hatte die
Regierung Orban ein neues Mediengesetz und eine Medienkontrollbehörde geschaffen, welches „informative Mediendienstleister“ unter anderem zu „vielseitiger, sachgerechter, zeitnaher, objektiver
und ausgewogener“ Berichterstattung verpflichtet. Die Inhalte dürfen jedoch nicht „Personen, Nationen, Gemeinschaften, nationale, ethnische, sprachliche und andere Minderheiten oder irgendeine
Mehrheit sowie eine Kirche oder religiöse Gruppierung offen oder verdeckt beleidigen oder ausgrenzen“.
Klingt eigentlich ganz vernünftig. Das Problem ist nur, daß FIDESZ eine 2/3-Mehrheit im Parlament besitzt und damit nach Gutdünken die Besetzung der neuen Behörde zu seinen Gunsten vornehmen
kann.
Doch ist es in Deutschland anders? Sind die Sitze der Rundfunkräte nicht auch zwischen CDU und SPD aufgeteilt? Gut, das sind immerhin zwei Parteien.
Machen mehrere Parteien ein Land gleich zu einer Demokratie? In der DDR gab es auch fünf Parteien...
Die Kritik an Orban wird von seinen politischen Gegnern, den abgewählten, neoliberalen „Sozialisten“ und den aus dem Parlament geflogenen bürgerlichen Parteien MDF (Konservative) und SZDSZ
(Liberale) sowie den diese Gruppierungen unterstützenden Medien angefacht. Ihre Schwesterparteien aus den anderen EU-Staaten übernahmen diese Kritik offenbar ohne eine Überprüfung des
Mediengesetzes vorzunehmen. Die europäische Orban-Schelte fing schon an, da gab es noch nicht einmal eine Übersetzung des Gesetzes. Erstaunlich also, wieviel ausländische Journalisten des
Ungarischen offenbar mächtig sind...
Die wahren Gründe für die Anfeindungen liegen also nicht in der Medienpolitik Orbans, denn gegen Berlusconi gibt es ja auch nur verhaltene Kritik, sondern in seinen Versuchen, ausländische
Konzerne zur Kasse zu bitten.
Man sollte die Regierung Orban an ihren Taten und nicht an der Polemik der Opposition messen. Diese Regierung zeigt einen besorgniserregenden Trend zum rechtsnationalen Gedankengut, bedenkt man,
wie sie die Slowakei wegen deren Umgang mit der ungarischen Minderheit unter Druck setzte.
Dennoch heißt es abwarten. Unabhängige ungarische Medienvertreter wie Jan Maika, Chefredakteur und Herausgeber der „Budapester Zeitung“ meinen, der Westen solle seine Kritik „versachlichen“ und
nicht „die Faschismuskeule schwingen“. Die Kritiker Orbans im Parlament wie die wirklich neofaschistische Partei Jobbik oder die abgewählten „Sozialisten“ sind noch lange keine Demokraten.
Einzige Ausnahme ist die neu ins Parlament gewählte, grüne und leicht europakritische Partei „Politik kann anders sein!“ (LMP).
Ein etwas ungebildeter Europa-Abgeordneter verglich Viktor Orban bei dessen Eröffnung von Ungarns EU-Ratspräsidentschaft im Europaparlament mit Hugo Chavez. Es war wohl als Beleidigung gemeint,
ist aber eigentlich ein Kompliment: der venezuelanische Präsident hat sein Land demokratisiert, die Mitwirkungsmöglichkeiten der Bevölkerung verbessert und die Armut drastisch reduziert.
Kay Hanisch
Tschad und die Strategie des Westens
Hat der Präsident des Tschad die Afrika-Strategie des Westens durchschaut?
28.5.2012. Mit einer seltsamen Meldung rückt die Zeitung „Graswurzelrevolution“ die westliche Afrikapolitik wieder in den Fokus: der tschadische Präsident Idriss Déby
plant angeblich eine Allianz mit den Tuareg, der POLISARIO und den Islamisten.
In dem Artikel „Wo stehen die arabischen Aufstände heute?“ der Zeitschrift Graswurzelrevolution fand sich eine Meldung, die man woanders nicht lesen konnte.
Der tschadische Präsident Idriss Déby ruft die separatistischen Kämpfer des Nomadenvolkes der Tuareg, die den gesamten Nordteil Mali kontrollieren und sich in der Nationalen Bewegung für die
Befreiung von Azawad (MNLA) zusammenschlossen haben, auf, eine breite Allianz mit der radikalislamischen Terrorgruppe Al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQMI) und der sozialistischen
Befreiungsfront der von Marokko besetzten Westsahara, POLISARIO, mit seiner Regierung zu bilden.
Dies ist insofern ungewöhnlich, da Déby im Allgemeinen als pro-westlich und enger Verbündeter der Franzosen gilt, auch wenn er bisweilen eigene Interessen verfolgt. Würde diese Allianz wirklich
zusammenkommen, wäre sie mehr als bunt. Was steckt also hinter dieser Forderung?
Schauen wir uns die genannten Protagonisten einmal genauer an;
MNLA
Die MNLA hat mit nur wenig mehr als 1.000 Kämpfern die Regierungsarmee von Mali, die immerhin 7.000 Mann zählt, Anfang 2012 komplett aus dem Nordteil des Landes
vertrieben und in diesem ihren eigenen Staat „Azawad“ ausgerufen. Die Tuareg wurden von Libyens langjährigem Herrscher Muammar al-Ghaddafi unterstützt und während sie in vielen anderen
Sahelstaaten als ungeliebte Minderheit galten, waren sie in Libyen von der Regierung gern gesehen. Zahlreiche Tuareg kämpften auf Ghaddafis Seite gegen die NATO-Invasion 2011 und gegen die von
der NATO angeheuerten Söldner des sogenannten „Nationalen Übergangsrates“ (NTC). Die Tuareg waren ohnehin gute Kämpfer – und nun – mit den Kampferfahrungen und zahlreichen schweren Waffen aus dem
Libyen-Krieg kehrten sie in ihre Heimatgebiete nach Mali zurück und konnten die schlecht ausgerüstete Regierungsarmee leicht in die Knie zwingen. In den von ihnen kontrollierten Gebieten baute
die MNLA Volkskomitees nach libyschen Vorbild auf, um das tägliche Leben zu organisieren. Die Volkskomitees sind eine „Erfindung“ des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Ghaddafi. Das läßt
eine gewisse ideologische Nähe der MNLA zu diesem vermuten, aber bewiesen ist das nicht.
AQMI
Diese Gruppierung bezeichnet sich selbst als Ableger von Osama bin Ladens Terrorbündnis „Al Qaida“. Allerdings ist AQMI kaum durch Bombenanschläge aufgefallen, sondern
eher durch Entführungen westlicher Touristen und Entwicklungshelfer, die dann meistens gegen Lösegeld freigelassen werden. Es gibt Experten, die AQMI eher als kriminelle Organisation, denn als
radikale Islamisten einstufen. Den Namen Al Qaida im Islamischen Maghreb haben diese vorrangig in Mali und seinen Nachbarländern agierenden Gangster sich offenbar nur gegeben, um die
Weltöffentlichkeit von ihrer „Gefährlichkeit“ zu überzeugen und das sie nicht mit sich scherzen lassen.
POLISARIO
Diese eigentlich weltbekannte Gruppe versteht sich als sozialistisch orientierte Befreiungsbewegung und Exil-Regierung der von Marokko annektierten Westsahara. Die
POLISARIO kontrolliert ungefähr ein Drittel der Westsahara und wird von Algerien unterstützt, wo zahlreiche Flüchtlingslager des saharaurischen Volkes existieren und auch die Exil-Regierung,
welche von über 50 afrikanischen Staaten anerkannt wird, ihren Sitz hat. Die POLISARIO verfügt (Angaben aus den 90iger Jahren) über 6.000 Kämpfer und 170 alte Kampfpanzer. Auch sie wurde von
Ghaddafi unterstützt, es gab hier zwischen Libyen und Algerien sogar einen gewissen Konkurrenzkampf.
Idriss Déby
Der frühere Oberbefehlshaber der tschadischen Armee kam 1990 durch einen Bürgerkrieg mit Ghaddafis Hilfe an die Macht und stürzte den Diktator Hissen Habré.
Danach leitete er eine Demokratisierung ein, es gab Mehrparteienwahlen und oppositionelle Medien wurden zugelassen. Trotzdem kann man den Tschad nur bedingt als Demokratie bezeichnen, die
Präsidentenpartei MPS (Patriotische Heilsbewegung) dominiert mit ihren Satellitenparteien das Parlament und den Staatsapparat. Déby gilt als extrem geschickter Stratege in militärischen
Fragen. Er schaffte es, sich sowohl die Unterstützung der USA, Frankreichs, des Sudans und Libyens zu sichern und so das Land zu befrieden, da sich diese Mächte im Tschad der 80iger Jahre einen
Stellvertreterkrieg lieferten.
Als der NATO-Krieg gegen Libyen ausbrach, schickte Déby 1.000 Soldaten zur Unterstützung Ghaddafis, von denen allerdings nur wenige zurückkehrten.
In kritischen Medien liest man immer wieder von einer kolonialen Rückeroberung Afrikas durch die westlichen Staaten. Diese Rückeroberung wurde 2011 mit dem militärischen Eingreifen der
NATO-Staaten in der Elfenbeinküste und in Libyen besonders deutlich. In beiden Staaten wurden national orientierte Regierungen durch westliches Eingreifen gestürzt und durch Marionettenregime
ersetzt. Während Libyen ein Störfaktor war, weil es die afrikanische Unabhängigkeit und Emanzipation nach Kräften mit seinen Erdölmilliarden förderte, war die Elfenbeinküste der größte Kaffee-
und Kakao-Exporteur des Kontinents, der von dem sturen Linksnationalisten Prof. Laurent Gbagbo regiert wurde.
In Afrika lagern all die Rohstoffe, die das siechende westlich-kapitalistische System benötigt, um sein Leben zu verlängern. Wir sprechen hier von Coltan-Erz, Kupfer, Bauxit, Uran, Gold, Erdöl,
Edelhölzer u.v.m..
Regierungen, die dafür einen fairen Preis haben wollen, sind den kränkelnden westlichen Staaten ein Dorn im Auge. Deshalb müssen sie beseitigt werden, wenn man sich mit ihnen nicht geschäftlich
einigen kann.
In verschiedenen kritischen Online-Artikeln, die sich ausführlicher mit der Rekolonialisierung Afrikas beschäftigen, ist häufig von einem „Gürtel der Instabilität“ die Rede, welchen westliche
Staaten zwischen Mauretanien und Sudan – quasi in der Sahelzone - errichten wollen. Diese Instabilität – geschaffen durch Rebellenbewegungen und „Terroristen“, ebenso wie durch schwache
Regierungen in den Sahelstaaten – soll den Vorwand bilden, militärisch in diesen Gebieten zu intervenieren.
Wer dafür einen Beweis benötigt, der soll sein Augenmerk auf die Abspaltung Südsudans vom Sudan werfen. Diese Sezession war nur mit westlicher Hilfe möglich und nun besitzt der neue, vom Westen
gänzlich abhängige „Staat“ Südsudan (eine Art afrikanisches Kosovo) die meisten der sudanesischen Ölquellen, während die nationalistisch-islamistische Regierung in Khartum sprichwörtlich auf dem
Trockenen sitzt.
Idriss Déby hat als geschickter Stratege offenbar die Pläne des Westens erkannt. Dennoch bleibt sein Aufruf für eine Allianz des Tschad mit AQMI, MNLA und der POLISARIO rätselhaft. Alle vier
Parteien verfolgen ganz offenkundig völlig unterschiedliche Interessen. Mit der Unterstützung von AQMI und der MNLA würde Déby seinen Einfluß in Mali ausweiten. Das er gelegentlich eine
„Mini-Hegemonialpolitik“ betreibt, hat er schon bewiesen, als er 2003 den Putsch in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) unterstützt hat.
Aber die POLISARIO? Bisher hatte der Tschad wenig Interesse mit dieser Gruppierung näher zusammenzuarbeiten. Will Déby den freigewordenen Platz Ghaddafis als Sponsor einnehmen? Schließlich
sprudelt seit ein paar Jahren das Erdöl auch im Tschad.
Will Déby die Strategie des Westens durchkreuzen? Eher unwahrscheinlich – das kann er sich nicht trauen, denn so fest sitzt er nicht im Sattel. 2006 und 2008 wurde seine Regierung nur durch das
Eingreifen französischer Truppen vor Rebelleneinheiten gerettet.
Will er vielleicht bloß mitmischen im Great Game um Nordafrika? Eher möglich.
Oder bloß provozieren, um den Westen zu Zugeständnissen zu veranlassen? Hat er jedenfalls schon öfter gemacht.
Oder diese Aufforderung, eine Allianz zu gründen, Teil eines Planes des Grünen Widerstandes aus Libyen, dem Westen bei der Rekolonialisierung Afrikas in die Parade zu fahren? Vergessen wir nicht:
die Tuareg, die POLISARIO und Déby waren trotz ideologischer Unterschiede alle enge Verbündete Ghaddafis. Nur mit Al Qaida hatte Ghaddafi absolut nichts am Hut.
Das Große Spiel um Afrikas Reichtümer hat begonnen. Welt im Blick bleibt für Sie dran.
Kay Hanisch
11.11.2013. Mit Hilfe ausländischer Interventionstruppen konnte die kongolesische Regierung die M23, eine Guerilla, die vor wenigen Wochen noch nahezu unbesiegbar
schien, niederringen. Warum lag dies im Interesse des Westens?
Die Bewegung des 23. März (M23), eine Guerilla-Armee, welche im Osten der Demokratischen Republik Kongo kämpft, ist besiegt. Ihr politischer „Präsident“ Bertrand
Bisimwa ist nach Uganda geflohen, ihr militärischer Führer, General Sultani Makenga untergetaucht. Rund 100 Kämpfer haben sich der kongolesischen Regierungsarmee FARDC ergeben, 1.500 – 2.000
Guerilleros sind über die Grenze nach Uganda marschiert, wo sie sich entwaffnen ließen. Damit endet eine vor rund 20 Monaten begonnene Rebellion.
Die Gründe für den M23-Aufstand
Von 2006 bis 2009 kämpfte unter dem charismatischen General Laurent Nkunda eine Guerilla-Armee namens Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes (CNDP) im Osten Kongos. Sie
verfügte zeitweise über bis zu 7.000 Soldaten, über schwere Waffen und sogar über einige erbeutete Kampfpanzer. Ihr Ziel: der Schutz der ethnischen Minderheit der kongolesischen Tutsi vor
staatlicher Diskriminierung und vor den Übergriffen gewalttätiger, rassistischer Milizen, wie z.B. der FDLR, einer rund 2.000 Mann starken Einheit, die aus ehemaligen Verantwortlichen für den
Völkermord im benachbarten Ruanda bestehend, in den kongolesischen Urwald geflohen war und dort ihr Unwesen trieb.
Die CNDP gab sich zunehmend eine nationale Agenda, immer mehr unzufriedene Angehörige anderer Ethnien schlossen sich der Gruppierung an und bald machten die Tutsi weniger als 50% der Kämpfer aus.
Der studierte Psychologe Laurent Nkunda, der es wie kein anderer verstand, sich und seine Rebellion vor den Medien zu verkaufen, gab internationalen Journalisten Interviews in seinem
Hauptquartier. Er wandte sich gegen die Ausbeutung der kongolesischen Rohstoffe durch kriminelle Netzwerke, träumte von einer funktionierenden, effektiven gesamtkongolesischen Armee, die er mit
der Regierung gemeinsam aufbauen wollte und von einem Kongo unter seiner Führung, der im Weltsicherheitsrat sitzt. (Ohne Zweifel hatte Nkunda die Bedeutung seines Landes, welches über gewaltige
Rohstoffvorkommen verfügt, richtig erkannt).
Die CNDP galt als militärisch wesentlich effizienter und ihre Soldaten als disziplinierter als jene der verlotterten Regierungsarmee FARDC, deren Soldaten oft nicht bezahlt wurden und die
Zivilbevölkerung ausplünderten und vergewaltigten.
Einer Studie deutscher Wissenschaftler zufolge waren die Lebensverhältnisse im CNDP-Gebiet, wo Nkunda mittlerweile eine eigene zivile Verwaltung eingesetzt hatte und Steuern erhob, besser (und
vor allem sicherer) als jene in den von der Regierung „kontrollierten“ Gebieten, in denen ca. 40-55 kleinere und mittlere Milizen ihr Unwesen trieben.
Nkunda drohte immer öfter damit – beflügelt durch seine militärischen Erfolge gegen die FARDC – mit der CNDP bis nach Kinshasa zu marschieren – angesichts von nur 7.000 Kämpfern und der
gewaltigen Strecke auf unbekanntem Terrain – ein völliger Irrsinn, weshalb ihm hochrangige Mitstreiter „Größenwahn“ vorwarfen. In Wirklichkeit diente die Drohung Nkundas dazu, die Regierung
wieder an den Verhandlungstisch zu bringen und gleichzeitig unzufriedene Regierungsgegner in anderen Landesteilen für sich zu gewinnen. Doch dann geschah etwas, womit der clevere Stratege Nkunda
offenbar nicht gerechnet hatte.
Seine „Nummer 2“, der opportunistische „General“ Bosco Ntaganda, der mit seiner eigenen Miliz zur CNDP gestoßen war und als Kriegsverbrecher gesucht wurde, verbündete sich mit der kongolesischen
Regierung und ging mit seinen Truppen und der FARDC gegen den überraschten Nkunda vor, um ihn abzusetzen. Dieser konnte gerade noch mit ein paar hundert Kämpfern nach Ruanda flüchten, welches die
CNDP angeblich laut westlicher Presse unterstützte. Dort wurde er „verhaftet“, damit er nicht an den Kongo ausgeliefert werden mußte und schmort bis heute in einer Villa unter Hausarrest.
Es dauerte etwas, bis einige hochrangige CNDP-Offiziere begriffen hatten, was da gerade passiert war, doch bis sie es merkten, war es zu spät. Ntaganda ließ die zahlenmäßig überlegene FARDC ins
CNDP-Gebiet einrücken und nahm Verhandlungen mit der Regierung auf. Die CNDP wurde in eine Partei umgewandelt, diese wiederum ging als Teil des großen, zersplitterten Parteienbündnisses, welches
Präsident Joseph Kabila unterstützte politisch unter. Die CNDP-Kämpfer wurden in die Armee integriert und sollten gemeinsam mit der FARDC nun gegen andere Milizen, besonders gegen die FDLR
vorgehen. Ntaganda wurde offiziell zum General der Regierungsarmee ernannt und durfte seine Ländereien behalten und seine krummen Geschäfte weiter führen.
Enttäuschung führt zu neuer Rebellion
Da die ehemaligen CNDP-Kämpfer nun aus ihren angestammten Gebieten auf weit von einander entfernt liegende Militärcamps im riesigen Kongo versetzt werden sollten, die politischen
Forderungen im Friedensvertrag vom 23. März 2009 aber nicht umgesetzt worden waren, regte sich Unmut unter den alten Widerstandskämpfern. Diese forderten die Umsetzung der Punkte des Abkommens
vom 23. März und um diesem Nachdruck zu verleihen, nannte sich die neue Rebellion Bewegung des 23. März (M23). Zu den führenden Köpfen gehörte neben Bosco Ntaganda die frühere „Nummer 3“
der CNDP, General Sultani Makenga – ein Nkunda-Anhänger, den mit Ntaganda eine leidenschaftliche Abneigung verband und der diesem den „Putsch“ gegen den früheren Chef nachtrug. Derweil hatte der
kongolesische Präsident verkündet, er wolle Ntaganda an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGh) ausliefern, was ebenfalls ein Grund dafür war, daß der opportunistische Milizenchef eine neue
Rebellion forcierte.
Führende zivile Mitglieder der CNDP-Partei versuchten zunächst zu vermitteln, doch es half nichts.
Recht schnell eroberten die M23-Rebellen in der Provinz Nord-Kivu alte Positionen, die schon früher von der CNDP gehalten worden waren. Mit dem Terrain vertraut, wesentlich disziplinierter,
besser organisiert und motivierter als Kabilas Lumpenarmee, konnte sich die M23 immer weiter ausbreiten und im November 2012 sogar die Millionenstadt Goma an der Grenze zu Ruanda erobern. Damit
war die Guerilla aber einen Schritt zu weit gegangen. Die ständige Instabilität des Kongo wurde von den Nachbarstaaten zwar schon immer als Bedrohung wahrgenommen, doch jetzt fiel sie erst
richtig ins Auge.
Von Regierungen, die mit der M23 sympathisierten (Ruanda und Uganda) wurde der Guerilla geraten, die Stadt wieder zu räumen – ohnehin wäre dieser Moloch für die damals noch nicht einmal 2.000
Mann starke Tutsi-Guerilla kaum zu verteidigen gewesen. Für diesen Schritt sollte die M23 dann aber mit der Regierung Verhandlungen über die politischen Forderungen der Rebellen führen dürfen.
Die Regierung Kabila stimmte widerwillig zu und es begann ein von Uganda moderierter Verhandlungsmarathon in Kampala.
Die Kabila-Regierung hatte aber nur wenig Interesse an einem echten Verhandlungsergebnis. Erstens war sie verärgert, weil mit den selben Protagonisten 2009 ja bereits ein Friedensprozeß
vereinbart worden war – und jetzt kam diese neue Rebellion! Das die Vereinbarungen seitens der Regierung kaum umgesetzt worden waren – dieser Selbstkritik stellte sich das Kabila-Regime nicht.
Zweitens wollte Kinshasa die M23 durch Verhandlungen nicht „adeln“, da auf diese Weise andere Rebellengruppen nur ermutigt werden würden.
Der Westen stützt das Kabila-Regime
Obwohl die Regierung Kabila als völlig unfähig und korrupt gilt, die letzten Präsidentschaftswahlen nachweislich manipuliert waren und das Regime für die Entwicklung des Landes kaum
etwas getan hat, unterstützt die westliche Staatengemeinschaft den seit 2001 amtierenden Staatschef, dessen einzige politische Großtat es war, sich beim NATO-Überfall auf Libyen 2011 zu weigern,
die vom Westen protegierten islamistischen „Rebellen“ als Regierung Libyens anzuerkennen. Obwohl diese Haltung Kabilas vielleicht nur durch Druck seines kleinen Koalitionspartners PALU, einer
linken, antikolonialen Partei, welche damals mit Adolphe Muzito den Premierminister stellte, zustande kam.
Warum also ist der Westen so interessiert, Kabila im Amt zu behalten? Zum einen gilt er als geschmeidig im Umgang mit den westlichen Partnerländern – zumindest im Gegensatz zu seinem politischen
Hauptgegner Etienne Tshisekedi. Der greise Sozialdemokrat und Ex-Premier – Führungsfigur des zivilen Widerstandes gegen die Mobutu-Diktatur in den 90iger Jahren - gilt als sprunghaft und
altersstarrsinnig.
Zum anderen sicherte die schwache „Herrschaft“ Kabilas, der die Kontrolle über den Ostkongo ja weitgehend an diverse Milizen verloren hatte, die Existenz mafioser Netzwerke, welche unter
günstigen Bedingungen die Rohstoffquellen (z.B. das begehrte Coltan-Erz) ausbeuteten. Diese Rohstoffe landeten dann unter günstigen Bedingungen im Westen.
Ein General Nkunda oder dessen Anhänger in der M23, die solchen Zuständen ein Ende bereiten wollten, waren da störend.
In typischer Mischung aus Unkenntnis, Ignoranz und interessengeleitetem Geschreibsel im Sinne ihrer Geldgeber verdrehte die westliche Presse natürlich oft die Gegebenheiten und brachte die M23
mit dem Rohstoffschmuggel in Verbindung. Auch wurde den Rebellen unterstellt, die M23 sei der verlängerte Arm Ruandas und dieses Land wollte sich mit der Unterstützung der Guerilla
wirtschaftliche Einflußgebiete im Kongo sichern.
Dabei vergaß die hiesige Idioten-Presse zu erwähnen, daß in jenen Gebieten, welche die M23 kontrollierte, kaum welche der begehrten Rohstoffe lagerten. Die Guerilla finanzierte sich durch den
Handel mit der dringend benötigten Holzkohle oder durch die Erhebung von Transitgebühren. Ruanda hat eine Unterstützung der CNDP und der M23 stets abgestritten. Es ist aber nicht von der Hand zu
weisen, daß es beiden Rebellen-Armeen mit unverhohlener Sympathie gegenüberstand, da beide von der Ethnie der Tutsi dominiert wurden, welche auch die Regierungselite in Ruanda stellte. CNDP und
M23 hatten sich u.a. die Bekämpfung der FDLR im Kongo zur Aufgabe gemacht – welche aus den 1994 gestürzten Hutu-Rassisten besteht, die in Ruanda einen Genozid an den Tutsi zu verantworten hatten
und dann aus Angst vor Rache in den Kongo flohen.
Zwei Deutsche bringen die Wende
Sowohl von der CNDP als auch von der M23 wurden die UNO-Truppen der Blauhelm-Mission MONUSCO jahrelang zum Narren gehalten. Die UN-Truppe wirkte wie ein Papier-Tiger und die Rebellen
waren ihr oft einen Schritt voraus. Das änderte sich erst, als der Deutsche Martin Kobler Leiter der Mission wurde. In wenigen Monaten rüstete er seine Soldaten auf und legte sich eine
schlagkräftige Truppe namens „Force Intervention Brigade“ (FIB) zu, welche mit tausenden von südafrikanischen und tansanischen Soldaten verstärkt wurde.
Auch Kabila hatte die Wirkungslosigkeit seiner Regierungsarmee, die sich vor der Schlacht besoff und beim Herannahen des Feindes die Waffen wegwarf, um besser flüchten zu können, längst erkannt.
So rekrutierte er einen weiteren „Deutschen“. Der hieß Francois Olenga und war eigentlich kein Deutscher, lebte aber seit vielen Jahren in Köln. Er war der Sohn eines Mitstreiters des
antikolonialen Befreiungshelden und ersten kongolesischen Premierministers Patrice Lumumba. Beim Sturz der Mobutu-Diktatur 1997 schloß sich Olenga den Rebellentruppen von Kabilas Adoptivvater
Laurent-Désiré Kabila an, der 2001 nach vier Jahren als Staatschef unter bis heute ungeklärten Umständen ermordet wurde.
Olenga schaffte es jedoch, aus der verlotterten FARDC in kurzer Zeit eine halbwegs taugliche Armee zu machen. Er straffte die Kommando- und Versorgungsketten und setzte jüngere und fähigere
Offiziere ein. Kabila selbst hatte die Zeit der Verhandlungen mit der M23 in Uganda genutzt, um seine Armee mit besserem Material auszurüsten. Mit modernsten Waffen, UNO-Truppen an ihrer Seite
und neuer Kampfmoral ausgestattet, holte die FARDC zum Gegenschlag aus. Aus einem taktischen Rückzug der M23 schöpfte sie neue Motivation. Mit einer geradezu unbekannten Siegestrunkenheit stürmte
die Armee nach vorn und drängte die M23 in die Defensive. Deren Motivation war seit mehreren Wochen ohnehin schon im Keller. Zum einen hatte sich die Bewegung gespalten: der Opportunist Bosco
Ntaganda und der Nkunda-Anhänger Sultani Makenga hatten sich zerstritten und es gab Bruderkämpfe unter den M23-Soldaten. Ntaganda stellte sich dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGh) und ein
Teil seiner Kämpfer ergab sich der Regierung, was die Guerilla schwächte. Die langwierigen Verhandlungen in Kampala, während derer die M23 keine Vorstöße unternehmen konnte oder wollte, nagte
ebenso an der Moral der Truppe wie der – dem einfachen Soldaten schwer verständliche - Rückzug aus Goma 2012.
Einer der ersten Luftangriffe der gefürchteten südafrikanischen Rooivalk-Kampfhubschrauber der MONUSCO zerstörte – wie fies – den einzigen Kampfpanzer der M23. Andere schwere Waffen waren die
nächsten Ziele. Den Luftangriffen waren die Rebellen nicht gewachsen. Ihre letzten eingebunkerten Bergstellungen, in die sich ein harter Kern von rund 100 Kämpfern zurückgezogen hatte, zerstörten
die Rooivalks Anfang November 2013. Der politische „Präsident“ der M23, Bertrand Bisimwa, war zu diesem Zeitpunkt längst mit einen schweren Geländewagen nach Uganda geflüchtet und versuchte die
Regierungsoffensive zu stoppen oder zu verlangsamen, in dem er einen einseitigen Waffenstillstand ausrief, doch die FARDC, der die UNO den Weg freigeschossen hatte, ließ sich von so etwas Banalem
wie dem Wunsch nach Frieden nicht beirren. Ein paar hundert M23-Kämpfer wollten nun einen Guerilla-Krieg gegen die FARDC führen, aber die Zerstörung ihrer rückwärtigen Waffenlager machte dies
unmöglich.
So kam es, daß die M23 rund 20 Monate nach ihrem erfolgreichen Start Geschichte war. Im Gegensatz zu den anderen dezentralen Milizen im Ostkongo, war die M23 wie eine reguläre kleine Armee
aufgebaut. Es gab ein Gebiet, das sie regierte und klare Verantwortlichkeiten.
Bertrand Bisimwa erklärte, die M23 werde nun auf politischem Wege für ihre Ziele kämpfen. Das hatte die CNDP auch vor gehabt und es war der direkte Weg in die Randexistenz als
Splitterpartei.
Mittlerweile liest man von einer neuen, unbekannten Guerilla im Kongo, über deren Ziele und Köpfe noch nichts bekannt ist. Ihr Name: M18.
Kay Hanisch
November 2013
Andrzej Lepper
Andrzej Lepper ist Polens berühmtester und zugleich skandalumwittertster Polit-Rebell.
Der frühere Schrecken der Elite will auch bei der diesjährigen
Präsidentschaftswahl antreten.
Man hatte ja eigentlich gedacht, Andrzej Lepper sei am Ende. Nach zahlreichen Strafprozessen wegen tatsächlich begangener und von seinen Gegnern ihm angedichteten Straftaten
sollte er sich vor Scham in eine Ecke verkriechen und von der politischen Bühne verschwinden. Doch dem ist nicht so! Der Mann – obwohl ohne Chancen – will zum vierten Mal Präsident Polens werden,
auch wenn er Umfragen zufolge nur mit zwei bis vier Prozent der Wählerstimmen rechnen kann. Sein bestes Wahlergebnis fuhr er 2005 mit 15,1% und dem dritten Platz ein. Seine Wahlempfehlung war in
der anschließenden Stichwahl ausschlaggebend für den Wahlsieg des kürzlich bei einem Flugzeugabsturz verunglückten Präsidenten Lech Kaczynski.
Andrzej Lepper ist ein politisches Phänomen, für das es in Deutschland nichts Vergleichbares gibt. Für viele Verlierer des neoliberalen Turbokapitalismus ist er ein Robin Hood mit Chuzpe und
Zivilcourage, für die Wende-Gewinner und Oberschichten Polens ist er ein skandalumwitterter Emporkömmling mit über 100 Vorstrafen (hauptsächlich aufgrund politischer Aktionen oder
Äußerungen).
Die zum Teil hasserfüllte Beurteilung Leppers durch die neoliberale Mainstream-Presse Polens ist es dann auch, welche in deutschen Medien oft einfach kritiklos übernommen wird.
***
Nach seinem Abitur begann Lepper in den 70iger Jahren eine Arbeit als Fachmann auf einem Staatsgut im damals noch sozialistischen Polen. Nachdem Eintritt in die Polnische Vereinigte
Arbeiterpartei (PVAP) arbeitete er sich auf einen Leitungsposten hoch, gab diesen aber 1980 wieder auf, um sich mit einem eigenen Bauernhof in Nordpolen selbstständig zu machen. Damals wähnte
er sich am Ziel seiner Wünsche, doch der gesellschaftliche Wandel 1989/90 machte Lepper, wie vielen anderen tausend Bauern einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Dreistellige Inflationsraten
und in die Höhe schießende Zinsen ruinierten die Bauern. Gerichtsvollzieher zogen über das Land und trieben unter Polizeischutz die Schulden ein. Hinzu kamen Agrarimporte aus der EU, die dank
Subventionen für den polnischen Konsumenten billiger waren, als sie die Bauern selbst produzieren konnten.
Der wütende Lepper organisierte den Widerstand der Bauern gegen diese Art der Abzocke. Schnell stieg er zum Anführer der vom Ruin Bedrohten auf und gründete 1992 die Bauerngewerkschaft
Samoobrona, zu deutsch: „Selbstverteidigung“, die in Blütezeiten über 500.000 (!) Mitglieder hatte. In den 90iger Jahren wurde diese Gruppierung durch Straßenblockaden im ganzen Land und
Traktorensternfahrten auf Warschau berühmt – und von der neoliberalen Elite gefürchtet.
Die Bauernaktivisten waren nicht zimperlich, wenn es darum ging, für ihre Rechte zu kämpfen. LKWs mit billigen Agrar-Importen wurden gestoppt und die Fahrer verprügelt. Polizisten, welche die
Straßenblockaden räumen wollten, mit Jauche besprüht.
Das Landwirtschaftsministerium wurde gestürmt und besetzt und in den Bahnhöfen kippten Lepper und seine Mannen den Inhalt ganzer Weizen-Waggons aus der EU auf die Gleise.
Als sich die Samoobrona 1993 als Partei an der Parlamentswahl beteiligte, erhielt sie 2,78% der Stimmen. Die meisten Massenmedien, ob TV oder Print, unterstützten die neoliberalen Turbo-Reformer
und ihre Parteien und bauten Lepper und seine Gruppierung regelrecht zum „hauptberuflichen Buhmann“ im Volk auf. Dies war aufgrund seiner Vorstrafen, seiner verbal-radikalen Ausfälle und der zum
Teil gewalttätigen Aktionen seiner Partei nicht sehr schwer. Der medial erzeugte Haß ließ nicht lange auf sich warten. Einen Brandanschlag auf ein Haus, in dem Lepper übernachtete, kommentierte
die u.a. zum Teil vom deutschen Springer-Konzern beherrschte polnische Presse mit der Behauptung, der Bauernführer habe diesen Anschlag aus Publicity-Gründen selbst inszeniert.
Die Kampagnen zeigten Wirkung und zur Parlamentswahl 1997 erhielt die Samoobrona nur noch 0,08% der Stimmen.
In dieser Zeit erkannte Lepper, der seine Partei eher autoritär führt, daß er die Samoobrona weiteren Wählerschichten öffnen muß, wenn er Erfolg haben möchte. Fortan engagierte sich die
Bauernpartei stark für Arbeitslose, kleine Selbstständige, Rentner und Wendeverlierer.
Inhaltlich trat die Partei für einen „dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus“ ein, wobei sie aber damit ausdrücklich nicht die neoliberalen politischen Stümpereien von Tony
Blair und Gerhard Schröder meinte.
Gegenüber der NATO und der EU legte die Samoobrona große Skepsis an den Tag und schürte die Angst vor einem EU-Beitritt Polens. Diese würde noch mehr Bauern ruinieren, da Polen hauptsächlich in
der Strategie Brüssels als Abnehmerland für Agrar-Überschüsse und nicht als Produzent landwirtschaftlicher Güter vorkam. Die Folgen waren Samoobrona-Straßenproteste, die den Bauernführer einer
breiteren Öffentlichkeit bekanntmachten.
Bei den Präsidentschaftswahlen konnte Lepper sein Ergebnis von 1995 (1,3%) auf 3,1% leicht verbessern. Die Parlamentswahlen von 2001, bei denen die gewendeten Kommunisten, die als
„sozialdemokratisches“, in Wirklichkeit aber neoliberales Bündnis der Demokratischen Linken (SLD) mit 41% die Wahl gewannen, verhalfen auch der Samoobrona zum Durchbruch. Mit 10,20% und 53
Abgeordneten zog die Partei in den Sejm, das polnische Parlament, ein und stellte somit die drittstärkste Fraktion.
Für das politische Etablishment Polens war dies ein gewaltiger Schock.
Der neue SLD-Premier Leszek Miller versuchte, Lepper mit „der Würde des Amtes“ zu bändigen, in dem er dafür sorgte, daß der Bauernführer zum Vize-Präsidenten des Parlaments gewählt wurde. Zwar
hielt sich Lepper gegenüber der Regierung Miller zunächst etwas zurück, aber von einer Bändigung war nicht zu reden. Der neue stellvertretende Sejm-Marschall (Parlamentschef) nahm auch weiter
kein Blatt vor den Mund. Staatspräsident Aleksander Kwasniewski sei „der größte Faulpelz der Nation“, Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz „eine bestochene Kanaille“ und Friedensnobelpreisträger
Lech Walesa „ein degenerierter Säufer“ und „ein Hochstapler“, wobei Letzteres ganz offensichtlich zutraf, denn Walesa hatte seine Biografie frisiert.
Nach derartigen Äußerungen wurde Lepper als Vize-Marschall des Sejm abberufen. Doch die Abgeordneten seiner Partei standen ihrem Anführer in nichts nach und fielen ebenfalls durch lautstarke
Proteste auf. Bedeutete man ihnen, daß ihre Redezeit abgelaufen war, stellte die Samoobrona im Parlament einfach eigene Lautsprecher auf und setzte die verbale Auseinandersetzung fort.
Die Bilanz der neoliberalen SLD-Regierung, welche mit der kleinen linken Arbeiterpartei und der bäuerlichen Polnischen Volkspartei PSL, einer ehemaligen Blockpartei, koalierte war
desaströs. Die versprochenen sozialen Verheißungen wurden durch menschengemachte „ökonomische Sachzwänge“ bei Seite gewischt. Hinzu kamen Polens Kriegseinsatz im Irak und geheime CIA-Gefängnisse
im Land. Die Politik der Regierung unterschied sich kaum von der ihrer konservativen Vorgängerregierung.
2005 stand die Samoobrona dann im Zenit ihrer Popularität. Bei den Parlamentswahlen holte sie 11,41% (56 Mandate) und Lepper belegte mit 15,1% der Stimmen den dritten Platz bei den
Präsidentschaftswahlen.
Der eigentliche Wahlsieger mit 155 Sitzen im Parlament war die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) der eineiigen Zwillinge Lech und Jaroslaw Kaczynski, welche mit der
oft als „linkspopulistisch“ eingestuften Samoobrona und der national-katholischen, ultra-konservativen Liga der Polnischen Familien (LPR, 34 Mandate) eine Koalition einging.
So wurde Andrzej Lepper nicht nur Landwirtschaftsminister, sondern gleichzeitig auch Vize-Premier Polens, was europaweit und im polnischen Etablishment für großen Protest sorgte.
In den deutschen Medien wurde die neue Regierung sofort angefeindet, da sie nicht auf einen hundertprozentigen pro-europäischen Kurs einschwenken wollte und wurde permanent als Koalition von
nationalkonservativ verbohrten Betonköpfen (PiS), Radikalpopulisten (Samoobrona) und Faschisten (LPR) dargestellt.
Obwohl die Regierung Kaczynski einige fortschrittliche Beschlüsse faßte, wie zum Beispiel die Rücknahme der Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten, um kleine Händler besser vor
Discounter-Konkurrenz zu schützen (übrigens auf Initiative der Samoobrona), gab es bald Krach in der Koalition. Sowohl die LPR als auch die Samoobrona lehnten eine geplante Aufstockung des
polnischen Truppenkontingents um 1.000 Soldaten in Afghanistan strikt ab.
Lepper drohte sogar den Haushaltsplan der Regierung im Parlament scheitern zu lassen, wenn die Kaczynskis die Truppen in Marsch setzen.
Es zeigte sich, daß der Bauernführer Lepper es ernst meinte mit den vollmundigen Versprechen, die er vor der Wahl gemacht hatte und nicht daran dachte, sich von seiner Linie abbringen zu lassen.
Auch unabhängige Beobachter gaben zu, daß er als Landwirtschaftsminister sich sehr für die Interessen der Bauern stark machte und gute Arbeit leistete. Doch die Rolle des Populisten konnte er
auch in der Regierung nicht ablegen und er profilierte sich zunehmend auf dem Rücken von Premierminister Jaroslaw Kaczynski und dessen Präsidentenbruder Lech. Die Zwillinge mutmaßten, daß Lepper,
immerhin Platz drei bei der letzten Wahl, sich damit auf die Präsidentschaftswahlen 2010 vorbereitete und Lech Kaczynski vom Thron stoßen könnte.
Der Plan, den die Zwillinge daraufhin ersonnen, war so einfach wie genial. Die Samoobrona und ihre Minister sollten als Mehrheitsbeschaffer in der Koalition bleiben, der Störenfried Lepper,
politischer Kopf der Partei, aber „abgeschlagen“ werden.
Im Herbst 2006 wurde Lepper von Präsident Kaczynski entlassen und die Samoobrona zog sich aus der Regierung zurück. Da aber keine andere Partei zur Koalition mit den Zwillingen bereit war, setzte
man nach wochenlangem Verhandlungs-Hick-Hack Lepper wieder ein und die Samoobrona wurde wieder Teil der Regierungskoalition.
Dieser Plan der Kaczynskis, sich des Bauernführers zu entledigen war fehlgeschlagen. Jetzt versuchten die Kaczynskis, dessen Position zu schwächen, in dem sie Abgeordnete der kleinen
Koalitionspartner mit Posten umwarben und in die PiS-Fraktion hinüber lockten. Zum Ende der „Doppelherrschaft“ der Zwillinge hatten 10 Abgeordnete die Samoobrona und fünf die LPR verlassen.
Begünstigt wurde dieses Unterfangen durch die Presse, welche die beiden kleinen Koalitionsparteien ständig unter die 5%-Hürde kritzelte, wodurch die umworbenen Abgeordneten ohnehin um ihre
Wiederwahl fürchten mußten.
Doch Lepper holte zum Gegenschlag aus. Eine Vertraute, die Abgeordnete Renata Beger, ließ sich zum Schein vom Kanzleichef des Premiers abwerben und dies vom Fernsehender TVN mit versteckter
Kamera filmen. Die polnische Öffentlichkeit war empört über das Verhalten der Zwillinge und die Sympathien für Lepper bei PiS-Anhängern wuchsen.
Jetzt mußte ein noch größerer Skandal her, um den Bauernführer zur Strecke zu bringen.
Mit der Anti-Korruptions-Behörde CBA, die keiner parlamentarischen Kontrolle unterlag, sondern nur dem Premier persönlich gegenüber verantwortlich war, hatte Jaroslaw Kaczynski ein geeignetes
Instrument zur Bekämpfung seiner Gegner geschaffen. (Zu der Zeit ließ er bereits inoffiziell Journalisten und hochrangige Oppositionspolitiker abhören).
Die CBA schob Leppers Landwirtschaftsministerium eine gefälschte Umwidmung von Agrarland in Bauland unter. Dazu wurden zwei als dubios bekannte Geschäftsleute angeheuert, die Lepper für die
Unterschrift Geld unterschieben sollten. Das Schreiben landete auf dem Tisch des Landwirtschaftsministers, doch er unterschrieb nicht – weil er gewarnt wurde. Von keinem Geringerem als dem
PiS-Innenminister Janusz Kaczmarek, der die Rechtsbeugung der Zwillinge nicht mehr ertragen konnte.
Wie geplant erschienen die CBA-Ermittler mit Fernsehteam im Landwirtschaftsministerium um Lepper zu verhaften, obwohl er gar nicht unterschrieben hatte. Wie geplant entließ Kaczynski den
Volkstribun aus dem Amt, obwohl er gar keine Beweise hatte. Der Krach war perfekt und schadete allen Beteiligten, vor allem aber Lepper und seiner Partei, da Kaczynski die Medien auf seiner Seite
hatte.
Immer öfter wurde von Neuwahlen gesprochen. Auch Lepper wollte nun die Koalition aufkündigen, aber ein Teil seiner Abgeordneten verweigerte ihnen die Gefolgschaft, weil die Samoobrona in den
Umfragen um die 5%-Hürde herumdümpelte, ebenso wie die LPR.
Jetzt konnten die Zwillinge ihre kleinen Koalitionspartner vor sich hertreiben, da diese um den Einzug ins Parlament fürchten mußten.
Das „Schiff“ Samoobrona war leckgeschlagen, aber es war noch nicht versenkt! In der Not klammern sich Ertrinkende aneinander und so beschlossen die LPR und die Leppers Partei eine gemeinsame
Wahlplattform zu bilden, die sinnigerweise Liga und Samoobrona (LiS, was auf polnisch „Fuchs“ bedeutet) heißen sollte. Kurzzeitig kam dieses Bündnis auf Umfragewerte von knapp 20%, aber
diese fielen bald wieder. Ein Schwerpunkt der beiden neuen Bündnispartner war die Unterzeichnung des EU-Vertrages zu verhindern. Doch aus der Zusammenarbeit wurde nichts, die Basis der beiden
Parteien versagte die Gefolgschaft. Denn abgesehen von der Wirtschaftspolitik waren die programmatischen Unterschiede zwischen der scharf antikommunistischen LPR und der linkspopulistischen
Samoobrona gewaltig.
Das Unterfangen der Kaczynskis und der USA einen Raketenabwehrschirm in Polen zu errichten, was viele Polen ablehnten, lieferte Lepper schon seit längerer Zeit politische Munition. Man müsse die
Sicherheitsbedenken Rußlands ernst nehmen, sagte Lepper, der auch ein bekennender Fan des weißrussischen Autokraten Alexander Lukaschenko ist. Außerdem befürwortete der Bauernführer einen
Volksentscheid über die Stationierung der US-Raketen, da er zudem befürchtete, daß mit den dazugehörigen Überwachungsanlagen auch die Telefone im Land abgehört werden könnten. „Je mehr Details
wir erfahren, desto entschiedener lehnen wir dieses Vorhaben ab,“ sagte er damals.
Im Nachhinein meinte Lepper, daß es wohl sein Widerstand gegen den „Raketenschutzschild“ war, der ihm endgültig das Genick brach, denn es kam noch schlimmer. Denn nun war er auch für die USA ein
ärgerliches Hindernis.
Hinzu kam noch ein Sex-Skandal: die ehemalige Samoobrona-Büroangestellte und regionale Abgeordnete Aneta Krawzyk erklärte, sie habe ihre Stelle sechs Jahre zuvor nur erhalten, weil sie mit dem
Parteivorsitzenden Lepper und dessen Stellvertreter Stanislaw Lyzwinski geschlafen habe. Letzter sei sogar der Vater eines ihrer Kinder.
Zwar bewies ein Vaterschaftstest recht bald, daß dies nicht stimmte, aber die Geschichte hielt sich wochenlang in den Schlagzeilen und ließ die Umfragewerte der Samoobrona weiter einbrechen, so
daß sie mit den denkbar schlechtesten Voraussetzungen, mit einem moralisch zerrütteten Image, einem angeschlagenen Vorsitzenden und einem durch Abwerbung dezimierten Spitzenpersonal in den
Wahlkampf zog. Mit mageren 1,53% flog sie aus dem Parlament, ließ dabei aber noch die LPR mit 1,3% hinter sich. Die Kaczynskis hatten es geschafft, große Teile der Wählerklientel beider Parteien
mit der PiS aufzusaugen.
Die Medien waren Lepper nie wohlgesonnen gewesen und nun traten sie mit Wohlgenuss die sogenannte „Sex-Affäre“ in der Öffentlichkeit breit. Der Gerichtsprozeß war eine Farce. Lepper nannte das
alles ein „Kesseltreiben gegen meine Person“. Trotz seiner ausdrücklichen Bitte um Öffentlichkeit wurde der Prozeß hinter verschlossenen Türen geführt. Unter dem Eindruck der
Skandalberichterstattung der Medien gingen auch die Mandate der Samoobrona im Europa-Parlament 2009 verloren, wo sich ihre Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion angeschlossen
hatten.
Das Gerichtsurteil, welches trotz dünner Beweislage Anfang 2010 gefällt wurde und Lepper zu über zwei Jahren Haft wegen „sexueller Nötigung“ verurteilte, entbehrte aller rechtsstaatlichen und
westlichen Standards. So wurde die Begründung des Urteils nicht veröffentlicht, sondern geheim gehalten, zumal von den 230 gehörten Zeugen nicht ein einziger die Story der Klägerin bestätigt
hatte. Das Urteil dieses „Geheimprozesses“ sieht sehr nach einem politischen Urteil aus. Der Verurteilte sieht es genauso, ist in Berufung gegangen und will notfalls bis vor den Europäischen
Gerichtshof ziehen.
Das sich Lepper trotzdem entschloß, zur Präsidentschaftswahl anzutreten, schien für das polnische Etablishment nun geradezu unerhört. So verwunderte es kaum, daß ihn die Wahlkommission am
10.5.2010 von der Liste der Präsidentschaftskandidaten streichen ließ, wegen einer Jahre zurückliegenden Beleidigungsklage, die aber eingestellt wurde. Nach Protesten zog die Wahlkommission ihren
Beschluß zurück und ließ Lepper doch zu. Das Strafregister sein nicht aktuell gewesen, hieß es zur Entschuldigung.
Mit Erfolgen sollte man aber bei Leppers Kandidatur nicht rechnen. Den Nimbus des Robin Hood hat er verloren, seit die Kaczynskis, die Medien und das Kartell aus Politik und Justiz ihn offenbar
zum Abschuß freigegeben haben, zumal noch zwei weitere linke, globalisierungskritische Außenseiter zur Wahl antreten. Hinzu kommt, daß die verarmten Bauern, die traditionelle
Samoobrona-Wählerschaft, nun verstärkt Anschluß an die Verteilernetze der EU gefunden haben und lieber Geld dafür kassieren, daß sie NICHTS anbauen – sicherlich nicht gesund für eine
Volkswirtschaft!
Doch wer sollte jetzt noch dagegen protestieren? Es gibt zumindest EINEN, der nicht so leicht aufgibt, egal ob er eine Chance hat...
Kay Hanisch
Juni 2010
***
In der Stichwahl für das Präsidentenamt siegt der Kandidat der pro-russischen Partei der Regionen über die Premierministerin Julija Timoschenko. Die politische
Ausrichtung der Ukraine bleibt ungewiss.
Für den Westen waren die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine auf den ersten Blick ein Desaster: der Held der
Orangenen Revolution von 2004 und Garant der pro-westlichen Ausrichtung der Ukraine, Präsident Viktor Juschtschenko wurde bereits im ersten Wahlgang von den Wählern mit 5,46% der Stimmen
entsorgt, seine Co-Revolutionärin, Premierministerin Julija Timoschenko wandelte sich von der Oligarchin zur Populistin mit sozialer Ausrichtung und betrieb Rußland gegenüber eine Art
Neutralitätspolitik statt der erhofften Heranführung an die NATO und der Wahlfälscher von 2004, Viktor Janukowitsch, eroberte fünf Jahre nach der „Revolution“ die Macht mit demokratischen
Mitteln.
Doch auf den zweiten Blick sieht es so aus, als würden die Karten in der Ukraine politisch neu gemischt und könnte für die Demokraten ein Desaster werden. Der Wahlsieger Janukowitisch ist bei
weitem nicht so progressiv und sozial, wie er sich als Oppositionsführer gegeben hat. Sein Hauptsponsor heißt Rinat Achmetow und ist sowohl sein Mentor, als auch der reichste Mann der Ukraine.
Janukowitschs Partei ist eine Schöpfung der in der russisch sprechenden Ostukraine tätigen Oligarchen, welche sich nach dem Zerfall der Sowjetunion die ehemals staatlichen Industriebetriebe unter
dem Nagel gerissen haben.
Janukowitsch wird künftig einen breiten Spagat machen müssen, will er die Interessen seiner Sponsoren und die seiner Wähler, die zu großen Teilen aus ärmeren Bevölkerungsschichten stammen,
befriedigen.
Auf Janukowitschs Wahlparty wimmelte es von Oligarchen und Dissidenten aus dem Orange-Lager. Achmetows Partner im Metall-Business, der Russe Wadim Nowinskij verkündete auf der Party:
“Janukowitsch verhält sich zur Wirtschaft viel liberaler als Julija Timoschenko. Timoschenko ist ein Bolschewik, sie ist wie Hugo Chavez. Und Viktor Fjodorowytsch (Janukowitsch, Anm.) ist
viel liberaler.”
Der Ausgang der Stichwahl ist bekannt. Janukowitsch bekam ca. 49%, seine Widersacherin Julija Timoschenko erhielt rund 46%. Der Wahlsieger nahm dies zum Anlaß, den Rücktritt Timoschenkos vom Amt
der Ministerpräsidentin zu fordern. Diese aber dachte gar nicht daran, so lange sich ihre Koalition aus ihrem Parteienbündnis Block Julija Timoschenko (BJUT), der Fraktion Unsere
Ukraine (NU) des abgewählten Viktor Juschtschenko und dem Block Litwin des Parlamentspräsidenten Wladimir Litwin noch halbwegs eine Mehrheit im Parlament sichern kann. Die Verweigerung
ihres Rücktrittes begründete sie auch mit Wahlfälschungen, die hauptsächlich in Janukowitschs Hochburgen stattgefunden haben sollen, während die Mehrheit der internationalen Wahlbeobachter die
Wahl als weitgehend frei und fair bezeichnete. Julija Timoschenko stand in den Augen der Öffentlichkeit nun als schlechte Verliererin da!
Timoschenkos Wahlkampfmanager und engster politischer Weggefährte, der stellvertretende Premier Alexander Turtschinow, erklärte, man werde die Wahl anfechten und habe Beweise für einen
Wahlbetrug. Zunächst war von 300.000, später von über einer Million gefälschter Stimmen die Rede, was für einen Timoschenko-Sieg genügen würde.
Janukowitsch und seine Verbündeten halten dies für einen Bluff. Doch wider Erwarten hat bereits ein Gericht die Überprüfung einzelner Ergebnisse angeordnet. So sollen auf der Krim zwischen 3-8%
gefälschte Stimmen für Janukowitsch abgegeben sein.
Auch sollte man bedenken, daß das Wahlgesetz kurz vor der Wahl mit den Stimmen der Partei der Regionen, der Kommunisten und mit Hilfe von Dissidenten aus dem Orange- und Litwin-Lager
geändert wurde, wogegen die Premierministerin Sturm lief. Sie erklärte, was nun folge, könne man nicht mehr Wahl nennen und bat Präsident Juschtschenko, das Gesetz nicht zu unterzeichnen. Doch
dieser unterschrieb natürlich – schließlich war es ihm ein Bedürfnis seiner liebsten Feindin einen Stein in den Weg zu legen.
Nach den Änderungen des Wahlgesetzes müssen u.a. nun nicht mehr zwei Drittel der Mitglieder einer regionalen Wahlkommission anwesend sein, damit diese beschlußfähig ist. Es reicht, wenn
Vorsitzender und Protokollführer unterzeichnen. Auch die Befugnisse der regionalen Wahlkommissionen werden beschnitten und das Wählen von Hause aus („Fliegende Urne“) wurde erleichtert, was
Fälschungen ebenfalls nicht gerade erschwert – allerdings für beide politische Kontrahenten.
Die Massenmedien im Westen feiern also den „pro-russischen“ Janukowitsch, der sich ja so „zum Demokraten gewandelt“ habe (FAZ) als Sieger, während sie über die machtversessene „pro-westliche“
Timoschenko spotten. Gut möglich, daß es so ist.
Aber möglicherweise hatte der Westen ein Interesse daran, daß Janukowitsch gewinnt.
Julija Timoschenko hat sich definitiv nicht als die vom Westen gewünschte Kandidatin entpuppt, aller Lippenbekenntnisse der USA, Europas und Timoschenkos selbst zum Trotz.
Sie ist politisch äußerst unberechenbar. Ihre Partei Batkiwschtschina (Vaterlandspartei) ist nationalkonservativ, ihre Fraktion BJUT umfaßt auch Mitte-Links-Parteien und unterhält
angeblich Kontakte zur neoliberalen deutschen FDP. In westlichen Medien wurde Julija Timoschenko einige Zeit als „Sozialdemokratin“ gehandelt, weil sie die neoliberale Politik des Präsidenten
Juschtschenko in weiten Teilen ablehnte, weswegen dieser sie auch bereits nach acht Monaten entließ (bis zur Neuwahl). In herkömmliche politische Schubladen kann man Timoschenko nicht einordnen,
aber zweifellos ist sie eine begnadete Populistin, die immer weiß, was ihr jeweiliges Gegenüber hören will.
Als sie erkannte, daß die Mehrheit der Ukrainer einen NATO-Beitritt ablehnte, erklärte sie, ein Beitritt komme für sie überhaupt nur nach einem Referendum in Frage und dieses werde in den
nächsten Jahren nicht stattfinden.
Zwar hatte sie in letzter Zeit mehrere erfolgreiche Abkommen – sehr zum Unwillen des Präsidenten – mit Moskau ausgehandelt, wofür dieses Timoschenkos krisengebeuteltes Land sogar mit russischen
Krediten belohnte. Ebenfalls gelang es Julija Timoschenko den Internationalen Währungsfonds für einen gewaltigen Kredit anzuzapfen. Doch sie machte keine Anstalten die vom IWF geforderten
Einschnitte in den Staatshaushalt vorzunehmen. Es werde mit ihr keine Kürzungen im Sozialbereich geben, sagte sie – und hielt sich daran.
Die Weltfinanz und ihre politischen Marionetten schäumten, die zweite Rate des Kredites blieb aus.
„Sie häuft Kredite an, wie eine Hündin Flöhe,“ ätzte Juschtschenko aus dem Präsidentenpalast über seine ehemalige Mitstreiterin.
Jedenfalls hat sich der Westen offenbar schon mit Janukowitsch geeinigt, sonst hätten die europäischen Wahlbeobachter nicht die Wahl abgesegnet. Julija Timoschenko hoffte bei ihrer Wahlanfechtung
offenbar vergeblich auf westliche Unterstützung. Als die ausblieb und auch das Volk kein Interesse an größeren Protesten gegen die Wahl Janukowitschs zeigte, zog sie ihren Einspruch gegen die
Wahl vor Gericht zurück, obwohl sie bereits einen kleinen Teilsieg verbuchen konnte (Verbot der Verkündung, das Janukowitsch gesiegt hat) und erklärte, daß das Gericht nicht unabhängig sei (da es
mehrere vom BJUT benannte Zeugen nicht anhörte).
Doch welches Interesse hätte der Westen an einem Sieg Janukowitschs? Zunächst einmal ist doch zu „befürchten“ daß er das Land wieder näher an Rußland heranführt. So hat der künftige Präsident
bereits erklärt, daß er über das Jahr 2017 hinaus Rußland die Stationierung seiner Soldaten auf der Krim erlauben möchte.
Doch auch von von Julija Timoschenko war der Westen enttäuscht, als sie verkündete, nach dem Auslaufen des Stationierungsvertrages mit Rußland 2017 müsse die Ukraine „ein Land ohne ausländische
Truppen werden“, was eine klare Absage an die Stationierung von NATO-Verbänden auf ukrainischem Gebiet war.
Ferner erklärte die Premierministerin, daß sie niemals zulassen werde, daß die ukrainischen Gastransportsysteme in ausländische Hände übergehen. Dieser staatliche Protektionismus stieß im Westen
auf Ablehnung. Ganz im Gegensatz dazu Neu-Präsident Janukowitsch, der Anzeichen macht, für die Aussicht auf verbilligtes Erdgas aus Rußland Moskau das Gastransportnetz zu überschreiben und damit
eine Forderung des russischen Staatskonzerns Gasprom erfüllt. Es hält sich aber auch das Gerücht, daß Janukowitsch das Transportnetz jeweils zu 33,3% zwischen Rußland, Europa und der Ukraine
aufteilen will. Dies wäre auch im Interesse des Westens, denn dann wäre ein „Gaskrieg“ zwischen der Ukraine und Rußland, wie er Anfang 2009 zu erleben war und zu Versorgungsengpässen in Europa
führte, nicht möglich.
Schon versucht Viktor Janukowitsch bereits im Auftrag seiner ostukrainischen Sponsoren aus dem Donzek die gierigen Zwischenhändler beim Gashandel Rußland-Ukraine, durch welche sich der Gaspreis
für die Ukraine verteuert, wieder zu reaktivieren. Julija Timoschenko hatte diese Zwischenhändler erst vor kurzer Zeit aus dem Geschäft gedrängt.
Timoschenko hat offenbar mit ihrer Vergangenheit als „Gasprinzessin“ und Oligarchin gebrochen. Zumindest hat sie nach der Orangenen Revolution keine Initiativen gestartet, ihr zerschlagenes
Firmenimperium wieder aufzubauen, obwohl es ihr dank politischer Mehrheiten ein leichtes gewesen wäre. Janukowitsch muß seine Unabhängigkeit von Donzeker Clans erst noch beweisen und
erkämpfen.
Zwar ist anzunehmen, daß Timoschenko immer noch Reste ihres Vermögens rund um den Globus versteckt hat, allerdings zählten zu ihren Vermögenswerten, welche sie als Präsidentschaftskandidatin
offen legen mußte, weder ein Auto, ein Konto, noch ein Haus oder eine Wohnung – diese Dinge gehörten angeblich alle ihrem Mann.
„Eine Obdachlose!“ spottete Präsident Juschtschenko, der ehemalige Mitstreiter. „Und so eine will die Ukraine regieren! Schaff Dir erst einmal Deine eigene Zukunft, möchte man sagen...“
Obwohl beide Kandidaten demonstrativ die Nähe zu Rußland suchten, saßen die USA im Wahlkampf mit am Tisch. Während sich Janukowitsch von us-amerikanischen Spin Doctors, welche den Republikanern
nahe stehen, gesponsert von Achmetow, beraten ließ, vertraute Timoschenko auf die PR-Agentur AKPD, die Obamas Wahlkampf geführt hatte und hatte Ex-Präsident Kutschmas Schwiegersohn, den
Oligarchen Viktor Pintschuk als Sponsor in der Hinterhand. Pintschuk hatte 2004 noch Janukowitsch unterstützt.
Es ist offensichtlich, daß sich der Westen mit Janukowitsch arrangiert hat und dies aus zwei Gründen:
1.) Die von der Wirtschaftskrise stark getroffene Ukraine braucht jetzt Ruhe und Stabilität. Die verspricht Prof. Janukowitsch eher als der konfrontative Politikstil einer Julija
Timoschenko.
2.) Es ist offenkundig, daß weder Timoschenko noch Janukowitsch die erste Wahl für den Westen sind. Man hofft, daß ein neuer starker Kandidat aus dem Orangen-Lager die Führung der Opposition
übernimmt und sich spätestens zur nächsten Präsidentschaftswahl erfolgreich gegen Janukowitsch behauptet. Timoschenko, welche eine unabhängige Ukraine anstrebt, wird dann nicht mehr gebraucht,
höchstens noch als Oppositionspolitikerin um Janukowitsch bis zur nächsten Wahl mürbe zu machen.
Die Zukunft der Ukraine liegt aber in ihrer Neutralität und ihrer Unabhängigkeit. Sie ist ein Brückenstaat zwischen Europa und Rußland, aber sie darf weder zum Anhängsel des einen, noch des
anderen werden. Ein Präsident Janukowitsch ist schon erst einmal ein Garant dafür, daß sie nicht in der NATO untergeht.
Zum Schluß möchten wir hier noch einen Überblick über alle Kandidaten des ersten Wahlganges geben, da diese in der deutschen Öffentlichkeit kaum bekannt sind:
Viktor Janukowitsch
Der Wahlgewinner stammt aus der russischsprachigen Ostukraine. War er 2004 noch als Premier von Kutschmas Gnaden noch der Buh-Mann und Wahlfälscher für den Westen, scheint man sich
heute in Europa und Washington mit einem Präsidenten Janukowitsch anfreunden zu können. Er ist wie seine schärfste Gegnerin Julija Timoschenko Doktor der Wirtschaftswissenschaften. Janukowitsch
ist Kandidat und Vorsitzender der Partei der Regionen und lehnt eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine ab. Im ersten Wahlgang erhielt er 35,39% der Wählerstimmen, in der Stichwahl ca.
49%
Julija Timoschenko
Die ukrainische Premierministerin versucht die Spaltung der Ukraine in Ost und West zu überwinden, in dem sie einerseits die Westintegration des Landes Richtung EU vorantreibt,
andererseits den früher propagierten NATO-Beitritt auf den St. Nimmerleinstag aufgeschoben hat und den Ausgleich mit Rußland sucht. Die Vorsitzende der Vaterlandspartei wurde unterstützt
von den im Block Julija Timoschenko (BJUT) zusammengeschlossenen Parteien und der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei der Ukraine, der Gruppierung Reformen und Ordnung,
der Nationalen Volksfront Ruch, der Christdemokratischen Partei der Ukraine, der Europäischen Partei und der Bewegung Selbstverteidigung des Volkes von
Innenminister Jurij Luzenko.
Im ersten Wahlgang erhielt sie 25%, in der Stichwahl ca. 46%.
Viktor Juschtschenko
Der ukrainische Staatspräsident war der Hoffnungsträger vieler Westukrainer während der Orangenen Revolution 2004. Noch fünf Jahre vorher diente er Leonid Kutschma als
Nationalbankpräsident und Premierminister. Der Hobbyhistoriker Juschtschenko, welcher als westlich orientierter Liberalkonservativer gilt, bemühte sich in seiner Amtszeit sehr um die
Wiederbelebung der nationalen ukrainischen Kultur, fand aber im russisch geprägten östlichen Landesteil der Ukraine wenig Zustimmung dafür. Sowohl seine Anbiederung an den Westen, als auch seinen
Konfrontationskurs mit Rußland und seine neoliberale Wirtschaftspolitik waren nicht das, was die Ukrainer 2004 unter einem Wechsel verstanden.
Er bekam daher nur 5,46% der Stimmen. Nach der Wahl will er sich bemühen seine Partei Unsere Ukraine (Nascha Ukraina), die mehrere Abspaltungen hinter sich hat, wieder zu beleben.
Arsenij Jazenjuk
Mit 35 Jahren relativ junger Kandidat aus dem „orangen“ Lager. War schon Parlamentschef, Außen- und Wirtschaftsminister. Gründete die Front für Veränderungen (Front Smin)
als Wählerinitiative. Zunächst prowestlich, schlug er im Wahlkampf auch auf die nationale Pauke und näherte sich an Rußland an, wozu im ihm offenbar seine PR-Kampagnenführer geraten hatten. Bekam
6,95%.
Serhij Tihipko
Noch 2004 im Wahlkampfstab Viktor Janukowitschs, wechselte er später ins Timoschenko-Lager, das er 2009 verließ. Tihipko bekam 13,05% und war somit der Drittplazierte und der
Überraschungskandidat. Der ehemalige Nationalbankchef gilt als Mann der Wirtschaft. Gründer des Bündnisses „Starke Ukraine“.
Wladidmir Litwin
Der Parlamentspräsident und Chef der Volkspartei gilt als Prototyp des Wendehalses, der nicht unbedingt für politische Inhalte steht, aber weiß, seine und die Pfründe seiner
Verbündeten, der im Block Litwin zusammengeschlossenen Parteien zu sichern, in dem er als „Zünglein an der Waage“ fungiert. In der Sowjetunion arbeitete er für das ukrainische
Bildungsministerium, wurde nach der Unabhängigkeit Vertrauter und Kanzleichef des Autokraten Kutschma und war in einige von dessen Machenschaften involviert. Während der „Orangenen Revolution“
taktierte er zwischen den Fronten und schlug sich auf die Seite der „Revolutionäre“. Erhielt 2,34%.
Petro Simonenko
Der KP-Chef trat als Kandidat eines Bündnisses aus seiner Kommunistischen Partei, der Gerechtigkeitspartei, der Union der linken Kräfte und der Vereinigten
Sozialdemokratischen Partei an. Nahm bisher an jeder Präsidentschaftswahl in der unabhängigen Ukraine teil. Während er 1998 noch mit 22,24% in die Stichwahl gegen Kutschma kam, erhielt er
dieses Mal nur noch 3,54%. Für WTO-Austritt der Ukraine.
Inna Bohoslowska
Die fraktionslose Abgeordnete und Gründerin der Bürgervereinigung Volksversammlung („Witsche“) trat als unabhängige Kandidatin an. Die Bewegung der Anwältin galt lange
als
politisches Kind Viktor Pintschuks, des Schwiegersohn von Ex-Präsident Leonid Kutschma.
Inna Bohoslowska erhielt 0,41% der Stimmen. Tritt ein für eine neutrale Ukraine.
Mychailo Brodskyj
Der Kiewer Stadtrat, über die BJUT-Liste gewählt, ist ein Liberaler und Mitglied der Freien Demokraten, 1998-2002 war er Parlamentsmitglied der Fraktion „Jabloko“ und
bekam zur diesjährigen Präsidentschaftswahl nur 0,06% der Stimmen.
Anatolij Hryzenko
Der ehemalige Verteidigungsminister aus dem orange Lager gilt als Liebling der konservativen Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU. Er tritt für ein us-amerikanisches Verfassungsmodell
in der Ukraine ein und ist Abgeordneter von Juschtschenkos Partei Unsere Ukraine sowie Leiter der zivilgesellschaftlichen Bewegung Bürgerlicher Standpunkt. Bekam 1,2%.
Jurij Kostenko
Der gemäßigt national orientierte Kostenko wirkte seit 1988 in der Volksfront Ruch mit, welche für die Unabhängigkeit der Ukraine von der Sowjetunion kämpfte. Unter Kutschma
Umweltminister, unterstützte er seit 2002 Juschtschenko und kandidierte für dessen Partei. 2007 zog er auf der Liste der Ukrainischen Volkspartei, welche im Wahlblock Unsere Ukraine
organisiert ist, ins Parlament ein und ist stellvertretender Verteidigungsminister. Zur Wahl entfielen 0,22% auf ihn. Befürwortet den NATO-Beitritt.
Alexander Moros
Der langjährige Vorsitzende der kleinen links-sozialdemokratischen Sozialistischen Partei der Ukraine (SPU) galt lange Zeit als feste Größe in der ukrainischen
Politik und war mehrfacher Präsidentschaftskandidat seiner Partei, welche immer Ergebnisse von mindestens 6% einfuhr. Unter Kutschma galt er als Parlamentspräsident als moralische Autorität und
deckte die Verwicklung des Präsidenten in die Ermordung eines kritischen Journalisten auf. 2004 unterstützte er die orangen Revoluzzer. Nach den Parlamentswahlen 2006 wechselt er mit seiner
Partei das Lager, unterstützte den Premier Janukowitsch und ließ sich mit den Stimmen von Kommunisten, SPU und der Partei der Regionen wieder zum Parlamentschef wählen. Diesen abermaligen
Frontenwechsel nahmen ihm die Wähler übel. Bei den nächsten Parlamentswahlen scheiterte die SPU knapp an der 3%-Hürde und auch bei dieser Wahl erhielt Moros nur 0,38% (94.334 Stimmen). Tritt ein
für eine blockfreie Ukraine.
Alexander Pabat
Der Unabhängige ist Stadtrat in Kiew und Präsident der Vereinigung BürgerAktiv Kiew.
Er tritt für staatliches Eigentum bei Schlüsselindustrien ein und bekam
0,14%.
Wassyl Protywsich
Der ehemalige Kutschma-Anhänger, Präsident einer regionalen Handelskammer und Lukaschenko-Verehrer hat seinen Namen von Humenjuk auf Protyswich ändern lassen, was soviel wie „gegen
alle“ bedeutet. Damit hoffte er auf Proteststimmen der Wähler, denn neben den Kandidaten können die Ukrainer tatsächlich auch „gegen alle“ ankreuzen. Ganz so blöd waren die Wähler dann doch
nicht, Protywsich bekam 0,16%.
Sergej Ratuschnjak
Der Bürgermeister der Stadt Ushgorod kam 2002 als Unabhängiger Kandidat ins Parlament und wurde als Abgeordneter mit den meisten Fraktionswechseln bekannt (sieben an der
Zahl).
Zum Schluß landete er beim Block Litwin. Bekam 0,12% und rief in der Stichwahl auf, für Julija Timoschenko zu stimmen.
Oleh Rjabokon
Der Rechtsanwalt ging als unabhängiger Kandidat ins Rennen, ist Mitglied der „American Bar Association“ und belegte mit 0,03% den letzten Platz.
Ljudmyla Suprun
Die 45-jährige ist Vorsitzende der Nationaldemokratischen Partei der Ukraine. Sie tritt für eine pragmatische, an den nationalen Interessen der Ukraine ausgerichtete
Außenpolitik ein und bekam 0,19%.
Oleh Tjahynbok
Der „Führer“ der nationalistischen Freiheitsbewegung Swoboda, welche gern mit der deutschen NPD verglichen wird, hat seine politischen Wurzeln ebenfalls in der Volksfront
Ruch. Er hetzt ganz nach Belieben gegen den Westen, die Juden oder Rußland und begeisterte damit immerhin 1,43% der Wähler.
Kay Hanisch
***
Honduras
Die Ereignisse der letzten sechs Monate in Honduras um den Sturz des gewählten Präsidenten Manuel Zelaya können als Lehrstück für alle neoliberalen Kräfte gelten,
welche die Demokratie zurückdrängen und den Einfluß der Oberschicht noch weiter ausbauen wollen. Erkennt die Weltgemeinschaft die Wahlfarce der Putschisten an, macht sie sich völlig
unglaubwürdig.
Die Präsidentschaftswahlen in Honduras waren wohl jene der letzten 30 Jahre, die am allerwenigsten die Bezeichnung „Wahl“ verdient haben
(siehe auch unter Artikel 2005 „Pest oder Cholera“). Wie von der rechtskonservativen Putschistenregierung des ehemaligen Parlamentspräsidenten Roberto Micheletti gewünscht, siegte der Kandidat
der rechtskonservativen Nationalen Partei (PN), Pofirio Pepe Lobo.
Lobo gilt, ebenso wie sein Konkurrent von der Liberalen Partei (PL), Elvin Santos, als Mann der Oberschicht. Seit Jahrzehnten dominieren die beiden Parteien PN und PL massiv das politische
System von Honduras. Sie werden gesteuert von einem Dutzend wohlhabender Familien, die nahezu das komplette Wirtschaftsleben in Honduras kontrollieren. Während
die PN eher von Kirche und Militär unterstützt wird, ist die PL eher die Partei des städtischen Unternehmertums.
Beide Parteien können als konservative Oberschichten-Parteien verstanden werden, der politische Wettstreit zwischen ihnen dreht sich weniger um Inhalte, sondern nur um die Befriedigung der
Interessen ihrer Klientel. Dennoch brachte die Liberale Partei auch moderat fortschrittliche Präsidenten an die Macht wie den Sozialreformer Ramon Villeda Morales (1957-63) oder den
Menschenrechtler Carlos Roberto Reina (1994-98).
Mit Manuel Zelaya (PL) gewann 2005 ein reicher Holzhändler und typischer Oberschichten-Kandiat die Präsidentenwahl. Sein nationaler Gegenkandidat war damals übrigens ebenfalls schon Pofirio Lobo,
welcher im Wahlkampf die Wiedereinführung der Todesstrafe forderte.
Doch im Laufe seiner Amtszeit kam der volksnahe Zelaya allmählich zu der Erkenntnis, daß die von ihm im Wahlkampf angestrebte Beseitigung der extremen Armut (das versprechen regelmäßig alle
Präsidentschaftskandidaten) nicht mit neoliberalen Rezepten erreicht werden kann. So schloß sich Honduras unter dem früheren Befürworter des neoliberalen US-Freihandelsabkommen CAFTA dem linken
lateinamerikanischen Staatenbund ALBA an, einem sozialen Gegenpakt zur CAFTA. Dies ließ die USA erzürnen. Bestand ALBA bei seiner Gründung vor einigen Jahren nur aus Venezuela und Kuba, so haben
sich dem Bündnis mittlerweile auch Ecuador, Bolivien, Nicaragua und die karibischen Zwergstaaten Dominica, Antigua und Barbuda und St. Vincent und die Grenadinen angeschlossen.
Ebenfalls unter Zelayas Regie trat Honduras dem von Venezuelas linkspopulistischem Staatschef Hugo Chavez initiierten Petrocaribe-Abkommen bei, wodurch das Land venezuelanisches Erdöl zum
Vorzugspreis erhielt.
Die bundesdeutsche, angeblich “liberale“ Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNS), welche eine Vorfeldorganisation der ebenfalls angeblich „liberalen“ deutschen FDP ist, hat den Putsch
im Sommer 2009 und die Wahlfarce nach Kräften unterstützt, während sie 2005 noch Zelaya gecoacht hatte.
Im Jahr 2005 unterstützte die Stiftung den Kandidaten der Liberalen Partei und rühmte sich nach der Wahl, daß 39 der 62 PL-Abgeordneten „ihre Schule“ durchlaufen haben.
Die deutsche Bundesregierung verschließt allerdings ihre Augen vor derartiger Einflußnahme. In der Antwort auf eine Anfrage der Linkspartei hält sie es für völlig legitim, daß ausländische
Parlamentsabgeordnete von deutschen Parteistiftungen ideologisch „eingenordet“ werden.
Schon im Vorfeld des Putsches hatte die Friedrich-Naumann-Stiftung die Stimmung gegen Zelaya publizistisch geschürt, woran deren Vorsitzender in Honduras, Christoph Lüth, maßgeblich beteiligt
war. Einige Monate nach dem Putsch mußte Lüth zugeben, daß die Verhältnisse in Honduras doch nicht so waren, wie von seiner Stiftung dargestellt.
Bereits im Oktober 2008 hatte sich Zelaya mächtige Feinde gemacht. Die Regierung veranstaltete eine öffentliche Ausschreibung, mit der sie das Monopol der Erdölkonzerne Shell, Chevron, ExxonMobil
und Dippsa brechen wollte, nachdem Verhandlungen über eine Pacht zweier Tanklager gescheitert waren. Die Konzerne hatten sich an ihre marktbeherrschende Stellung schon derart gewöhnt, daß sie in
der Ausschreibung allen Ernstes „eine Verletzung der Regeln der Marktwirtschaft“ sahen. Sie verbündeten sich mit dem honduranischen Unternehmerverband und brachten das Oberste Gericht auf ihre
Seite.
Obwohl Zelayas Initiative ganz im Zeichen des so oft von den oben Genannten beschworenen Freihandels stand, brachten sie das Projekt der Regierung zu Fall.
Daraufhin wandte sich Zelaya erst Venezuela und dem Petrocaribe-Abkommen zu.
Den Pharma-Konzernen schlug der honduranische Präsident mit dem weißen Cowboy-Hut, der zu seinem Markenzeichen geworden ist, ein Schnippchen, als er mit Kuba einen Vertrag über die Lieferung
günstiger Generika unterzeichnete. Die Weltpharmalobby tobte.
Laboratorios Finlay, eine der größten Pharma-Firmen in Honduras gehört „rein zufällig“ der gleichen Familie, welche auch die großen Tageszeitungen „El Heraldo“ und „La Prensa“ unterhält. Das
diese Zeitungen über den Putsch positiv berichteten, kann man sich denken.
Doch nicht nur diese Maßnahmen des Präsidenten erregten die Elite. Sie störte sich auch an der Einführung des kostenlosen Schulfrühstücks und ebenso wie an der Erhöhung der kümmerlichen
Mindestlöhne. Als dann Zelaya auch noch von einem „sozialen oder sozialistischen Liberalismus“ sprach, war es vorbei mit der Geduld der Oberschicht. Dieser Präsident, der aus ihren Reihen
gekommen war, sich nun aber mit dem gemeinen Volk solidarisierte, war eine Bedrohung. Um so mehr, als das Basisorganisationen, Gewerkschaften und Linke inzwischen die Forderung nach einer
Verfassungsgebenden Versammlung erhoben, welche eine neue Verfassung mit mehr demokratischen und sozialen Rechten für die Bürger wie in Venezuela, Bolivien oder Ecuador zum Ziel hat. Eine
derartige Verfassung hätte den Einfluß der Eliten noch weiter beschnitten, dem Präsidenten schien die Idee der „Constituente“, einer Verfassungsgebenden Versammlung, jedoch zu gefallen.
Zelaya verlor nach seiner ideologischen Kehrtwendung nach links immer mehr Rückhalt im Parlament. Nur noch eine handvoll Abgeordnete der Liberalen Partei und die fünf Parlamentarier der
Linkspartei Demokratische Einheit (UD) unterstützten Zelayas Engagement für die eine neue demokratische Verfassung.
Die UD ist ein Zusammenschluß aus mehreren mehr oder weniger linken Parteien, wie der
Partei für die Transformation in Honduras PTH, der Revolutionären Honduranischen Partei RPH, der Morazanistischen Partei der Nationalen Befreiung PMLN (benannt nach dem
Unabhängigkeitshelden von Honduras, General Francisco Morazan) und der Partei der Patriotischen Erneuerung PRP.
Immer wieder ist zu hören, daß der Grund für den Putsch ein „Verfassungsbruch“ des Präsidenten Zelaya gewesen sei und daß er lediglich eine neue Verfassung habe einführen wollen, damit er seine
Amtszeit „verlängern“ lassen und seine unbegrenzte Widerwählbarkeit durchsetzen kann. Derzeit kann ein honduranischer Präsident nach seiner vierjährigen Amtszeit nicht wieder kandidieren.
Dazu muß gesagt werden, daß diese Begründung für die Entmachtung des Präsidenten von den Putschisten frei erfunden wurde, um den Sturz Zelayas in der Weltöffentlichkeit zu rechtfertigen. Zumal
zur Präsidentschaftswahl im November 2009 in jedem Fall noch die alte Verfassung gegolten hätte, die Zelaya einen Wiederantritt verboten hätte. Eine neue Verfassung wäre frühestens Ende 2010
möglich gewesen und eine erneute Kandidatur Zelayas dann im Jahre 2013 – sofern er diese überhaupt angestrebt hätte.
Nachdem Zelaya erkennen mußte, daß er im Parlament keine Unterstützung für eine Verfassungsgebende Versammlung bekommen würde, wollte er im Frühling diesen Jahres eine Volksbefragung über die
Aufstellung einer vierten Wahlurne zu den Parlaments-, Präsidentschafts- und Regionalwahlen am 29. November durchführen lassen, an welcher die Bürger entscheiden konnten, ob eine „Constituente“
überhaupt gewünscht wird.
Doch das Militär, welches nicht mehr seinem Oberbefehlshaber Zelaya, sondern der herrschenden Oberschicht gehorchte, weigerte sich, die Verteilung der Wahlunterlagen durchzuführen, obwohl dies in
Honduras seine Aufgabe gewesen wäre. Der Präsident ließ sich davon nicht aufhalten und zog mit Tausenden seiner Anhänger vor die Kaserne, in der die Unterlagen aufbewahrt wurden und erzwang ihre
Herausgabe.
Wegen Befehlsverweigerung entließ Zelaya den Armeechef. Aus Protest und aus Solidarität mit dem Geschassten trat der rechtsliberale Verteidigungsminister zurück, während der Oberste Gerichtshof
die Wiedereinsetzung des alten Armeechefs forderte.
Einige Tage später drang in der Nacht zum 28. Juni das Militär in den Sitz des Präsidenten ein und holte nach kurzem Widerstand von Zelayas Leibwächtern den Präsidenten im Schlafanzug aus dem
Bett und schaffte ihn einem Flugzeug über die us-amerikanische Militärbasis Palmerola ins Exil nach Costa Rica. Die US-Soldaten wollen davon, daß ein Flugzeug auf ihrem Stützpunkt gelandet und
wieder gestartet ist, aber angeblich nichts mitbekommen haben.
Damit war die Ära Zelaya in Honduras beendet und die Chance für eine neue Verfassung mit festgeschriebenen Mitbestimmungsrechten und sozialen Reformen fürs Erste nicht mehr möglich.
Während der Oberste Gerichtshof den Putsch begrüßte, leisteten auch die meisten Medien, welche den alten, einflußreichen Familien gehören, den Putschisten Beistand. Der Parlamentspräsident
Roberto Micheletti (ein alter innerparteilicher Rivale Zelayas) vom rechten Flügel der PL wurde als „Interimspräsident“ eingesetzt und ein Rücktrittsschreiben Zelayas der Öffentlichkeit
präsentiert, welches sich kurz darauf als Fälschung herausstellte.
Nach Aussage des wiedereingesetzten Oberbefehlshabers Vasquez Velasquez war eine Inhaftierung Zelayas in einem honduranischen Gefängnis oder einer Militärkaserne ein zu großes Risiko, da man
damit rechnete, daß seine Anhänger den Präsidenten gewaltsam befreien würden.
Die rechten Putschisten und ihre Freunde in Washington und in der Friedrich-Naumann-Stiftung hatten offenbar geglaubt, wie so oft in der Geschichte Lateinamerikas mit ihrem Putsch durchzukommen.
Doch weder akzeptierte Zelaya seine Absetzung, noch ließen die lateinamerikanischen Staaten diesen Staatsstreich einfach so geschehen. Venezuelas Präsident tobte, er und die internationale
Gemeinschaft werden Micheletti einfach wieder absetzen.
Zelaya ging schon wenige Tage darauf bei zahlreichen lateinamerikanischen Staatschefs ein uns aus und wurde als rechtmäßiges Staatsoberhaupt empfangen.
Obwohl die USA in den Putsch verwickelt waren, äußerte US-Präsident Barack Obama zunächst Kritik am Sturz Zelayas und verlangte die Wiederherstellung verfassungsgemäßer Verhältnisse. Einige Tage
später äußerte sich seine Außenministerin Hillary Clinton zu den Ereignissen in Honduras und ihre Kritik klang wesentlich verhaltener. Von da an war klar, daß sich in den USA entweder die
Befürworter des Putsches durchgesetzt hatten, oder das Obama ohnehin nicht allzu viel zu sagen hat in den USA und er, wie Hugo Chavez sich ausdrückt „ein Gefangener des Imperiums“ ist, eine
freundliche Marionette der Oligarchen nach dem George W. Bush in der Welt untragbar geworden war.
Während der gestürzte Zelaya im Ausland auf große Unterstützung bauen konnte – hier sind neben den Staatsoberhäuptern der ALBA-Länder besonders noch Brasiliens sozialdemokratischer Präsident Lula
da Silva, Spaniens Premier José Luis Rodriguez Zapatero und Argentiniens linksperonistische Staatschefin Christina Kirchner zu nennen – wurde die Putschregierung von keinem Land der Welt
anerkannt. Lediglich die USA und die erzkonservativen Präsidenten Panamas und Kolumbiens kokettierten mit ihnen.
Auch hatten die Putschisten damit gerechnet, recht bald durch Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), der alle amerikanischen Staaten außer Kuba angehören, anerkannt zu
werden.
Doch die Zeiten, in denen die USA in der OAS das Regiment führten, sind seit ein paar Jahren vorbei und der OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza schlug sich eindeutig auf die Seite Zelayas und
verlangte dessen bedingungslose Wiedereinsetzung.
Kurz darauf versuchte Zelaya mit einem venezuelanischen Flugzeug wieder nach Honduras einzureisen. Am Flughafen hatten sich bereits mehrere tausend seiner Anhänger versammelt, um ihn vor der
drohenden Verhaftung zu bewahren, doch das Militär ließ die Landebahn blockieren, so daß Zelayas Maschine abdrehen mußte. Bei den darauffolgenden Protesten wurden zwei Personen erschossen.
Der Sturz Zelayas zeigte, welcher Riß durch die honduranische Gesellschaft ging. Während die staatlichen Institutionen, die etablierten Medien und die Kirche sowie die Parlamentsparteien der
Nationalen (55 Sitze), der Liberalen (62 Sitze), Christdemokraten (4 Sitze) und selbst der Sozialdemokraten (2 Sitze) den Putsch begrüßten, wurde er von Basisbewegungen, Menschenrechtsgruppen,
Gewerkschaften, der Linkspartei UD (5 Sitze) und Demokratieaktivisten verurteilt.
Die Spaltung zwischen Volk und Obrigkeit zeigte sich auch bei Sozialdemokraten (PINU) und Liberaler Partei (PL), da sich vieler ihrer einfachen Mitglieder und untergeordneten Funktionäre an den
Protesten beteiligten. Besonders an der PL-Basis gärte es. Im Juli versammelten sich 1.000 Mitglieder der Liberalen Partei zu einer „Vollversammlung“, verurteilten den Putsch und forderten den
Parteiausschluß von Micheletti und dem liberalen Präsidentschaftskandidaten Elvin Santos.
Einige verfassungstreue Minister, wie Zelayas Außenministerin Patricia Rodas engagierten sich von Anfang an gegen den Putsch und wurden mißhandelt und kurzzeitig verhaftet. Es gründete sich ein
„Kabinett im Widerstand“ mit mehreren abgelösten Ministern, welches den gestürzten Zelaya als rechtmäßigen Präsidenten betrachtet.
Weiterhin bildete sich eine oppositionelle „Widerstandsfront gegen den Staatsstreich“, bestehend vor allem aus sozialen Bewegungen und Gewerkschaften. Diese „Front“, mit dem Gewerkschafter Juan
Barahona als Koordinator an der Spitze, organisierte Massenproteste in Honduras.
Als die USA merkten, daß sie sich mit dem Putsch in eine Sackgasse manövriert hatten und Honduras möglicherweise im Chaos versinken würde, schickten sie einen Vermittler ins Rennen, der den
Zerfall des Staates aufhalten und dennoch den ideologischen Sieg der Putschisten sicherstellen sollte. Ihre Wahl fiel auf Oscar Arias Sanchez, den Staatspräsidenten von Costa Rica. Arias, ein
rechter Sozialdemokrat, hatte in seiner ersten Amtszeit 1986-90 bereits mit dem legendären „Arias-Plan“ die mittelamerikanischen Staaten El Salvador, Nicaragua, Honduras und Guatemala befriedet
und war dafür mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurden. Zudem galt er als mehr oder weniger US-loyal.
Arias stellte nach Gesprächen mit Emissären Zelayas und der Putschisten einen Friedensplan auf, der eine Rückkehr des Präsidenten nach Honduras und eine Wiedereinsetzung ins Amt vorsah, sowie
eine Regierung der Nationalen Einheit, an der alle relevanten Parteien beteiligt werden sollten. Als Gegenleistung sollte Zelaya auf die Constituente verzichten. Während der gestürzte Präsident
nach einigen Tagen Arias´ Vorschläge akzeptierte, weigerten sich die Putschisten eine Rückkehr Zelayas in sein altes Amt zuzulassen.
Daraufhin versuchte der Präsident zu Fuß von Nicaragua aus über die Grenze zu gelangen. Tausende seiner Anhänger machten sich wieder auf den Weg, um ihn zu empfangen und vor einer Verhaftung zu
schützen, doch nur wenige erreichten den Grenzübergang. Das Micheletti-Regime stoppte die meisten Zelaya-Anhänger mit Hilfe des Militärs, Straßen wurden gesperrt, Demonstranten stundenlang
eingekesselt und einige Personen ermordet.
Als Zelaya an der Grenze eintraf, erwarteten ihn bereits Polizei und Militär. Umringt von seinen Sympathisanten ließ er sich in der Menschenmenge über die Grenze schieben und verweilte dort
einige Zeit, konnte aber nicht in Honduras bleiben, da sonst seine Festnahme erfolgt wäre. Die Beamten an der Grenze behandelten Zelaya zwar respektvoll, wollten sich ihm aber nicht
anschließen.
Nachdem er sich wieder nach Nicaragua zurückgezogen hatte, schlug Zelaya mit seinem Tross ein Zeltlager an der Grenze auf und gab internationalen Medien Interviews. Erstmals sprach er von der
Gefahr des Bürgerkrieges, sollten Micheletti und seine Mitverschwörer weiterhin so uneinsichtig sein. Im Gegenzug erklärte er aber sofort, daß er nur zum gewaltfreien Widerstand aufrufe.
Während die Putschregierung diplomatisch isoliert und von keiner anderen Regierung der Welt anerkannt wurde, entblödeten sich die Friedrich-Naumann-Stiftung und die FDP nicht Vertreter des
Regimes in den Räumen des deutschen Bundestages zu empfangen, darunter den „Menschenrechtsbeauftragten“ des Diktators Micheletti.
Die Verwicklung der Naumann-Stiftung und somit der FDP in den Putsch wurde auch in Deutschland heftig angegriffen. Linkspartei und Grüne kritisierten die Passivität der Bundesregierung und die
Honduras-Politik der FDP im Parlament. Die linke Bundestagsabgeordnete Monika Knoche flog selbst nach Honduras, um sich ein Bild von den Geschehnissen zu machen. Auch die Zivilgesellschaft
schwieg nicht zu den neokolonialen Attitüden der deutschen „Liberalen“.
Das Nachrichtenportal america21.de veröffentlichte die Kommuniques des honduranischen Widerstandes und initiierte eine Solidaritätskampagne, es gab sogar Demonstrationen gegen die FDP in Berlin
und die politische Bürgerbewegung Neue Richtung forderte die Bundeskanzlerin nach der Wahl auf, auf die Ernennung von FDP-Chef Westerwelle zum Außenminister zu verzichten, da dessen
demokratische Gesinnung zu bezweifeln sei (www.neuerichtung.de).
Unmittelbar nach seiner Machtübernahme hatte das Putsch-Regime die Medien gleichgeschaltet. Die Fernsehsender brachten nur Zeichentrickfilme, Telenovelas und seichte Unterhaltung statt
Nachrichten, die Sendefrequenzen internationaler Medien wurden blockiert und etliche ausländische Journalisten wurden ausgewiesen. So konnte die Bevölkerung über die Proteste gegen die
Machtergreifung der Micheletti-Junta nichts erfahren – und wenn doch, wurden die Widerständler meist verunglimpft und die Anzahl der Demonstranten „heruntergeschwindelt“.
Lediglich der Fernsehsender Canal 36, der einem Zelaya nahestehenden Unternehmer gehört und das lokale „Radio Globo“ als Medien mit einer gewissen Relevanz berichteten unabhängig bis kritisch
über die Ereignisse im Lande. Daher waren diese beiden „medialen Widerstandsnester“ von Anfang an durch eine Schließung bedroht. Doch Demokratieaktivisten versammelten sich rund um die Uhr vor
den Studios der Sender, um sie vor staatlichen Übergriffen zu schützen. Doch dies war kein Hindernis für das Regime. Nach einigen Wochen ließ es die Protestler vertreiben und die Sender durch das
Militär stürmen. Die de-facto-Regierung Michelettis hatte sich offenbar nur zurückgehalten, um im Ausland nicht noch stärker unangenehm aufzufallen.
Radio Globo nahm kurz darauf wieder seinen Sendebetrieb von einem anderen Ort aus auf – allerdings nur über das Internet. Auf diese Weise erreichte der Sender nur ca. 5.000 Zuhörer und war damit
praktisch tot, wie selbst sein Besitzer einräumte.
Während sich der Protest allmählich totlief – es wurden aufgrund der verstärkten Repression und der Unnachgiebigkeit der Putschisten weniger Demonstranten – gelang Ende September etwas, womit
keiner mehr gerechnet hatte. Die Rückkehr des Präsidenten Manuel Zelaya nach Honduras. Tagelang war er heimlich mit vier Begleitern in verschiedenen Autos durch das Land gefahren, bis er endlich
Tegucigalpa erreichte. Um seiner Verhaftung zu entgehen, suchte er umgehend die brasilianische Botschaft auf. Dieses Vorgehen war offenbar mit Brasilien abgesprochen. Sofort machte die Nachricht
von der Rückkehr des Präsidenten die Runde in der Hauptstadt und viele tausend Demonstranten eilten zur Botschaft, wo Zelaya auf dem Balkon eine Rede hielt und das Volk, aber auch das Militär zum
Widerstand aufforderte. Die Putschisten waren davon völlig überrascht. Zum ersten Mal seit Wochen schienen die Demokraten in Honduras wieder in der Offensive zu sein.
Und nun gab Zelaya munter Interviews von der Botschaft aus und rief seine Anhänger zur Rebellion auf. Doch das Regime erholte sich bald von dem Schock. Die Protestler waren schnell vom Militär
mit Tränengas und brutaler Gewalt aus den Straßen um die Botschaft vertrieben wurden. Dann setzte die Belagerung ein. Der brasilianischen Botschaft, die als Hoheitsgebiet Brasiliens in Honduras
gilt (so wie jede Botschaft als Hoheitsgebiet des durch sie zu vertretenden Staates gilt) wurden zeitweilig immer wieder Wasser und Strom abgestellt.
Das Gebäude, in dem sich ca. 60 Menschen aufhielten, wurde umstellt, in der Nacht mit Militärmärschen und einer speziellen Schall-Kanone aus Israel beschallt und mit starken Scheinwerfern in die
Fenster der Botschaft geleuchtet, um zu verhindern, daß die Flüchtigen Schlaf finden. Ferner wurden von Soldaten giftige Substanzen über die Mauern des Botschaftsgeländes geworfen. Ein Arzt
bestätigte, daß einige Personen in der Botschaft Atembeschwerden hatten und Blut spucken. Zelaya erklärte, er konnte sich zeitweilig nur mit Atemmaske im Gebäude bewegen. Auch israelische
„Sicherheitsexperten“ wurden gesichtet und sollen die Putschisten bei dem Vorgehen gegen die Demonstranten unterstützt haben. Diese Allianz zwischen Israel, daß seit der Ermordung von Yitzhak
Rabin keine international vorzeigbare Regierung mehr hatte und dem Desperado-Regime Michelettis läßt sich offenbar damit erklären, daß Israel ein Interesse am Sturz des „Chavez-Freundes“ Zelaya
hat, da der venezuelanische Präsident angekündigt hatte, einen unabhängigen Palästinenserstaat anzuerkennen und eine Botschaft im Westjordanland zu eröffnen.
Als die Proteste nicht abebbten, verhängte Micheletti, getreu dem Motto „Ist der Ruf erst ruiniert, lebts sich gänzlich ungeniert“ mitten im Wahlkampf den Ausnahmezustand, verbot Demonstrationen
und und drohte mit der Erstürmung der Botschaft, sollte Zelaya nicht ausgeliefert werden. Nun wurde erst recht Jagd auf Demonstranten gemacht, unabhängige Medien, zumindest die, die noch übrig
waren, an die Kette gelegt und über 30 Personen ermordet.
Da sich eine Wahl unter den Bedingungen des Ausnahmezustandes international schlecht macht, wurde dieser nach drei Wochen und abgeschlossenen Säuberungsaktionen beim politischen Gegner wieder
aufgehoben.
Micheletti ging es nur noch darum, bis zu den Wahlen am 29. November durchzuhalten, um die Macht an einen systemkonformen Kandidaten abzugeben. Die USA unterstützten dieses Spiel und eine
Verhandlungsinitiative zwischen Zelaya und Micheletti. Dieser zufolge sollte der gestürzte Präsident auf die Einberufung der Constituente verzichten und dafür wieder vor den Wahlen eingesetzt
werden. Doch Micheletti verzögerte von Anfang an das Ganze so, daß der Kongreß, der über Zelayas Wiedereinsetzung entscheiden sollte, erst nach der Wahl zusammentrat und dies natürlich ablehnte,
zumal er noch ein Rechtsgutachten des Obersten Gerichtshofes, der selbst in den Putsch verstrickt ist, einholen wollte. Von 128 Abgeordneten stimmten nur 14 für eine Wiedereinsetzung Zelayas,
wobei nicht alle Parlamentarier anwesend waren.
Das Land vor den Wahlen war gespalten. Diese Spaltung ging durch Familien, Parteien, die Kirche und die Widerstandsbewegung. Die linke Partei UD, welche die Widerstandsfront unterstützte,
beschloß trotzdem an den Wahlen teilzunehmen, da das Micheletti-Regime gedroht hat, die UD würde sonst ihre Parteienzulassung verlieren. Dennoch stimmten viele UD-Mitglieder auf ihrem Parteitag,
darunter damalige Parlamentarier, gegen die Wahlteilnahme. Der eigentliche Grund für die Teilnahme dürfte aber wohl gewesen, daß man den Putschisten nicht komplett das Parlament überlassen
wollte, falls die Wahl-Farce letztendlich doch von der internationalen Gemeinschaft anerkannt wird.
Hingegen beschlossen zahlreiche Kandidaten der UD, sowie der putschfreundlichen sozialdemokratischen PINU, linksliberale Mitglieder der PL und einige wenige Christdemokraten die gleichzeitig
stattfindenden Parlaments- und Regionalwahlen zu boykottieren und zogen ihre Kandidatur zurück. Insgesamt handelte es sich hierbei um über 300 Kandidaten. Auch der aussichtsreichste
Präsidentschaftskandidat der Opposition, der von Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft aufgestellte linke Unabhängige Carlos H. Reyes, der in einigen Umfragen auf 12% der Stimmen kam,
boykottierte die Wahl.
Der Gewinner der Präsidentschaftswahlen war der Nationalkonservative Pofirio Pepe Lobo, welcher 55,91% der Wählerstimmen bekam. Der Groß-Agrarunternehmer Lobo ist ein typischer Vertreter der
Oberschicht, schwer reich und etwas undurchsichtig. Bereits zur Präsidentschaftswahl 2005 trat er als knallharter Law-and-Order-Politiker, der mit der Wiedereinführung der Todesstrafe warb, an,
unterlag aber Zelaya. Bei der jetzigen Wahl gab er den nationalen Versöhner und besuchte mit den anderen Präsidentschaftskandidaten den in der brasilianischen Botschaft eingeschlossenen
Zelaya.
Obwohl Lobo stramm rechts steht, schien er in seiner Jugend andere Ideale gehabt zu haben. So findet sich eine Ausbildung in Moskau in seiner Biographie – über diese Zeit spricht er übrigens
nicht gern.
Auch hat er sich bisher nicht klar zum Austritt oder Verbleib von Honduras in der ALBA geäußert. Immer wieder verbreitet er, die Beseitigung der Armut in Honduras wäre sein wichtigstes Ziel –
ohne zu erklären, wie er das mit seinen neoliberalen Idealen schaffen will. Genau dieser Widerspruch hat ja auch den Linksschwenk bei Zelaya ausgelöst.
Daß dies bei Lobo auch passieren könne, gilt dennoch als unwahrscheinlich. Denn die Elite und die USA werden den „Teufel“ Zelaya nicht mit einem „Beelzebub“ Lobo austreiben.
Die Liberalen haben sich durch den Sturz Zelayas selbst weggeputscht, denn der Kandidat der Micheletti-Partei, der reiche Bauunternehmer Elvin Santos erhielt nur 38,16%. Vor dem Putsch lag er in
den Umfragen in Führung dank der Popularität Zelayas. Santos vertritt die neoliberal-konservative Linie der PL, auch wenn er sich versuchte, aus dem Streit zwischen Zelaya und Micheletti
herauszuhalten.
Die Kandidatin für die seine Vizepräsidentschaft, Margarita Elvir, kam ihm kurz vor der Wahl abhanden. Sie zog ihre Kandidatur zurück und erklärte, sie wolle sich nicht für einen Putsch
hergeben.
Den dritten Platz belegte Bernard Martinez von der PINU mit 2,21%. Er war der erste schwarze Präsidentschaftskandidat in Honduras und wurde von den Journalisten zum „Obama von Honduras“
stilisiert. Der Sozialdemokrat teilt die Meinung Zelayas, nach der dringende institutionelle und soziale Reformen in Honduras notwendig sind, will dies aber im Rahmen der bestehenden Verfassung
erreichen.
Felicito Avila von den Christdemokraten, die größenteils links von den Liberalen stehen, erhielt 1,92% und unterstützte das Micheletti-Regime.
Für die UD holte Cesar Ham 1,81% der Stimmen, da große Teile der UD-Wähler und -mitglieder die Wahl boykottierten. 2005 konnte die UD noch Platz drei bei der Präsidentenwahl verbuchen.
Die Wahlbeteiligung lag zwischen 25-66% - je nachdem, wem man Glauben schenkt.
Die Putschisten sprachen zunächst von 66% Wahlbeteiligung (2005: 58%), korregierten sich aber kurz darauf auf 60%, während Radio Globo von 43% berichtete und die Widerstandsbewegung die
Wahlbeteiligung aufgrund eigener Beobachtungen auf 30-35% schätzte. Zelayas liberale Anhänger hatten eigene Wahlbeobachter in über 400 Wahllokale entsandt und stellten sogar eine Wahlbeteiligung
von nur 25% fest.
Internationale Wahlbeobachter waren zu den Wahlen gar nicht erst angereist, da fast alle Staaten die rechtmäßige Regierung unterstützten.
In jedem Falle gilt als sicher, daß die 58% von 2005 nicht überschritten wurden, da große Teile der Bevölkerung zum Wahlboykott aufgerufen hatten. Eine Beteiligung um die 30-35% kann daher als
wahrscheinlich angesehen werden. Und dies, obwohl in Honduras Wahlpflicht besteht.
Im Parlament konnten die Nationalen (71 Sitze) den Liberalen ebenfalls eine Niederlage beibringen (45 Sitze). Die Christdemokraten erhielten 5 und die PINU 3 Mandate. Die UD bekam trotz
Wahlboykottes großer Teile ihrer Wähler immerhin 4 Sitze im neuen Parlament.
Allerdings fanden sich neben US-Präsident Obama nur drei weitere Staatschefs, welche die Wahl Lobos überhaupt anerkannten: Costa Ricas Oscar Arias, Kolumbiens autoritärer Paramilitär-Präsident
Alvaro Uribe und der „Berlusconi von Panama“, Staatspräsident und Multi-Millionär Ricardo Martinelli.
International war die selbsternannte „Übergangsregierung“ also weiterhin isoliert. Auch nach der Wahl wurde Honduras nicht von Micheletti, sondern von Zelayas Außenministerin Patricia Rodas vor
der UNO und auf dem Weltklimagipfel in Kopenhagen vertreten. Die meisten honduranischen Diplomaten im Ausland unterstützten ebenfalls den gestürzten Präsidenten. „Umfaller“ fanden wenig
Sympathie. Als die Botschafterin von Honduras in Argentinien ihre Unterstützung für Micheletti erkennen ließ, wurde sie von der Regierung in Buenos Aires kurzerhand ausgewiesen.
Wütend über die Widerständler gegen den Putsch, welche durch die ALBA unterstützt wurden, leitete das Micheletti-Regime im Januar 2010 den Austritt Honduras´ aus dem linken Staatenbund ein und
ließ sich dies vom noch amtierenden alten Parlament bestätigen. Nur die UD-Abgeordneten und ein Vertreter der PINU stimmten dagegen. Die Nationale Widerstandsfront, welche die Aktivitäten der
Putsch-Regierung sowieso nicht anerkennt, erklärte umgehend, daß sowohl sie, als auch das honduranische Volk Mitglied der ALBA bleiben. Diese etwas eigenwillige Vorstellung stieß offensichtlich
bei anderen Regierungen Lateinamerikas durchaus auf Wohlwollen.
Die Situation in Honduras scheint sich mittelfristig zu entspannen. Zwar nahm die Widerstandsfront mit einer 15.000-Mann-Demo im Januar ihre Aktivitäten wieder auf, jedoch ist anzunehmen, daß die
Regierung Lobo nach und nach von vielen anderen Staaten anerkannt werden wird – besonders von den Satellitenstaaten der USA.
Der als geschickter Vermittler geltende, ehemals linke, heute liberale Staatspräsident der Dominikanischen Republik, Leonel Fernandez Reyna, will zu Lobos Amtseinführung nach
Tegucigalpa reisen und dessen Vorgänger Zelaya auf dem Rückflug gleich als Gast in seine Inselrepublik mitnehmen. Lobo hat als erste Amtshandlung freies Geleit für den immer noch „angeklagten“
Zelaya zugesichert.
Von Lobo sollte man nicht allzu viel erwarten. Aber ein historischer Vergleich drängt sich auf. 1963 wurde der linksliberale Präsident José Ramon Villeda Morales durch einen Militärputsch
gestürzt, da er mit Sozialreformen das Leben der armen Bevölkerung verbessert hatte und nun eine Landreform plante. Der Putschist, Oberst Osvaldo Lopez Arellano von der Nationalen Partei, setzte
die Landreform aus. Wenige Jahre später kam der korrupte, aber populistische Lopez Arellano wieder an die Macht – doch diesmal führte er die Landreform selbst durch!
Vielleicht steckt ja doch ein bißchen Lopez in Lobo... und auch Zelaya hatte man seine politische Kehrtwende in den ersten Jahren seiner Amtszeit nicht zugetraut.
Kay Hanisch
***
20 Jahre demokratische Wende und eine Wiedervereinigung, die nie stattgefunden hat.
Die Staatsverschuldung ist horrend, der finanzielle Handlungsspielraum der Republik nimmt ab, Bildung und Kultur werden kaputtgespart und die Verarmung breiter Bevölkerungsschichten nimmt zu.
Doch unsere Regierung findet immer noch ein unsinniges Prestigeobjekt, für das Geld zum Fenster hinausgeworfen werden kann. Jetzt soll es also nach dem Holocaustmahnmal (ein Museum hätte es auch
getan und wäre viel informativer gewesen) und dem ebenfalls aus Prestigegründen erfolgten Abriß des Palastes der Republik in Ostberlin (Kosten ca. 1,6 Milliarden Euro!) ein Denkmal der Deutschen
Einheit sein. Welche Einheit, müssen hier alle Ostdeutschen fragen, die für die gleiche Arbeit wie in den alten Ländern einen viel geringeren Lohn erhalten. Welche Art der Wiedervereinigung soll
mit diesem Denkmal überhaupt gewürdigt werden? Es hat doch nie eine gleichberechtigte Vereinigung beider deutscher Staaten gegeben. Schon während der Wendemonate in der DDR versuchte das Bonner
Machtzentrum Einfluß auf die politische Willensbildung in der DDR zu nehmen. Erinnern wir uns!
Die Bürgerrechtsbewegungen „Neues Forum“, „Demokratie Jetzt“ und „Initiative Frieden und Menschenrechte“ waren die eigentlichen Initiatoren der Herbstwende ´89. Ihnen ging es darum,
marktwirtschaftliche Elemente in den Sozialismus einzuführen, die Bürgerrechte einzufordern, etwas gegen die extreme Umweltverschmutzung zu tun usw. Aber eines stand nie zur Diskussion: die
Abschaffung der DDR.
Nachdem die Regierung Krenz die Grenzen zur BRD öffnen ließ, begannen allmählich auch die Parteien der BRD damit, Kontakte zu ihren Schwesterparteien zu suchen und diese „auf Linie“ zu bringen.
Die CDU versuchte dies bei der Ost-CDU, die FDP bei der LDPD und die SPD bei der neugegründeten SDP. Auch die CSU wollte, etwas später aber, bei der DSU Fuß zu fassen, mußte dies aber auf Druck
der Bonner CDU sein lassen. Nur die GRÜNEN hielten sich noch zurück.
Verschiedenste Provinzfürsten aus der Bundespolitik mischten sich in die DDR-Politik ein und versuchten ihr vom Links-Rechts-Konflikt geprägtes Weltbild zu importieren. Bundesfinanzminister Theo
Waigel (CSU) forderte am 28. Januar 1990 die Ost-CDU auf, die SPD verstärkt öffentlich anzugreifen. Doch Parteichef Lothar de Maiziére hielt dagegen: „Als Christ halte ich es lieber mit der
Sachlichkeit....“
Am 4. Februar forderte FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff die LDPD auf, dem Sozialismus kategorisch abzuschwören und sich zum Marktliberalismus zu bekennen, sonst wäre es ein „politisches Risiko“ die
LDPD als Partner zu haben. Man muß sich überhaupt fragen, wie bundesdeutsche Politiker damals dazu kamen, von politischen Vertretern eines anderen souveränen Staates damals derartige Kurswechsel
zu verlangen.
Der Vorsitzende der DDR-SPD, Ibrahim Böhme, warf der CDU Helmut Kohls am gleichen Tag eine „unerträgliche Einmischung“ in den Wahlkampf vor.
Als der Runde Tisch einen Tag später beschloß, daß sich Politiker aus der alten BRD aus dem Wahlkampf in der DDR heraushalten, führte dies zu Protesten in Bonn und München. Der
CSU-Landtagsfraktionschef Alois Glück erklärte sogar, daß sich seine Partei nicht an den Beschluss halten werde. Eine Ignoranz und Arroganz, die typisch ist für viele hohe Würdenträger des
heutigen politischen Systems.
Am 14. Februar reisten Vertreter der DDR-Regierung Modrow enttäuscht vom deutsch-deutschen Gipfel zurück. Auch die finanzielle Soforthilfe aus dem Westen blieb aus. Matthias Platzeck, heute
Ministerpräsident in Brandenburg (SPD) und damals für die Grüne Partei der DDR Mitglied des Runden Tisches, nannte das Verhalten der BRD-Regierung „schulmeisterlich“. Auch andere Minister des
Runden Tisches, die mit in Bonn waren, zeigten sich enttäuscht. Walter Romberg (DDR-SPD) sagte, von dem vielbeschworenen „Geist der nationalen Verantwortung“, wie ihn Helmut Kohl predigte, sei
wenig zu spüren gewesen. Auch Rainer Eppelmann vom Demokratischen Aufbruch (DA) fühlte sich brüskiert.
Die italienische Tageszeitung „La Repubblica“ schrieb zu dem oben genannten Treffen: „Kohl will vor den Neuwahlen zum Bundestag im Dezember offensichtlich den Prozeß der „Annektion“ der DDR in so
fortgeschrittenem Stadium präsentieren, daß er zum dritten Mal an der Spitze des Landes bestätigt wird...“.
Am 21. Februar erklärte Bundeswirtschaftsminister Helmut Hausmann (FDP) bei einem Wahlkampfauftritt, eine Massenarbeitslosigkeit sei in der DDR nicht zu befürchten. Das mag zum derzeitigen
Zeitpunkt gestimmt haben, denn Hausmann hat bestimmt nicht daran gedacht, das wenige Monate später die Deutsche Treuhandanstalt wie eine der sieben biblischen Plagen über die DDR-Wirtschaft
herfallen wird.
Wir hören immer vom Sanierungsfall DDR-Wirtschaft. In diesem Zusammenhang muß auch gesagt werden, daß die BRD unter Verweis auf das „Londoner Schuldenabkommen“ von 1953 die Zahlung von
Reparationen ablehnte, während die DDR zwischen 65 und 100 Milliarden Mark an die Sowjetunion zahlte. Und das, obwohl sich BRD und nicht die DDR als Rechtsnachfolger des Dritten Reiches gesehen
hat. Der westdeutsche Historiker Arno Peters errechnete, daß die BRD der DDR somit einen „Reparationsausgleich“ von 727,1 Mrd. Mark hätte zahlen müssen.
Schon im Februar 1990 kritisiert der Runde Tisch die zunehmende Ausrichtung der Kultur nach marktwirtschaftlichen Kriterien, was den Rechten der Bürgerinnen und Bürger nach freiem Zugang zur
Kultur widerspreche.
Zwei Wochen vor den Wahlen im März suchen mehrere Parteien außerhalb der „Allianz für Deutschland“ (CDU, DSU, DA) nach Wegen für eine Wiedervereinigung ohne den Weg über den Artikel 23 GG. Beide
Staaten sollen sich reformieren und dann zusammenschließen.
Hessens Ministerpräsident Walter Wallmann weist diese Diskussion als „überflüssig und äußerst schädlich“ zurück. Die Art der Vereinigung hänge nicht nur vom Willen der Deutschen, sondern auch von
den Siegermächten ab.
In der West-SPD werden Forderungen nach einer neuen Verfassung nach Art. 146 GG laut, über das Volk in einer Abstimmung entscheiden soll. Einer der Verfechter dieser Idee ist
SPD-Präsidiumsmitglied Gerhard Schröder. Als Bundeskanzler 1998-2005 erklärt er aber bei den Diskussionen um den EU-Vertrag, Volksabstimmungen seien im GG nicht vorgesehen.
Und so kommt es nicht zu einer Vereinigung zweier Staaten, sondern zu einer Annexion der DDR durch die BRD. Und das von vielen engagierten Menschen erträumte System einer Demokratie der Bürger
wird nach wenigen Monaten durch ein kapitalistisch orientiertes Klientelparteien- und Lobbysystem ersetzt.
Allerdings fehlte vielen Politikern der DDR, meist solche, die nach der „Vereinigung“ aufstiegen, der Wille, einen politischen Neuanfang zu wagen mit neuer Verfassung und echten demokratischen
Elementen.
Der Schriftsteller Christoph Hein erklärte in einem Interview bereits am 17. März 1990:
„Die Selbstständigkeit der DDR ist hier verludert und vertan worden – und nicht durch die Schuld Westdeutschlands. Dieses marode System hier hat keine Chance, aufrecht und mit Würde eine
Vereinigung herbeizuführen. In der DDR ist von Selbstbehauptung gar nicht die Rede. Da geht es um die Übergabe an die BRD – auf Knien und mit der weißen Flagge.“
Kay Hanisch
***
Guinea-Bissau
Bei den nach der Ermordung des Staatschefs notwendigen Präsidentschaftsneuwahlen in Guinea-Bissau siegte ein in der DDR ausgebildeter Politologe über einen
ziemlich schrägen Populisten.
Nun ist es Malam Bacai Sanha endlich gelungen! Nach den Wahlen 2000 und 2005 konnte er im dritten Anlauf das Präsidentenamt erobern, daß er als Übergangspräsident 1999-2000
bereits schon einmal inne hatte.
Die Neuwahl des Präsidenten war in dem kleinen, turbulenten westafrikanischen Land notwendig geworden, nachdem der langjährige Staatschef und die prägende politische Figur nach der
Unabhängigkeit, Joao Bernardo Vieira, genannt „Nino“, im März 2009 von Soldaten ermordet worden war.
Erinnern wir uns! Vieira war der Führer des militärischen Widerstandes der linken Afrikanischen Partei für die Unabhängigkeit von Guinea und Cap Verde (PAIGC) gegen die portugiesischen
Kolonialherren. Nach der Unabhängigkeit 1973 wurde Luis de Almeida Cabral, der Bruder des ermordeten PAIGC-Gründers, Staatspräsident, Vieira sein Premierminister. (siehe hierzu Welt im Blick,
Artikel 2005, „Nino kehrt zurück“)
1980 stürzte Vieira Präsident Cabral und übernahm das Präsidentenamt. Politisch änderte sich wenig. Der neue Staatschef setzte außenpolitisch den
anti-imperialistischen Neutralitätskurs seines Vorgängers fort, die PAIGC blieb Einheitspartei, lediglich die Vereinigung mit dem Inselstaat Kap Verde wurde auf Eis gelegt.
Mit Glasnost und Perestroika im Ostblock wurde auch im sozialistischen Guinea-Bissau der Ruf nach Veränderung laut. Der Theologe und Philosoph Kumba Yala wurde 1989 aus der PAIGC ausgeschlossen,
nachdem er demokratische Reformen gefordert hatte.
Als Viera dann zwei Jahre später eine Demokratisierung einleitete, gründete Yala 1992 die sozialistisch orientierte Partei der Sozialen Erneuerung (PRS) und trat 1994 gegen den Präsidenten
an, unterlag aber in der Stichwahl.
1999 wurde Vieira dann durch eine Militärrevolte unter Führung von General Ansumané Mané gesürzt, die als „der längste Militärputsch Afrikas“ in die Geschichte einging. Die Rebellion begann im
Juni 1998 und endete erst im Mai 1999 mit Vieiras Sturz und seiner Flucht ins Exil. Zum Schluß hielt die Regierung dank Vieiras 400 Mann starker Leibgarde und Truppen aus Senegal und der
benachbarten Republik Guinea immer noch Teile der Hauptstadt.
Auch damals war die Situation undurchsichtig. Vieira und der Aufstandsführer Mané, immerhin ein Adoptivbruder des Präsidenten und unter diesem ein Jahr Außenminister, warfen sich gegenseitig
kriminelle Aktivitäten vor. Mané wurde beschuldigt, bewaffnete Rebellionen in Senegal und Gambia zu unterstützen, um seinem erklärten Ziel, der Wiederherstellung des einstigen Reiches seines
Mandingo-Volkes, näher zu kommen. Gleichzeitig machte er Front gegen Vieiras starke Anlehnung an Frankreich nach dem Ende des Kalten Krieges.
Selbst die PAIGC, welche die Parlamentsmehrheit hinter sich wußte, entzog Vieira während des Putsches die Unterstützung. In den Wirren nach der Flucht des Präsidenten wurde Mané für sieben Tage
provisorisches Staatsoberhaupt, bis er von Parlamentschef Malam Bacai Sanha als Übergangspräsident abgelöst wurde.
Sanha genoß die Unterstützung der PAIGC und so trat er als Kandidat für die Präsidentschaft 2000 an. Während er im ersten Wahlgang führte, unterlag er in der Stichwahl Kumba Yala und dessen
Partei PRS.
Der sprunghafte Volkstribun Yala, welcher es sich auch bei tropischen Temperaturen nicht nehmen läßt, bei öffentlichen Auftritten eine knallrote Pudelmütze zu tragen und für seine nur wenige
Zeilen umfassenden, schwer verständlichen Gedichte bekannt ist, verkörperte die Sehnsucht nach einem politischen Wechsel. Allerdings wurden die Wähler schnell enttäuscht. Die rote Pudelmütze ist
das Symbol der Balanta, dem Volk Yalas, die mit ca. 30% die größte Bevölkerungsgruppe in Guinea-Bissau stellen. Und Balanta mußte man sein, wenn man unter dem neuen Staatschef Karriere machen
wollte.
Yalas Bilanz als Präsident war verheerend. Seine PRS hatte keine eigene Mehrheit im Parlament und war auf die Unterstützung der liberalen Bafata-Widerstandsbewegung (RGB-MB) angewiesen,
mit der es immer wieder Auseinandersetzungen gab, während Teile der PAIGC und anderer Oppositionsparteien den von Yala ernannten häufig wechselnden Premiers kein Vertrauen aussprachen. Der
Präsident setzte zunehmend auf die ethnische Karte und brachte fast ausschließlich Balanta in Schlüsselpositionen. So wurden viele erfahrene Personen in Armee, Justiz und Verwaltung durch
unfähige oder unerfahrene ersetzt. Der konfrontative, autoritäre Politikstil und das lose Mundwerk des Präsidenten brachten zunehmend Opposition, Parlament und Demonstranten gegen ihn auf.
Dies rief den Unruhestifter General Mané wieder auf den Plan, der sich selbst zum Oberbefehlshaber der Armee ernannte und Yala stürzen wollte. Doch in diesem Falle erwies sich Yalas ethnische
Klientel-Politik als nützlich: Balanta-Militärs vereitelten den Umsturz, Mané wurde dabei getötet. Kurz darauf scheiterten weitere Umsturzversuche.
Nachdem bekannt wurde, daß Spitzen-Militärs sich an Hilfsgeldern bereichert haben sollen und mit dem Drogenhandel zusammenarbeiteten, ließ Yala auch einige von ihnen durch eigene Vertrauensleute
ersetzen, was nicht nur in der Armee, sondern auch in der mit dem Militär verbundenen PAIGC für Unmut sorgte.
Als die Oppositionsparteien sich weigerten, die Absetzung rebellischer Richter und die Ernennung neuer Juristen durch den Präsidenten anzuerkennen, drohte Yala mit der Schließung des Parlaments
für 10 Jahre.
Während Yala außenpolitisch einige Erfolge vorweisen konnte – so verbesserte er die Beziehungen zu den Nachbarländern, festigte bei Staatsbesuchen den regionalen Frieden und versuchte,
Guinea-Bissau aus den Verstrickungen des senegalesischen Bürgerkrieges herauszulösen (u.a. durch Schließung der Rebellen-Basen im Norden des Landes) führte er das Land innenpolitisch in eine
Sackgasse.
So stieß auch seine Entmachtung durch einen Militärputsch auf allgemeine Zustimmung in der Bevölkerung. Yala wurde inhaftiert, kurz darauf aber unter Hausarrest gestellt, nachdem er auf sein Amt
unter Druck des Militärs verzichtet hatte und mußte einer 5-jährigen Politik-Auszeit zustimmen.
Trotz Yalas katastrophaler Regierungsbilanz wurde die PRS bei den Parlamentswahlen 2004 stärkste Oppositionspartei. Das Oberste Gericht erlaubte seine Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl.
Doch er war nicht der einzige Wiedergänger zur Wahl. Sowohl Sanha als PAIGC-Kandidat, als auch der kurz zuvor zurückgekehrte Ex-Präsident Vieira, welcher als Unabhängiger antrat, wurden als
chancenreiche Kandidaten betrachtet.
Yala, der im Mai 2005 mit einigen Anhängern für vier Stunden den Präsidentenpalast besetzte, nachdem er seine Absetzung für illegal erklärt hatte und sich wieder zum rechtmäßigen Staatsoberhaupt
ausgerufen hatte, teilte mit, daß die Präsidentschaftswahlen (zu denen er ja selbst antrat) nicht legitim seien.
Dessen ungeachtet ging das politische Leben in Guinea-Bissau weiter, in der Stichwahl traten Vieira und Sanha gegeneinander an. Der drittplazierte Yala rief ausgerechnet zur Wahl seines
Erzfeindes Vieira auf, welcher mit 52,35% die Wahl gewann.
Die abermalige Präsidentschaft Vieiras sollte ganz unter dem Motto der „Nationalen Versöhnung“ stehen, doch es gelang dem Präsidenten offenbar nur schwer, das Land zu stabilisieren.
Der internationale Drogenhandel machte sich in Guinea-Bissau immer stärker breit und drängte den Staat zurück oder durchsetzte ihn. Ein Gewirr von kleinen Landebahnen im Landesinneren und
zahlreiche vorgelagerte Inseln bieten ideale, schwer zu kontrollierende Versteckmöglichkeiten für Rauschgiftschmuggler.
Mit dem Armeechef Tagme Na Wai lag Vieira schon längere Zeit über Kreuz. Beide waren Todfeinde. Für viele Beobachter war es nur eine Frage der Zeit, wer von den beiden wen zuerst umbringen würde.
Als Na Wai im März 2009 im Militärhauptquartier durch einen Bombenattentat, bei dem fünf weitere Menschen verletzt wurden, getötet wurde, beschuldigten Kreise des Militärs den Staatspräsidenten
Vieira hinter dem Anschlag zu stecken. Die Bombe explodierte im Treppenhaus des Militärhauptquartiers und legte große Teile des Gebäudes in Schutt und Asche.
Noch in der selben Nacht fuhren Na Wais Soldaten zum Präsidentenpalast und ermordeten auf bestialische Weise den Staatschef, obwohl dessen Verwicklung in den Mordanschlag an Na Wai überhaupt
nicht erwiesen war. Der britische Thriller-Autor Frederick Forsyth, welcher in einem Hotel gegenüber des Präsidentenpalastes nächtigte, wurde Zeuge des Mordes.
Die Soldaten beschossen den Palast mit Raketen. Forsyth schildert die Ermordung Vieiras, nachdem er am frühen Morgen durch das Einstürzen des Daches von dessen Residenz geweckt worden war:
"Die Soldaten gingen zu seiner Villa und warfen eine Bombe durch das Fenster, die ihn aber nicht tötete. Das Dach stürzte ein, aber das tötete ihn auch nicht. Er arbeitete sich aus den Trümmern
heraus und wurde sofort angeschossen. Auch dann war er nicht tot. Dann nahmen sie in mit zum Haus seiner Schwiegermutter und zerstückelten ihn mit Macheten".
Die Ehefrau des Präsidenten ließen die Putschisten entkommen. Auch fand keine Machtübernahme statt. Hohe Militärs distanzierten sich von der Ermordung des Staatschefs und machten eine “nicht
identifizierte Gruppe im Militär“ für den Mord verantwortlich. Der Parlamentspräsident Raimundo Pereira übernahm verfassungsgemäß für drei Monate das Amt des Staatsoberhauptes und ließ Neuwahlen
ansetzen.
Nach dem Mord stand das kleine Land unter Schock. Bis heute ist nicht geklärt, wer Drahtzieher für die beiden Morde gewesen ist, die das Land nachhaltig destabilisiert haben. Allerdings sind
Bombenanschläge ein eher unübliches Mittel in afrikanischen Machtkämpfen. Sie sind eher gebräuchlich bei der internationalen Drogenmafia. Daher wird vermutet, daß nicht Vieira, sondern die
Drogenmafia hinter der Ermordung des Militärchefs gestanden haben könnte und der unglückliche Präsident dafür büßen mußte.
Sowohl der Präsident, als auch sein Stabschef warfen sich gegenseitig Verwicklung in den Drogenhandel vor. Ob nun einer von beiden, oder gar beide im Drogensumpf steckten, wird ein Mysterium
dieses kleinen, undurchsichtigen Landes bleiben. Eine kirchliche Organisation (Fidesdienst 27/05/2005) stellte bereits bei Vieiras Rückkehr im Jahr 2005 fest, daß dieser über „viel Geld und etwa
150 Autos“ verfüge, die er an verschiedene Politiker verschenke, um sich beliebt zu machen und vermutete eine „ausländische Macht“ hinter ihm.
Tagme Na Wai hatte bereits im Januar erklärt, er wäre Opfer eines Attentatsversuches geworden, als präsidententreue Soldaten das Feuer auf seinen Wagen eröffnet hatten.
Nach dem bekannt wurde, daß die Präsidentengarde den Armeechef töten wolle, ließ dieser sie von seinen Soldaten entwaffnen.
Doch mit der Ermordung der beiden Widersacher endete die Phase der Instabilität nicht. Noch vor der Neuwahl wurde Baciro Dabo, Präsidentschaftskandidat und früherer Minister für territoriale
Verwaltung durch Militärs in seinem Schlafzimmer erschossen. Es war zu befürchten, daß der Anhänger von Präsident Vieira, sollte er die Wahl gewinnen, eine Untersuchung über die Ermordung des
Staatschefs einleiten würde.
Ebenfalls von Militärs wurden der ehemalige Regierungschef Faustino Imbali und der Ex-Verteidigungsminister Helder Proenca von Militärs getötet. Allen drei getöteten PAIGC-Mitgliedern warf das
Militär vor, einen Putsch geplant zu haben, mit dem Ziel zur Ermordung des amtierenden Premiers Carlos Gomez Junior (ebenfalls PAIGC).
Mindestens ein Präsidentschaftskandidat hat seine Kandidatur aufgrund der Mordfälle an Politikern zurückgezogen.
Die wirklichen Motive über die Morde an Na Wai, Vieira und den anderen liegen im Dunkeln. Handelt es sich bei den Tätern um eine untereinander verflochtene Gruppe sowohl in der PAIGC als auch im
Militär? Hat sie möglicherweise Beziehungen zur Drogenmafia? Waren es rivalisierende Geschäftsinteressen dieser Gruppen? War der aufrichtige, einstige Unabhängigkeitskämpfer Vieira wirklich
sauber und dieser Clique nur im Weg oder selbst in dunkle Geschäfte verwickelt? War möglicherweise die Ermordung des Armeechefs von einer dritten Gruppe inszeniert, um Na Wais Anhänger zum Putsch
gegen den Präsidenten aufzustacheln? Die Informationen aus dem kleinen Land sind spärlich und widersprüchlich.
Kumba Yala, der Malam Bacai Sanha im nunmehrigen Wahlkampf ebenfalls Verstrickungen in den Drogenhandel vorwarf, wurde von den mordlüsternen Militärs verschont. Offenbar fürchtete man gewaltsame
Zusammenstöße mit den Balanta, die ebenfalls große Teile des Militärs stellen. Eine Ermordung Yalas hätte einen Bürgerkrieg auslösen können.
Ein öffentliches Wahlkampfduell zwischen Yala und Sanha wurde von letzterem abgelehnt.
Zur Präsidentenwahl hatten sich 13 Kandidaten in Stellung gebracht. Neben den Ex-Präsidenten Kumba Yala und Malam Bacai Sanha trat auch der frühere Übergangspräsident Henrique Pereira Rosa, ein
parteiloser Geschäftsmann, der von 2003-05 die Geschicke des Landes geführt hatte. Die drei genannten galten als die chancenreichsten Bewerber. Keiner der Kandidaten erhielt über 50% der Stimmen,
so das eine Stichwahl zwischen den zwei Bestplatzierten Sanha (37,54%) und Yala (27,90) notwenig wurde.
Henrique Pereira Rosa belegte mit 22,94% den dritten Platz, gefolgt von Mamadu Iaia Djalo von der New Democratic Party (2,95%) und dem Unabhängigen Joao Gomes Cardoso mit 1,15% der
Stimmen. Von den übrigen sechs Kandidaten erreichte keiner mehr als 1%.
In der Stichwahl triumphierte dann Sanha mit 63,5% erwartungsgemäß über Yala (36,5%)
Die beiden Kandidaten und auch die PAIGC und die PRS hatten vor der Wahl einen Vertrag unterschrieben, in dem sie sich bereit erklären, auf Gewalt nach Wahl zu verzichten und ausschließlich
verfassungsgemäße Wege zu gehen, falls es zu Unregelmäßigkeiten kommen sollte. Allerdings schränkte Yala dieses Bekenntnis, der inzwischen zum Islam konvertiert ist und sich jetzt Mohamed Yala
Embalo nennt, in seiner typisch provokativen Weise ein: „Natürlich werden wir gerechte und eindeutige Ergebnisse akzeptieren. Ergebnisse, die keine Verständigungsschwierigkeiten verursachen. Wir
sind Demokraten und haben da schon Beispiele gegeben.“
Im Wahlkampf wartete Yala mit den für ihn typischen skurrilen Ideen auf. So wollte er zum Beispiel die Landeshauptstadt nach Buba im Süden verlegen und aus der Stadt eine Metropole wie New York
machen. Er begründet dies mit der strategisch günstigen Lage Bubas und der Möglichkeit, eine Eisenbahnverbindung zwischen Mali und der Republik Guinea zu schaffen, während die alte Hauptstadt
Bissau nur noch als Handelszentrum erhalten bleiben soll. Zwar wurde über die Möglichkeit diskutiert, in Buba einen Tiefwasserhafen zu schaffen, allerdings bleibt fraglich, wie in dieser tiefen
Provinz eine Stadt im Stile New Yorks entstehen soll.
Unter einem Präsidenten Malam Bacai Sanha, der sich nach eigener Aussage um eine Versöhnung im Lande bemüht, wird das Militär wieder stärker ein Wörtchen mitzureden haben. Der frühere
Übergangspräsident wirkt als „nationaler Versöhner“ sicherlich glaubwürdiger als der große Polarisierer Yala, aber gleichzeitig gab Sanha schon einmal einen Einblick in das, was er unter
Versöhnung versteht:
„Wenn wir den Frieden bewahren wollen, können wir nicht mit Gewalt die Probleme in den Streitkräften lösen. Wir müssen die Streitkräfte an der Lösung unserer und ihrer eigenen Probleme
beteiligen. Bei den Militärs handelt es sich um Führungskräfte, die argumentieren können, die wissen, was die Sicherheit und die Souveränität des Landes bedeuten. Wir werden also mit Ihnen
diskutieren.“
In wie weit der neue Präsident vom Militär abhängig ist, läßt sich nach diesen Worten bereits erahnen. Es ist anzunehmen, daß im Zuge der „Versöhnung“ die Mörder von Vieira straffrei ausgehen
werden und die Ermittlungen im Sande verlaufen.
Es stehen noch unruhige Zeiten in dem kleinen Land bevor.
Kay Hanisch
***
Während alle Welt über den sogenannten Wächterrat in der Islamischen Republik Iran wettert, macht sich mit dem deutschen Bundeswahlausschuß ebenfalls ein Gremium
von zweifelhafter demokratischer Legitimität daran, die Demokratie zu sabotieren.
Allzu weit hergeholt ist der Vergleich zwischen dem Wächterrat im Iran und dem Bundeswahlausschuß in der BRD nicht. Denn in beiden Gremien sitzen Vertreter der herrschenden politischen
Schicht und entscheiden nacht Gutdünken über das Schicksal ihrer Mitbewerber.
Während der iranische Wächterrat, der auch noch andere Funktionen hat (wie z.B. die Ernennung des Staatsoberhauptes) missliebige und unbequeme Kandidaten, welche sich um das Präsidentenamt
bewerben, ohne stichhaltige Begründungen von der Liste streicht – glaubt man unseren Medien – tut der Bundeswahlausschuß nichts anderes. Nur macht er es nicht mit Präsidentschaftskandidaten,
sondern mit Parteien, die zur Bundestagswahl antreten möchten.
Auch in diesem Jahr hat der Wahlausschuß wieder zugeschlagen: allein 30 Parteien hat er von der Liste der Wahlbewerber gestrichen, 21 wurden zugelassen, darunter die fünf
Bundestagsparteien.
Im Wahlausschuß sitzen die Vertreter der Bundestagsparteien. Daß heißt, die Regierung und die Scheinopposition (sieht man von Teilen der LINKEN ab) bestimmen, wer außer ihnen noch zur Wahl
antritt. Also wie im Iran!
Der Bundeswahlleiter ist meist gleichzeitig der Chef des Statistischen Bundesamtes. Die letzten Jahre war dies der CDU-Mann Johann Hahlen. Nun wurde er von Roderich Egeler abgelöst.
Egeler trug laut Frankfurter Rundschau dafür Sorge, daß linke Parteien wie die Bergpartei, die Überpartei und die Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands (APPD) nicht zur Wahl antreten.
Neben der „Partei für Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative“ (kurz: PARTEI), einer eher als Spaßprojekt einzuordnen Gruppierung des ehemaligen
„Titanic“-Chefredakteurs Martin Sonneborn, wurde auch gestandenen ernsthaften Kleinparteien wie der „Partei der Arbeitswilligen und Sozial Schwachen“ (PASS) die Zulassung verweigert.
Der PARTEI sprach der Bundeswahlleiter „Ernsthaftigkeit“ ab, ließ aber zwei als ebenfalls wenig ernstzunehmend geltende Parteien zu: die SPD und die FDP! Die eine macht sich lächerlich mit der
nicht ernstzunehmenden Forderung nach einem europaweiten Mindestlohn und mit der Behauptung der Lissabon-Vertrag „demokratisiere die EU“, welche ein „Friedensprojekt“ sei – daher wohl auch der
Aufbau einer europäischen Interventionsarmee!
Die andere Partei ist den Wählern noch in Erinnerung als deren Vorsitzender Guido Westerwelle mit seinem quietschgelben Guido-Mobil durchs Land fuhr, das Parteiprogramm nur aus der Zahl 18%
bestand und er sich mit einem Kasten Bier im Grenzdebilen-Zoo von „Big Brother“ einschließen ließ.
Der ecuadorianische Staatspräsident Abdalá Bucaram Ortiz wurde 1997 wegen „geistiger Unfähigkeit“ abgesetzt, als er in einem Supermann-Kostüm auftrat. Herr Westerwelle empfiehlt sich in
Deutschland mit seinem Verhalten hingegen als künftiger Außenminister.
Nach der Zerschlagung der aufstrebenden Partei DIE GRAUEN (fortwährende Landtagswahlergebnisse über 1% brachten Geld aus der Parteienfinanzierung, in Berlin Einzug in mehrere
Bezirksversammlungen) unter Beteiligung des deutschen Staates und der Medien wegen angeblichem „Spendenbetrug“ machten viele Mitglieder in der neugegründeten „ Die Grauen - Generationenpartei“
weiter. Eine Konsolidierung dieser Partei ist offenbar nicht erwünscht, deshalb wurde sie zur Wahl nicht zugelassen.
Das Handeln des Wahlausschusses ist nicht transparent. Wie seine Mitglieder nach welchen Kriterien entscheiden, ist für Außenstehende nicht immer erkennbar. Das Parteiengesetz kann nur bedingt
dafür als Maßstab genommen werden, denn auch Parteien, welche die Auflagen dieses Gesetzes erfüllt haben, wurden nicht zugelassen – so zum Beispiel im Jahre 2002 die Partei „Liberale Demokraten –
die Sozialliberalen“ (LD).
Die LD ist keine Eintagsfliege, sie existiert bereits seit 1982, viele führende Sozialliberale aus der FDP unterstützten damals ihre Gründung nach dem Wechsel der Lambsdorff-Genscher-Truppe vom
Koalitionspartner SPD zur Kohl-CDU.
Der Wahlausschuß warf der LD damals vor, sie sei „zu klein“ und ließ am gleichen Tag wesentlich kleinere Parteien zu. Der Ausschuß monierte, daß die Partei lange zu keiner Bundestagswahl
angetreten sei – was Vorraussetzung für die Parteieigenschaft sei.
Aber: Die LD trat nicht aus freien Stücken nicht zur Bundestagswahl 1998 an, sondern weil sie der Bundeswahlausschuß von der Liste gestrichen hatte. Im Jahre 1998 lautete die Begründung des
Ausschußes, die Partei hätte keine von Wirtschaftsprüfern testierten Rechenschaftsberichte abgegeben – immerhin ein erheblicher finanzieller Aufwand für eine kleine Partei. Man möchte also
meinen, dies sein der Grund für die Nichtzulassung gewesen. Seltsamerweise war im Jahre 2002 das Fehlen testierter Rechenschaftsberichte kein Hindernis für die Zulassung einiger Parteien. Fazit:
der Ablehnungsgrund für die LD 1998 war an den Haaren herbeigezogen!
Als Partei gilt nach dem Parteiengesetz nur eine Gruppierung, die alle 6 Jahre zu mindestens einer Landtags- oder Bundestagswahl antritt. Europa- und Kommunalwahlen zählen nicht.
Mit der Nichtzulassung der LD 1998 und 2002 verlor die Partei ihren Parteienstatus – inzwischen hat sie ihn durch Teilnahme an der letzten NRW-Wahl wieder.
Der Verlust des Parteienstatus kommt einem Verbot gleich, weil der Ausschuß immer im Zulassungsverfahren darauf hinweisen kann, daß die Gruppierung ja sowieso keine Partei sei.
Als Begründung für die Nichtzulassung der LD 2002 führte der Wahlausschuss an, daß die Partei zur letzten Bundestagswahl nicht angetreten war – das ablehnende Verhalten des Ausschußes wurde also
der Partei zur Last gelegt. Ebenso hätte die LD keine Öffentlichkeitsarbeit betrieben – zahlreiche Pressemitteilungen bezeugen das Gegenteil. Nur wenn die „unabhängigen Medien“ diese gleich in
den Papierkorb werfen statt sie zu veröffentlichen, kann man dies ebenfalls nicht der Partei negativ anrechnen.
Der Autor dieses Beitrages wiederlegte in einem Schreiben vom 17.1.2004 an den damaligen Bundeswahlleiter Johann Hahlen zahlreiche „Argumente“ des Ausschusses zur Nichtzulassung der LD. Der
Bundeswahlleiter antwortete, in dem er auf die soeben wiederlegten „Argumente“ als Antwort verwies. Hatte er den Brief des Autors überhaupt gelesen oder verstanden?
Fazit: Solange der Bundeswahlausschuß kein unabhängiges Gremium ist, sondern von der neoliberalen Viererbande aus CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP weitgehend kontrolliert wird, können Wahlen in
Deutschland nicht als frei und fair bezeichnet werden.
Der Bundeswahlausschuß muß ersetzt werden durch ein demokratisches Gremium, dem Vertreter der Zivilgesellschaft, unabhängige sachkundige Bürger, Parteienrechtler, durchaus auch Vertreter der
Parlamentsparteien und zu einem kleinen Prozentsatz per Losverfahren ausgewählte Bürger angehören. Diese wählen aus ihrer Mitte den Bundeswahlleiter!
Kay Hanisch
***
Wer glaubte, daß die Wahl zum Europaparlament im Zuge der Weltwirtschaftskrise eine demokratische Trendwende einläutet, der wurde enttäuscht. Die korrupten
Regierungsparteien konnten ihre Macht sichern, von den meisten EU-kritischen Parteien, die in Parlament kamen, tendieren viele zum Rechtsextremismus.
Man wundert sich nur über das Verhalten vieler Wähler. Ist ihnen nicht bewußt, daß für die Wirtschaftskrise, europaweiten Soziallabbau und mangelndes Mitspracherecht für die Bürger die
größtenteils neoliberalen Regierungsparteien in den EU-Staaten verantwortlich sind? Dieser herrschende europaweite Parteienfilz, der sich im EU-Parlament in Konservative („Europäische
Volkspartei“ EVP), in die sogenannten Sozialdemokraten (SPE), Liberale (ALDE) und Grüne sortiert wurde nun auch noch bei der Wahl bestätigt. Die grünen Parteien legten sogar europaweit
erstaunlich zu. Haben Europas Bürger Angst vor Klimawandel und Kriegsgefahr? Nur scheinen sie vergessen zu haben, daß die meisten grünen Parteien gar nicht mehr für die ökologische, soziale,
pazifistische und radikaldemokratische Ausrichtung der 70iger Jahre stehen und schon gar nicht ihr französischer Großmeister Daniel Cohn-Bendit, sondern daß auch die Ökoparteien längst die
Melodie des Neoliberalismus und des Ausbeutung spielen, verziert mit einer politisch-korrekt-ökologischen Note.
Auf einige der angetretenen Gruppierungen werfen wir einen Blick:
Viele demokratische EU-kritische Bewegungen und Gegner des autoritären Lissabon-Vertrages haben bei dieser Wahl schlecht abgeschnitten. Ob ihre Wähler zu Hause geblieben sind oder zu den
Rechtsextremen gewandert sind, muß sich erst noch herausstellen.
Die dänische Juni-Bewegung, deren bekanntester Politiker der ehemalige EU- Abgeordnete Jens-Peter Bonde war, erhielt nur 2,3% der Stimmen und verlor somit ihr letztes Mandat. 1999 konnte
sie noch drei Sitze erobern.
Der irische Multimillionär Declan Ganley, Finanzier der „Nein“-Kampagne zum EU-Vertrag in seinem Land, trat mit seiner „Anti-Lissabon-Partei“ Libertas gleich in mehreren Staaten an und
scheiterte grandios. In Irland fuhr die Bewegung mit 5,62% der Stimmen noch das beste Ergebnis ein. Für einen Sitz im Parlament reichte es dennoch nicht. Auch in anderen Ländern blieb
Libertas hinter den Erwartungen zurück. In Lettland kam sie auf 4,31%, in Frankreich auf 4,6% und in Polen auf 1,14%. In den Niederlanden, Malta, Großbritannien und Spanien waren es sogar
nur unter 1%. In Deutschland unterstützte die Bewegung die Partei Arbeit Umwelt Familie – Christen für Deutschland (AUF), welche aber ebenfalls nur 0,1% bekam. Bedenkt man allerdings, daß
Libertas aus dem Stand ohne vorhandene Strukturen antrat und welche Medienkampagne die Kartellparteien und ihre Meinungsmedien gegen Ganley und die Libertas entfachten, verwandelt sich die
Niederlage der Bewegung in einen respektablen Achtungserfolg.
Die irische Linkspartei Sinn Feín, welche mit Libertas gegen den EU-Vertrag gekämpft hatte erhielt trotz ihrer 11,24% merkwürdiger Weise auch keinen Sitz im EU-Parlament.
Polens linkspopulistische Bauernpartei Samoobrona (zu deutsch: „Selbstverteidigung“) des Bauernführers und Volkstribuns Andrzej Lepper verlor ebenfalls ihre EU-Mandate und stürzte von über
11% auf 1,46% ab. Obwohl die sonst eher zum Rabaukentum neigenden Samobroona-Abgeordneten sich recht konstruktiv verhielten und mit den Sozialdemokraten kooperierten, wurde der unbequeme Lepper
in seinem Heimtland Opfer eines medialen und politischen Kesseltreibens, wozu Vorwürfe über angebliche sexuelle Nötigung gehörten.
In Estland wurde die sozial-liberale Zentrumspartei mit 26,07% stärkste Kraft und schickt 2 Abgeordnete nach Straßburg. Die Zentrumspartei, die von ihren Gegnern als „linkspopulistisch“
bezeichnet wird, war die einzige große Partei Estlands, die sich für eine Volksabstimmung über den Lissabon-Vertrag ausgesprochen hatte und diesen auch kritisch beurteilte.
Als Kuriosum kann auch der Einzug der schwedischen Piratenpartei ins Parlament mit 7,1% und einem Abgeordneten gewertet werden. Die Partei setzt sich hauptsächlich für ein freies Internet
und gegen Online-Überwachung ein. Ihr Manko sind fehlende Aussagen zu anderen relevanten politischen Themen. Die Partei hat angekündigt, sich jener Fraktion anzuschließen, welche die Forderungen
der „Piraten“ umsetzen will. Der deutsche Ableger der Partei bekam nur 0,9% der Stimmen.
In Großbritannien ließ die eu-kritische Unabhängigkeitspartei des Vereinigten Königreiches (UKIP) mit 16,09% sogar die Labour-Party von Premierminister Gordon Brown hinter sich.
Die UKIP-Politiker, welche einen EU-Austritt anstreben, sehen sich selbst aber als „Atlantiker“, was nichts anderes heißt, das man die Befehle lieber aus Washington statt aus Brüssel empfängt.
Die Partei belegte den erstaunlichen 2. Platz und erhält 13 Mandate. Die Grünen bekommen 2 Sitze, ebenso wie die rechtsnationalistische und bisweilen rassistisch auftretende Britische
Nationalpartei (BNP).
Die Wahl führte zu einer erstaunlichen Renaissance des Linksliberalismus. In den Niederlanden gewannen die schon totgesagten Demokraten ´66 (D´66) mit 11,3% drei Mandate. In Slowenien
bekam die in den 90iger Jahren fast schon als „Staatspartei“ agierende LDS (Liberaldemokraten Sloweniens) 11,52%, ihre Abspaltung ZARES 9,82%. Die LDS, welche mit dem beliebten
Politiker Janez Drnovsek 1992-2000 den Premier und 2002-07 den Staatspräsidenten stellte, war nach dem Ende des Kalten Krieges aus dem Jugendverband der Kommunistische Partei hervorgegangen. Nach
Drnovseks Tod schaffte sie bei den letzten nationalen Wahlen nur knapp über die 5%.
Positiv ist zu bewerten, daß sich in Malta mit 54,77% die sozialdemokratische Partei MLP durchsetzen konnte. Die Malta Labour Party ist traditionell eu-kritisch und sieht sich als Hüterin
der Neutralität, während die regierenden Konservativen den Inselstaat gern in die NATO führen würden.
In Österreich gewann neben der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ)
auch der parteilose Abgeordnete Hans-Peter Martin mit seiner Wählerliste, die nun neben ihm noch zwei weitere Abgeordnete nach Straßburg schickt. Der frühere SPIEGEL-Journalist Hans-Peter Martin,
in Österreich nur „HPM“ genannt, war 1999 Spitzenkandidat der Sozialdemokraten. Nachdem er Mißstände und Korruption in Brüssel aufdeckte und anprangerte, kam es zur Entzweiung mit der SPÖ. 2004
schaffte Martin bereits den Sprung ins Parlament aus eigner Kraft, mit 17,9% konnte er dieses Resultat nun verbessern. Sein – sehr lesenswertes Buch – „Die Europafalle“ kam nicht zufällig wenige
Wochen vor der Wahl auf den Markt. Das von Jörg Haider gegründete Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) als gemäßigte Variante des Rechtspopulismus kam nur auf 4,7% der Stimmen und scheiterte
knapp. Allerdings könnte die Partei nach Inkrafttreten des EU-Vertrages ein Mandat zugesprochen bekommen, obwohl sie diesen Vertrag ja ablehnt. Konsequenter Weise will Spitzenkandidat Ewald
Stadler sein Mandat dann nicht annehmen.
Ebenfalls ist der Wahlsieg der slowakischen sozialliberalen Partei Smer („Richtung“) zu begrüßen. Die Smer unter Premier Robert Fico erhielt 32,02% und damit 5 Sitze. Obwohl die Partei als
ausgesprochen pro-europäisch gilt, hat sie nach ihrer Regierungsübernahme 2006 die große Privatisierungswelle in der Slowakei und die neoliberalen Exzesse gestoppt sowie eine Rückkehr zur
staatlichen Rentenversicherung eingeleitet. Smer kann daher als einzige „sozialdemokratische“ Regierungspartei Europas bezeichnet werden. Ihre Koalitionspartner, die linksnationale Bewegung
für eine demokratische Slowakei (HZDS) und die rechtsnationale Slowakische Nationalpartei (SNS) erhielten je ein Mandat.
Während der trinkfreudige SNS-Chef Jan Slota in der europäischen Öffentlichkeit als „schlimmer Demagoge“ gebrandmarkt wird und die Smer wegen der Koalition mit der SNS aus der Fraktion der
europäischen Sozialdemokraten (SPE) flog, scheint man bei anderen Rechtsparteien ein Auge zuzudrücken – Hauptsache sie sind neoliberal. So stört sich Brüssel offensichtlich nicht an der
Regierungsbeteiligung der rechtsdemagogisch-separatistischen Lega Nord und der ex-faschistischen Nationalen Allianz (AN) in der Koalition des italienischen Ministerpräsidenten
Silvio Berlusconi.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die verschiedenen Gruppierungen, welche einer möglichen EU-Diktatur kritisch gegenüberstehen, verhalten werden. Aus Osteuropa werden Parteien wie die
rechtsnationale Ataka aus Bulgarien, die rechtsextreme und mit den Pfeilkreuzlern kokettierende Jobbik und die revanchistische Großrumänienpartei (PRM) ins EU-Parlament
kommen. Es wäre schon bizarr, wenn die verbliebenen Demokraten ausgerechnet mit den Stimmen dieser Gruppen die EU-Dikatur und den autoritären Lissabon-Vertag verhindern.
Kay Hanisch
***
Die mit dem EU-Vertrag (auch Lissabon-Vertrag genannt) geplante Räte-Diktatur rückt immer näher. Der Vertrag sieht eine weitere Marktradikalisierung Europas, einen
verschleierten Schießbefehl auf Demonstranten und eine fortschreitende militärische Aufrüstung per Verfassung vor. Alle Staaten, die diesen Vertrag unterschreiben, haben auch primär dessen
Vorgaben umzusetzen, ganz nach der Devise EU-Recht bricht nationales Recht.
Am 6. Mai stimmten in der Tschechischen Republik von den anwesenden Senatoren 54 für den Vertrag von Lissabon bei 20 Gegenstimmen. Damit steht der neoliberale, aber EU-kritische Staatspräsident
Vaclav Klaus nun unter noch stärkerem Druck den Vertag zu unterschreiben. Klaus weigert sich bisher dies zu tun und erklärte, er warte darauf, wie das irische Volk abstimmt. Denn Irland ist das
einzige Land in der „demokratischen“ EU, in dem die Bürger abstimmen dürfen, ob sich ihr Land den Regeln des Vertrages unterwirft. Bereits im letzten Jahr hatten die Iren den Vertrag abgelehnt.
Nun plant die irische Regierung (unter großem Druck der EU) ihr Volk offenbar so oft abstimmen zu lassen, bis es gefälligst „ja“ sagt. Neben Klaus haben nur der deutsche Bundespräsident Horst
Köhler (CDU) und der nationalkonservative Präsident Polens, Lech Kaczynski (PiS), dem Vertrag noch nicht zugestimmt. Horst Köhler würde ja gern unterschreiben, aber etliche hochrangige
Wissenschaftler wie Prof. A. Schachtschneider und Politiker von CSU und Linkspartei haben Klage gegen den EU-Vertrag beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Dort zeichnet sich ein Patt ab.
Genau die Hälfte der Richter erklärt den Vertrag für verfassungsrechtlich okay, während die andere Hälfte dagegen ist.
Lech Kaczynski gilt als Umfaller. Er mag die EU zwar nicht, wird sich aber auch nicht offen mit ihr anlegen, zumal die Regierung und Parlamentsmehrheit seines Landes den Vertrag schon
durchgewunken haben. Unterzeichnet Vaclav Klaus, wird auch er unterschreiben.
In Prag hat der Streit um den EU-Vertrag sogar für innerparteiliche Zerwürfnisse gesorgt. Vaclav Klaus legte den Ehrenvorsitz der einst von ihm gegründeten liberal-konservativen Demokratischen
Bürgerpartei (ODS) nieder, als deren Chef, der Ministerpräsident Mirek Topolanek, sich für den Vertrag von Lissabon stark machte. Unter Klaus´ politischen Ziehsohn Petr Mach gründete sich die
rechtsliberale Partei der freien Bürger (SSO), die gegen den Vertrag Front macht und bei den EU-Wahlen mit bis zu 20% der Stimmen rechnen kann.
Nun planen auch einige ODS-Senatoren, die den Vertrag abgelehnt haben, eine Klage vor dem Verfassungsgericht. Dies hatte zwar schon bereits zu Gunsten der Befürworter entschieden, aber nicht alle
Klagepunkte berücksichtigt.
Die Folgen der Umsetzung des EU-Vertrages sind noch nicht ganz absehbar. Die Schäden für die Demokratie, den Frieden und die soziale Gerechtigkeit werden aber unübersehbar sein.
Das EU-Parlament wird zwar ein wenig gestärkt, hat aber im Vergleich zwischen Bundestag und Bundesregierung der EU-Regierung gegenüber nichts zu melden. Eine Kontrolle der Macht gibt es also
nicht. Hinzu kommen die oben genannten, demokratiefeindlichen Inhalte des Vertrages!
Es kann nur eine Handlungsweise für aufrechte Demokraten geben – ganz gleich in welchem Land. Wer als Abgeordneter dem EU-Vertrag zugestimmt hat, muß eidesstattlich erklären, daß er den
Vertrag komplett gelesen (über 700 Seiten) und auch verstanden hat. Damit er im Ernstfall auch zur Rechenschaft gezogen werden kann, wenn der Vertrag die Befürchtungen seiner Kritiker
erfüllt.
Kay Hanisch
***
Forderungen des CNDP
Der "Nationale Kongreß zur Verteidigung des Volkes" (CNDP), bis vor kurzem noch die mächtigste Rebellenbewegung in der Demokratischen Republik Kongo, hat sieben
Forderungen aufgestellt, die für eine Beruhigung der Lage im Osten Kongos nötig wären.
Nach der Entmachtung und Verhaftung ihres charismatischen Anführeres General Laurent Nkunda durch eine interantionale "Verschwörung", schloß die Gruppierung Frieden mit der Regierung und wandelte
sich in eine Partei um.
Welt im Blick veröffentlicht die Forderungen des CNDP.
"Sieben-Punkte-Programm"
"1. Sicherheit, Stabilität und das Befrieden des Landes, besonders im Osten:
o Umgruppierung, Entwaffnung und Rückführung aller bewaffneten ausländischen Milizen
o Integration aller nationalen bewaffneten Gruppen und Milizen
o Bildung einer nationalen und republikanischen Armee im Dienste aller Kongolesen ohne irgendeine Diskriminierung
o Organisation von Ausbildung und Wiedereingliederung der demobilisierten Kräfte in die Gesellschaft
2. Repatriierung und Wiedereingliederung aller Flüchtlinge; Rehabilitation aller Binnenflüchtlinge
3. Nationale Versöhnung (gesetzliche Sanktionierung aller rassistischen und diskriminierenden Taten /Verhalten; die Adoption von Gesetzen, die unterdrückte Minderheiten schützen, und Etablierung
von Staatsbürgerschaftszentren in den meisten Konfliktgebieten im Land)
4. Einführung des Föderalismus als eine innovative und leistungsfähige Form der politischen Regierungsgewalt des Landes.
5. Die Nutzung des Spielraumes der vorhandenen Regionalorganisationen wie CEPGL, SADC, und COMESA zur Stärkung der Afrikanischen Union (so sollte eine Politik, welche die doppelte
Staatsbürgerschaft unter anderen Maßnahmen erlaubt und afrikanische Integration erleichtert, angenommen werden).
6. Durchführung eines objektiven Programms zur Armutsbekämpfung unter der Regie der MDGs und wirtschaftlicher Entwicklung.
7. Ausübung von guter Regierungsführung, Gleichberechtigung, Menschenrechten und Veröffentlichungsfreiheit. "
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Krisenregierung in Lettland
Nach Island stürzte nun auch in Lettland die Regierung über die Folgen der weltweiten Wirtschaftskrise. In der neuen Regierung übernimmt der wirtschaftsliberale
Populist und Ex-Premier Einars Repse das Amt des Finanzministers. Kann er Lettland aus der Krise führen?
Die lettische Regierung des konservativ-christdemokratischen Premierministers Ivars Godmanis wird nicht die letzte in Europa sein, die durch die Wirtschaftskrise stürzt. Die
nächsten Kandidaten heißen Ungarn, Irland, Litauen und Estland. Im Pleite-Staat Ukraine wird die kampflustige Premierministerin Julija Timoschenko ihren Sessel nicht so leicht räumen, allerdings
drohen auch in diesem Land harte innenpolitische Machtkämpfe.
Godmanis, der bereits 1990-93 Premierminister war, amtierte wieder seit 2007. Seine Regierung konnte keine passenden Antworten auf die Folgen der Finanzkrise finden.
Lettlands Wirtschaftsleistung weist mittlerweile ein Minus von 12% aus. Im Januar hatte es bereits Massendemonstrationen in Riga gegeben. Die Demonstranten warfen mit Steinen und Schneebällen
Fensterscheiben im Parlamentsgebäude ein. Die vier konservativen Regierungsparteien blockierten sich in der Regierung gegenseitig und keine Partei wollte für unpopuläre Regierungsmaßnahmen in der
Krise verantwortlich gemacht werden.
Nach dem Rücktritt von Godmanis, der bereits in der Unabhängigkeitsbewegung Lettlands aktiv war, berief der parteilose, skandalumwitterte Staatspräsident Valdis Zatlers, ein ehemaliger Arzt, der
sich seine Dienste von seinen Patienten auch schon einmal mit „kleinen Geschenken“ vergüten ließ, den EU-Abgeordneten Valdis Dombrovskis zum neuen Premier.
Dombrovskis ist Mitglied der liberal-konservativen Oppositionspartei „Neue Zeit“ (JL), einer politischen Schöpfung des ehemaligen Zentralbankchefs Einars Repse. Dieser ist eine der
schillerndsten Figuren in Politik des neuen Lettlands.
Bereits mit 29 Jahren wurde er 1991 Chef der Zentralbank und sorgte dafür daß die lettische Währung Lats stabil und die Inflation niedrig blieb. Das machte ihn bei der Bevölkerung zu einer der
beliebtesten Personen des Landes. Repse, der eigentlich studierter Ingenieur war, erzählte immer wieder gern, daß er für seine Arbeit bei der Nationalbank nur auf ein Lehrbuch der
Volkswirtschaftslehre, internationale Finanzzeitschriften und seine „Erfahrungen mit komplexen Strukturen“ zurückgegriffen habe.
Im Jahr 2001 kündigte Repse an, in die Politik zu wechseln und eine Partei zu gründen. Um unabhängig von einflußreichen Finanziers und Oligarchen zu sein, richtete er zwei Bankkonten ein, auf die
das Volk jeweils ca. 750.000 Euro spenden sollte – einmal für die neue Partei und einmal für ihn persönlich. Zwar kam nur ein Drittel der geforderten Summe zusammen, aber Repse gab seinen Job bei
der Bank dennoch auf und zog in den Wahlkampf.
Das Programm der Neuen Zeit entsprach eigentlich dem neoliberal-populistischen Mainstream der lettischen Regierungsparteien, allerdings punktete Repse, der wegen seines Aussehens und
offensichtlich auch wegen seines manchmal abgehoben-weltfremden Gebarens vom Volk mit dem unschönen Spitznamen „Marsmensch“ belegt worden war, durch unkonventionelle Wahlkampfaktionen.
Als Hauptziele der Neuen Zeit konnte man die Bekämpfung der Kriminalität und der in der lettischen Politik weitverbreiteten Korruption nennen. Für diese Haltung genoß Repse, der ebenfalls
in der Unabhängigkeitsbewegung aktiv war, die überwiegende Zustimmung der Letten. Weitere Ziele der Partei waren ein unabhängiges und wirksames Rechtssystem und die Verbesserung des Bildungs- und
Gesundheitswesens.
Alles sollte künftig transparent sein für den Bürger. Kabinettssitzungen sollten nicht mehr hinter verschlossenen Türen stattfinden, sondern live im Fernsehen übertragen werden. Im Zuge seiner
Transparenz-Wahlkampagne ließ Einars Repse seine Handynummer veröffentlichen. So war es für die Bürger möglich, den Kandidaten anzurufen, was zahlreiche Letten genutzt haben.
Und während die etablierten Parteien Distanz zum Volk wahrten und lediglich über das Fernsehen oder große Anzeigen präsent waren, zogen Repse und seine Mitstreiter los und klingelten an den
Haustüren, um mit den Bürgern zu sprechen und Werbung für ihr Programm zu machen. Dies honorierten die Wähler und 2002 wurde die Neue Zeit mit knapp 24% der Stimmen stärkste politische
Kraft im Parlament.
Einars Repse übernahm das Amt des Premierministers und führte eine Koalition aus Neuer Zeit (26 Sitze), der ökologisch-konservativen Union der Grünen und Bauern (12 Sitze), der
christdemokratisch-konservativen Lettischen Ersten Partei (10 Sitze) von Ivars Godmanis und der rechtsnationalen Partei Für Vaterland und Freiheit (7 Sitze).
Die Regierung Repse, die bei der Bevölkerung Hoffnung auf eine Verbesserung ihrer Lebensumstände geweckt hatte, wurde eine der kurzlebigsten Lettlands.
Schon sehr bald überwarf sich Repse, dessen elitären und zum Teil autoritären Führungsstil die Bürger ja nun live im Fernsehen „bewundern“ konnten, mit seinen Koalitionspartnern. Immer häufiger
versuchte er, der Koalition seine Vorstellungen aufzudrücken.
Am Abend des erfolgreichen Referendums zum EU-Beitritt (20.9.2003) wurde dann die Forderung nach seinem Rücktritt innerhalb der Koalition laut, da dieser Führungsstil keine weitere Zusammenarbeit
zuließ.
Noch hielt sich die Regierung bis Anfang 2004, als bekannt wurde, daß der Anti-Korruptionspolitiker Einars Repse während seiner Amtszeit größere Liegenschaften gekauft hatte. Die Opposition
witterte Vorteilsnahme durch den Premier und forderte eine Untersuchungskommission. Dem stimmte jedoch auch der stellvertretende Regierungschef Ainars Slesers zu, woraufhin er von Repse gefeuert
wurde. Slesers Partei, die „Lettische Erste Partei“ zog sich aus der Koalition zurück, wodurch diese die Regierungsmehrheit verlor.
Nachdem sich die Regierung Repse bei mehreren Parlamentsabstimmungen nicht durchsetzen konnte, war der Rücktritt des Premiers unvermeidlich.
Einars Repse hat zwar Schwung in die lettische Politik gebracht, aber wirklich geändert hat sich für viele Bürger nichts. Der verhängnisvolle Kurs der engen Anbindung an die USA wurde auch unter
seiner Regierung fortgesetzt, ebenso wie die neoliberale Wirtschaftspolitik.
Zwar versprach die Neue Zeit bessere Sozialleistungen, aber diese sollten durch das Ausmerzen der Steuerschlupflöcher finanziert werden – und da endete die ganze Sache auch schon
wieder...
Auch den Irak-Krieg der USA unterstützte Repses Regierung, verweigerte sich aber wenigstens einem Abkommen mit den USA, das die Nichtauslieferung mutmaßlicher us-amerikanischer Kriegsverbrecher
an den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) festlegen sollte. In einigen Punkten nahm die Regierung sogar eine EU-kritische Haltung ein.
Und nun soll in der neuen Regierung unter Valdis Dombrovskis ausgerechnet Einars Repse das Finanzministerium führen. Staatspräsident Zatlers hat zwar gut daran getan, daß er nicht Repse, der nach
wie vor Parteichef der Neuen Zeit ist, zum Regierungschef bestellte, da dieser absolut kein Teamplayer ist. Allerdings darf bezweifelt werden, ob eine neoliberale Roßkur das Richtige ist,
um Lettland wieder auf die Beine zu helfen.
Premier Dombrovskis kündigte harte Einschnitte an und sein „Reformprogramm“ ist noch marktradikaler und unsozialer als das des gestürztes Ivars Godmanis. Die Letten sind also vom Regen in die
Traufe gekommen. So sollen u.a. die Einkommen der Beschäftigen im Gesundheitsbereich um ca. 10% gekürzt werden.
Die neue Regierungskoalition umfaßt außer der Neuen Zeit die bisherigen Koalitionsparteien
Für Vaterland und Freiheit, Union der Grünen und der Bauern und der konservativen Volkspartei auch die neu hinzu gekommene Bürgerunion. Nur Godmanis´ Lettische
Erste Partei wurde außen vorgelassen. Sie war offenbar durch den gestürzten Premier zu sehr belastet. Ebenfalls nicht mit in die Regierung aufgenommen wurden die beiden eher pro-russischen
Parteien (Lettland besitzt eine russische Minderheit von 29,6%) Harmonie-Zentrum / SC und die Partei für Menschenrechte in einem geeinten Lettland / PCTVL.
Wenn Lettland die Auflagen des Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht erfüllt, so der neue Premier, bleibe ihm nur noch die Möglichkeit, den Staatsbankrott zu verkünden. Einars Repse, der
Wirtschaftswunderknabe, den viele Letten mit den Boomjahren in Verbindung bringen, soll es nun richten. Doch das Sparkonzept der Regierung bringt keine Innovation und keinen wirtschaftlichen
Neubeginn. Es ist ein Akt purer Verzweiflung. Zwar windet sich auch die Regierung Dombrovskis hin und her und versucht dem IWF Zugeständnisse u.a. beim Haushaltsdefizit abzutrotzen, doch die
lettische Bevölkerung würde unter der vom IWF diktierten Regierungspolitik nichts zu lachen haben.
Ein Akt wirtschaftlicher Befreiung und des Aufbruchs, wie z.B. mit einem Schuldenmoratorium wie in Ecuador oder Argentinien, wird von der neoliberalen Koalition nicht zu erwarten sein. Selbst in
der Ukraine, die ebenfalls vor dem Staatsbankrott steht kämpft die Noch-Regierungschefin Julija Timoschenko mit kreativeren Mitteln gegen den wirtschaftlichen Niedergang. So werden im Importzölle
auf Autos und Kühlschränke erhoben, Emissionsrechte an Japan verschachert, Kredite beim „Erzfeind“ Rußland erbeten und ein hochgradig defizitärer Haushalt durch das Parlament gepeitscht, um die
Folgen der Wirtschaftskrise für die Bürger abzumildern. Ob sich der IWF dies lange gefallen läßt – schließlich hielt er schon die zweite Kreditrate des „Rettungskredites“ zurück – wird sich
zeigen. Spätestens wenn gewalttätige Massenproteste von Osteuropa aus in die EU fluten, wird auch der IWF seine Einstellung überdenken müssen.
Kay Hanisch
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Österreich
Mit einem fulminanten Wahlsieg in Kärnten etabliert sich das „Bündnis Zukunft Österreich“ im März 2009 weiter als politische Größe, hängt Sozialdemokraten und Konservative ab, während die rechte Konkurrenz gar nicht erst ins Parlament kommt
Ja, es war schon ein wenig makaber, als das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) im Bundesland Kärnten mit dem Namenszusatz „Liste Jörg Haider“ antrat.
Haider, bis vor reichlich vier Monaten Regierungschef von Kärnten und international wohl der bekannteste, als auch umstrittenste österreichische Politiker der letzten 20 Jahre, war im Oktober 2008 unter Alkoholeinfluß mit seinem Dienstwagen tödlich verunglückt.
Nach seinem Tod übernahm sein Stellvertreter Gerhard Dörfler das Amt des Landeshauptmanns (Ministerpräsident).
Das von Haider 2005 gegründete BZÖ war im Prinzip geprägt von den rechtspopulistischen Ansichten seines Gründers und dessen Anhängern, auch wenn es diese Politik in etwas abgemilderter Form vertrat als Haiders frühere Partei FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs).
Nun hat das BZÖ mit dem blassen Dörfler als Spitzenkandidaten 45,48% der Stimmen erhalten. Das ist mehr als Sozialdemokraten (28,59%) und die konservative ÖVP (16,50%) zusammen genommen. Die rechtspopulistische FPÖ schaffte es mit 3,79% gar nicht mehr ins Parlament, die Grünen zittern noch mit 4,99% ob sie nach der Auszählung der Briefwählerstimmen ins Parlament einziehen.
Die Umfragen prognostizierten eigentlich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen BZÖ und Sozialdemokraten (SPÖ). Beide lagen in den Umfragen bei etwas über 30% und die Medien versuchten Landeshauptmann Gerhard Dörfler keine Peinlichkeit zu ersparen. Dörfler, der erst vor wenigen Jahren als Quereinsteiger in die Politik kam, ließ im Wahlkampf allerdings kaum ein Fettnäpfchen aus. Besonders sein Hang zum Witze erzählen wurde ihm zum Verhängnis. In Anwesenheit des mit ihm befreundeten dunkelhäutigen Sängers Roberto Blanco riß er einen etwas peinlichen „Negerwitz“. Vor mehreren Hundert versammelten Polizisten fragte er, was denn der Unterschied zwischen dem Ötzi und einem gescheiten Polizisten sei.
Antwort Dörflers: Den Ötzi hat man schon gefunden.
Im Wahlkampf hat das BZÖ mit dem Slogan „Kärnten geht SEINEN Weg“ geworben, was sowohl auf das Land, als auch auf den mittlerweile als Übervater und Märtyrer verehrten Jörg Haider bezogen werden kann. Tatsächlich haben Haider und das BZÖ in Kärnten eine erfolgreiche Sozialpolitik für Einkommensschwache gemacht. Der Partei gelang es, bei den Bürgern sich einerseits als DIE „Kärnten-Partei“, andererseits als die besseren Sozialdemokraten darzustellen.
Den Wahlkampf hat der 27-jährige Stefan Petzner, der nach Haiders Tod kurzfristig den Parteivorsitz übernommen hatte, konzepiert. Der wortgewandte Petzner, heute stellvertretender BZÖ-Fraktionschef im Bundesparlament, wurde nach wenigen Tagen als Vorsitzender abgesägt, als ihm die Boulevard-Presse eine angebliche „homosexuelle Affäre“ zum toten Jörg Haider anhängen wollte.
Haiders Witwe Claudia sagte zur Presse, das Wahlergebnis sei “ein Zeichen der Anerkennung für meinen Mann und seine Politik.” Der Politologe Peter Filzmeier meinte zur Wahl, daß ein Fünf-Parteien-System in Österreich nun fest verankert sei.
Auch die Gegner rechter Ideologien, für die Haider immer eine der beliebtesten Reizfiguren war, könnten der Wahl etwas gutes abgewinnen. Denn der Aufstieg der radikalen FPÖ scheint vorerst gebremst. Deren jugendlich wirkender Parteivorsitzender Heinz Christian Strache, der wie ein auf Krawall gebürsteter Haider auftritt und mit seiner Partei bei den letzten Wahlen von Sieg zu Sieg eilte, ist offensichtlich doch kein Wundertäter, gegen den kein Kraut gewachsen ist.
Das sich der BZÖ-Sieg außerhalb Kärntens wiederholen wird, ist derzeit eher unwahrscheinlich. Bei der gleichzeitig stattfindenden Landtagswahl in Salzburg erhielt die erstmals antretende Partei 3,7% und scheiterte so knapp an der 4%-Hürde.
Das in Kärnten die Partei eines Toten mehr Stimmen bekommt als die beiden selbsternannten „Volksparteien“ zusammen, zeigt schon, wie sehr diese Parteien den Rückhalt bei den Bürgern durch ihre neoliberale Regierungspolitik in Wien verspielt haben.
Kay Hanisch
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Laurent Nkunda
Seit Monaten geistert der Name des kongolesischen Rebellenführers Laurent Nkunda durch die Weltpresse. Nun wurde er in Ruanda verhaftet. Für seine Anhänger bedeutete er
die Rettung des Kongos aus Krieg und Chaos. Seine Feinde werfen ihm Menschenrechtsverletzungen vor.
Wer ist der Mann, der der zahlenmäßig überlegenen Regierungsarmee eine Niederlage nach der anderen beibrachte und die UNO-Truppen zum Narren hielt? Wurde der mögliche Hoffnungsträger Opfer einer
internationalen Intrige?
Er ist groß und sehr dünn, seine Statur weist ihn eindeutig als Angehörigen des Volkes der Tutsi aus, folgt man gängigen Klischees. Wenn er
redet, sind seine Augen immer in Bewegung, wie einst bei Patrice Lumumba, dem kongolesischen Unabhängigkeitshelden. Dies fanden westliche Berichterstatter wie Peter Scholl-Latour schon damals
während der ersten Kongo-Krise unheimlich.
Der heute 41-jährige Laurent Nkunda hat in Ruanda Psychologie studiert und weiß mit den Medien umzugehen. Obwohl er selbst Kongolese ist, kämpfte er seit 1993 in der tutsi-dominierten Ruandischen
Patriotischen Front RPF, die 1994 die Macht in Kongos winzigem Nachbarland Ruanda übernahm und den Völkermord der marodierenden Hutu-Milizen der Interahamwe an der Tutsi-Minderheit und an
gemäßigten Hutus beendete. Der RPF-Führer Paul Kagame stieg damals zum mächtigsten Mann Ruandas auf, heute ist er Präsident.
Nkunda kehrte in den Kongo (damals noch Zaire) zurück und kämpfte an der Seite des ehemals linken, von Ruanda und Uganda unterstützten Rebellenführers Laurent-Dèsirè Kabila gegen das marode
Regime des zairischen Diktators Mobutu Sese Seko.
Nach der Machtübernahme Kabilas in Kinshasa diente Laurent Nkunda kurzzeitig als Offizier in der kongolesischen Armee, schloß sich aber 1998 als Major der Kongolesischen Sammlungsbewegung für
die Demokratie (RCD) an.
2003 kam es zum Friedensschluß zwischen der Regierung und der RCD und Nkunda, nunmehr im Range eines Generals, und seine Kämpfer wurden in die kongolesische Regierungsarmee integriert.
Doch kurz darauf zog er sich wieder in den Busch zurück und seine Leute griffen wieder zu den Waffen. Warum?
Laurent Nkunda sieht sich als Schutzherr der Banyamulenge, der kongolesischen Tutsi. Seine derzeitige Rebellenbewegung trägt nicht umsonst den Namen Nationalkongreß zur Verteidigung des
Volkes (CNDP).
Die Tutsi des Kongos sehen sich immer noch bedroht von den, nach 1994 aus Ruanda geflohenen, Mord-Milizien der ruandischen Hutu-Extremisten, die für den Genozid verantwortlich waren und auf der
Flucht vor der jetzigen ruandischen Tutsi-Regierung Paul Kagames in den schwer zu kontrollierenden Kongo flüchteten, wo sie noch heute bewaffnet duch die Kivu-Provinzen irrlichtern. Diese
Hutu-Milizen haben sich unter dem Namen Demokratische Kräfte der Befreiung von Ruanda (FDLR) zusammengeschlossen und halten ca. 6.000 Mann unter Waffen. Die FDLR verfügt neben ihrer
Militärtruppe auch über einen politischen Flügel, der von dem in Deutschland lebenden Ignace Murwanashyaka geführt wird. Während der Militärflügel der FDLR den gewaltsamen Sturz der
Kagame-Regierung in Ruanda propagiert, will der politische Flügel dies angeblich mit friedlichen Mitteln wie einem „Dialog“ mit der Regierung in Kigali erreichen.
Seine Gegner beschuldigen Nkunda, er vertrete nur die Interessen einer ethnischen Gruppe und nicht des ganzen Kongos. Zwar mag dies am Anfang auch zugetroffen haben, doch haben sich mittlerweile
zahlreiche nationale Forderungen ins Programm der CNDP Eingang gefunden.
Politische Kreise und verschiedene Medien (z.B. die „Junge Welt“) in Deutschland und in Europa stellen den General als eine Marionette des Nachbarlandes Ruanda dar. Er würde für dieses Land die
Stellung im Kongo halten, damit die Ausbeutung der Bodenschätze durch Ruanda reibungslos erfolgen könne. Überhaupt schieben ihm einige Zeitungs-Simpel gern die komplette Verantwortung für den
immer noch flackernden Bürgerkrieg im Kongo in die Schuhe.
Doch dies greift zu kurz und ist zum Teil schlichtweg falsch. Zum einen gibt es kaum Bodenschätze in dem von den Rebellen kontrollierten Gebiet (ca. die Hälfte der Provinz Nord-Kivu), zum anderen
haben alle im Bürgerkrieg beteiligten Parteien ihre Hände in Blut getaucht.
Menschenrechtler, aber auch seine politischen Gegner, werfen Nkundas Kämpfern Morde, Vergewaltigungen und Plünderungen vor. Doch inwieweit sind solche Vorwürfe in dem schwerzugänglichen Gebiet zu
hundert Prozent zu überprüfen?
Der Afrikakorrespondent der TAZ, Dominic Johnson, der sich in der Region aufhält, bescheinigt den Rebellen eine wesentlich höhere Disziplin als den Regierungssoldaten und den mit ihnen
verbündeten Milizen.
Zeitweise bis zu 20.000 Soldaten hatte die Regierung gegen die zuletzt auf 7.000 Mann angeschwollene CNDP im Einsatz und konnte doch keinen Sieg erringen. In wilder Panik flohen die
Regierungssoldaten, die schlecht verpflegt und seit einem Jahr nicht mehr bezahlt wurden, schon, wenn das Gerücht auftauchte, daß Nkundas Kämpfer im Anmarsch seien. Auf ihren überstürzten
Rückzügen vergewaltigten die Soldaten Frauen, plünderten die Vorräte der Bürger, walzten mit Panzern PKWs platt, die im Weg standen und beschlagnahmten Autos für ihre Flucht. Zivilisten, die sich
weigerten, ihre Fahrzeuge zu überlassen, wurden einfach erschossen.
Insofern war der Einmarsch der Rebellen für manches Dorf schon fast eine Befreiung. Die Tutsi-Rebellen hielten sich bei Plünderungen sehr zurück.
Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung? Diese Anschuldigung weist Nkunda im Gespräch mit Journalisten zurück. „Ich kann nicht ausschließen, daß manchmal Zivilisten umkamen, vielleicht, weil sie
ins Kreuzfeuer geraten.“ Aber die Ideologie der CNDP lehne jeden Angriff auf Zivilisten ab. Vergewaltigungen würden mit der Todesstrafe geahndet. Es gebe eine Ehrenkodex, der den Soldaten bekannt
sei. Erst kürzlich mußte er drei Soldaten wegen eines solchen Vergehens erschießen lassen.
Zwar sind Bewaffnung und Uniformen der Rebellen ganz offensichtlich ruandischen Ursprungs, doch die Unterstützung des Nachbarlandes für die CNDP scheint sich seit einiger Zeit in Grenzen zu
halten. Die Rebellen finanzieren sich über Zölle, die sie von allen erheben, die ihr Gebiet passieren und verlangen Gebühren, wenn Personen die berühmten Berggorillas besichtigen wollen. Auch
scheint der CNDP eine Art Monopol beim Verkauf von Holzkohle zu besitzen, die von den Einheimischen zum Kochen benötigt wird. Laut der ZEIT (Nr.48/2008) stehen Nkunda außerdem
„Zigarettenhersteller, Hotelbesitzer, Sicherheitsdienste und eine internationale Fangemeinde finanziell bei“.
Solange Nkunda den ruanda-treuen Soldaten gab, der sich um die Belange der kongolesischen Tutsi kümmerte und mit der Existenz der CNDP Druck auf die Regierung von Joseph Kabila ausübte, endlich
gegen die Hutu-Milizen der FDLR vorzugehen, war er der Regierung Ruandas sehr genehm.
Doch Nkunda entdeckte zunehmend bessere Möglichkeiten. Die Regierungsarmee war ein maroder Kriegshaufen, die UNO-Truppen hilflos und selbst einige ihrer Soldaten in Menschenrechtsverletzungen
verstrickt, der korrupte und am Schicksal des Kongo relativ uninteressierte Präsident Kabila beim Volk verhaßt. Nun hatte auch noch der greise Premierminister Antoine Gizenga, der mit seiner
linken Partei PALU in Koalition mit Kabila regierte, offiziell aus „Altersgründen“ das Handtuch geworfen. Gizenga, der schon zur Unabhängigkeit 1960 kurzzeitig stellvertretender Premier war, galt
als einer der wenigen ehrlichen und unbestechlichen Spitzenpolitiker des Landes.
Immer mehr Menschen sehnten sich nach einem politischen Neuanfang. Der CNDP bekam Zulauf. Nicht nur Tutsi, auch Angehörige anderer Ethnien und sogar Regierungssoldaten schlossen sich an. Nkunda
war neben seiner Tarnuniform nun auch immer öfter in traditionellen afrikanischen Gewändern oder im Anzug zu sehen, um die zivile und politische Note seines Kampfes zu betonen. Er führte eine Art
Häuptlingsstab bei sich, der zu den klaren Insignien der Macht gehört, trug schließlich auch Ex-Diktator Mobutu einen solchen.
Ein weißes Lämmchen als Haustier sollte den Friedenswillen des Oberrebellen betonen. Inzwischen wurden Friedensverhandlungen mit der Regierung in Kinshasa geführt. Nkunda verlangte aber, daß die
Probleme des ganzen Kongo (u.a. das Problem der FDLR) und nicht nur der Konflikt zwischen CNDP und Regierung bei den Gesprächen debattiert werden, wogegen sich die Regierung sperrte.
Internationale Aufwertung erfuhr Nkunda durch den Besuch des UN-Vermittlers Olusegun Obasanjo, der 1976-79 und 1999-2007 Staatspräsident von Nigeria war.
Immer häufiger wurden seine Auftritte vor der Bevölkerung in den von der CNDP kontrollierten Gebieten, wo er sich als Volkstribun aufführte.
Nicht mehr nur die Interessen der Tutsi standen im Vordergrund, nein, Nkunda verkündete jetzt, angestachelt von seinen Erfolgen, den ganzen Kongo befreien zu wollen. Einige verglichen ihn bereits
mit dem Nationalheiligen Patrice Lumumba. Die UNO-Truppen seien „unfähig“ und könnten ihn jedenfalls nicht daran hindern, bis nach Kinshasa zu marschieren, wenn wollte, so der General. Was wäre
das für ein Gesichtsverlust für die Weltorganisation!
Er träume, so erklärte Nkunda den ARD-Journalisten vom „Weltspiegel“, von einem Kongo ohne korrupte Regierung, der seine Bevölkerung an den Reichtümern des Landes teilhaben läßt und der unter
seiner Führung sogar im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sitzen würde.
In Nkundas Ansichten finden sich aus westlicher Sicht starke christliche und sozialistische Ziele. Auf seiner Jacke prangt oft ein Anstecker „Rebellen für Christus“. Doch Nkunda ist ein rational
denkender Soldat, kein fundamentalistischer Wirrkopf wie Joseph Kony, der Führer der christlich-animistisch-fundamentalistischen „Widerstandsarmee des Herren“ (LRA) aus Uganda.
Nkunda führte weiter aus, daß die Regierung das Land an die Chinesen verkauft habe, die sich an den Bodenschätzen bereicherten und erklärte die Verträge mit einigen Investoren müßten im Interesse
des Landes überprüft werden. Durch solche Aussagen, die bei vielen Kongolesen auf fruchtbaren Boden fielen, begann Nkunda sich als dauerhafter Störenfried und mächtiger Faktor in der
kongolesischen Politik zu etablieren.
zu etablieren.
Hier begannen nun offensichtlich bei einigen die Alarmglocken zu schrillen. Eine starke Regierung in Kinshasa, welche der schrankenlosen Ausplünderung des Landes zumindest teilweise einen Riegel
vorschiebt und dazu noch ziemlich selbstbewußt auftritt, kam den westlichen und chinesischen Investoren alles andere als gelegen. Doch nicht nur sie, auch die Regierung in Kigali/Ruanda hatte
offenbar kein Interesse an einer Stärkung Nkundas. In der CNDP gab es eine Fraktion, die sich stärker an den Interessen Ruandas orientieren wollte und der Nkundas politische und militärische
Pläne zu abgehoben waren.
Zudem stand außer Zweifel, daß Nkunda eine kongolesische Nationalarmee aufbauen wollte, die im Stande wäre, die Grenzen und die Integrität der Republik zu verteidigen. Er erklärte der ARD im
Interview, er wolle dem Land eine starke Armee geben.
Es heißt, im Kongo schlage das Herz Afrikas. An einem Land mit 2,3 Mio. Quadratkilometern und über 60 Mio. Einwohnern, das geeint und selbstbewußt über immense Bodenschätze verfügt – wer hätte
daran ein Interesse?
Der Westen und China nicht – sie müßten schlechtere Konditionen für ihren Zugriff auf Cobalt, Diamanten, Mangan, Zinn- und Zinkerze, Coltan, Uran, Kohle und Erdöl fürchten.
Ruanda mußte einen starken Nachbarn fürchten, der für den ruandischen Zugriff auf die Bodenschätze unruhigen Ostprovinzen ein schwieriger Partner wäre.
Die Hutu-Milizen der FDLR, die einen Staat im Staat errichtet hatten und von der Regierung Kabilas unterstützt wurden, mußten fürchten von Nkundas Truppen und der ruandischen Armee zerschlagen zu
werden. Zudem beuteten sie ebenfalls wie Ruanda die kongolesischen Rohstoffen aus.
Nkunda war also allen lästig. Plötzlich ging alles sehr schnell.
Anfang Januar 2009 verkündete CNDP-Generalstabschef Bosco Ntaganda, man habe Laurent Nkunda wegen „schlechter Führung“ und „Größenwahn“ abgesetzt und sei bereit für einen Friedenschluß mit der
Regierung. Dieser erste Versuch, den General zu entmachten scheiterte vorerst. Der stellvertretende Generalstabschef Sultani Makenga erklärte, Nkunda bleibe CNDP-Chef und auch dieser dementierte
kurz darauf seine Absetzung, doch war seine Position innerhalb der Bewegung offenbar schwer angeschlagen.
Es war unklar, wieviel Einfluß Nkunda noch über seine Kämpfer besaß.
In der Woche vom 18.-23. Januar überschlugen sich die Ereignisse. Ruandische Truppen marschierten zur Unterstützung der kongolesischen Regierungsarmee ein, um mit ihr gegen die Völkermord-Miliz
FDLR vorzugehen – vor wenigen Wochen ein undenkbarer Vorgang.
Damit nicht genug, die wichtigsten Befehlshaber der CNDP verkündeten unter Bosco Ntaganda einen Waffenstillstand mit der Regierung und ließen Kabilas Truppen auf CNDP-Territorium. Die gegen die
CNDP kämpfende regierungstreue Miliz „Pareco“ (Kongolesische Widerstandspatrioten) unter „Oberst“ Mugabo kapitulierte ebenfalls.
Laut dem Kongo-Experten Jason Stearns hatte sich bei Präsident Joseph Kabila die Auffassung durchgesetzt, daß die Ostprovinzen ohne Ruanda nicht zu kontrollieren sind.
Nach einem kurzen Gefecht zwischen der CNDP/Kabila/Ruanda-Allianz und den unterlegenen letzten Getreuen Nkundas in dessen Hochburg Bunagana floh der General nach Ruanda, wo er verhaftet wurde.
Anderen Quellen zufolge solle sich Nkunda bereits in Ruanda befunden haben, daß ihn zu Konsultationen einbestellt habe. Das wäre auf jeden Fall ein cleverer Schachzug Ruandas gewesen. So konnte
man Nkunda verhaften und gleichzeitig sicher sein, daß er seine loyalen CNDP-Verbände nicht mehr gegen die ruandisch-kongolesischen Truppen mobilisieren kann. Internationale Beobachter erwarten,
daß er an Kinshasa ausgeliefert wird und vor ein internationales Tribunal in Den Haag gestellt wird, dessen politische Neutralität ja selbst von dem serbischen Ex-Premier und Milosevic-Gegner
Vojislaw Kostuncia in Frage gestellt wird.
Es dürfte auch nicht überraschen, wenn Bosco Ntaganda, der selbst von der UN wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesucht wird, wegen seines Verrates und seiner „Kapitulation“ vor Kinshasa
amnestiert wird. Vermutlich wurde Ntaganda genau mit diesem Versprechen geködert. Das ist Spekulation – klingt aber logisch.
Doch so schnell wird es mit dem Frieden in der Demokratischen Republik Kongo nichts werden. Es gilt noch die FDLR zu entwaffnen und die ugandischer Terrorgruppe LRA zu zerschlagen, die im Kongo
Zivilisten ermordet und Kindersoldaten rekrutiert. Außerdem ist unklar, wie sich die nkunda-loyale Rest-CNDP verhalten wird.
Ob Nkunda dem Land wirklich Befreiung gebracht, oder ob nur ein neuer Diktator einen anderen abgelöst hätte, ist schwer zu sagen. Nach dem Abtritt des alten Antoine Gizenga von der politischen
Bühne und den Wahlboykotten von Ex-Premier Etienne Tshisekedi und seiner UDPS sind Hoffnungsträger im Kongo spärlich gesät.
Kay Hanisch
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Gaskrieg
Wir hören immer wieder, daß das Erdgas in Europa, besonders in Osteuropa, knapp wird, weil sich Rußland (als Lieferant für das Gas) und die Ukraine (als Transitland
dafür) nicht auf einen Preis für die Durchleitungsgebühren bzw. für in die Ukraine geliefertes russisches Erdgas einigen können. Diese von den deutschen Medien verbreitete Sichtweise ist
oberflächlich und sucht die Schuld bei der Ukraine, da die Behauptung von Rußland, die Ukraine würde „Gas abzapfen“ oder „stehlen“ von den Medien unkritisch übernommen
wurde.
Rußland verfolgt in diesem Konflikt mehrere strategische Ziele.
Erstens: Die Ukraine muß in den Augen Europas als unzuverlässiger Partner für den Transit von Gas dargestellt werden. Dazu bedient sich der russische Staatskonzern „Gasprom“ zahlreicher für ihn
arbeitender europäischer und us-amerikanischer PR-Agenturen, welche das Bild von der „Gas stehlenden Ukraine“ in die Medien bringen. An der Propagandafront hat die Ukraine ungleich schwächere
Möglichkeiten. Die europäischen Medien übernehmen dieses Bild nahezu nahtlos von den PR-Agenturen.
Das Ziel ist, die Ukraine als selbstständiges Gastransitland auszuschalten, um die Monopolstellung von „Gasprom“ weiter auszubauen. Ohne die Ukraine gibt es übrigens keine Möglichkeit auf kurzem
Wege an Gas aus Zentralasien, z.B. aus Turkmenistan zu gelangen.
Hier kommen die von Rußland geplanten neuen Pipelines „Nord-Stream“ und „South-Stream“ ins Spiel. Deren Realisierung ist durch die Finanzkrise wieder fragwürdig geworden. Was liegt als näher, als
der EU durch die Gaskrise die Notwendigkeit der die Ukraine umgehenden Pipelines vor Augen zu führen?
Zweitens: Kein Nachgeben gegenüber der ungeliebten „Orange“-Regierung in Kiew.
Die regierenden Kräfte in Kiew, die größtenteils als liberal-konservativ einzustufenden Kräfte in der Fraktion „Unsere Ukraine – Selbstverteidigung des Volkes“ des Staatspräsidenten Viktor
Juschtschenko und die eher sozialdemokratisch bis gemäßigt national-populistisch orientierten Parteien im „Block Julija Timoschenko“ (BJUT) der gleichnamigen Regierungschefin gilt es unter
Druck zu setzen. Die Koalition der einstmals Verbündeten wird nur noch mit Hängen und Würgen zusammengehalten und überlebt nur durch die Unterstützung des „Blockes Wladimir Litwin“, der
kleinen, Rußland gegenüber eher freundlich bis neutral orientierten Fraktion des Parlamentspräsidenten Litwin.
Je unpopulärer die beiden „orangenen“ Parteien im Volk werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit eines Sieges der pro-russischen Opposition, welcher Sicherheit für den Weiterbestand des
Militärstützpunktes der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim garantieren würde.
Präsident Juschtschenko hat sich in Moskau mit seinem Kurs in Richtung NATO-Mitgliedschaft unbeliebt gemacht, zudem schlug er sich im russisch-georgischen Krieg im August 2008 auf die Seite
Georgiens und wollte russischen Kriegsschiffen das Wiedereinlaufen in „ihren“ Stützpunkt auf der Krim verbieten.
Die Premierministerin Julija Timoschenko, die seit einiger Zeit versucht, ein besseres Auskommen mit Rußland zu erzielen und über die Frage des NATO-Beitritts einen Volksentscheid anstrebt (wohl
wissend, daß dieser keinen Erfolg verspricht), hat es sich anderer Stelle mit Rußland verscherzt. Die wortgewaltige Politikerin, die sich in den Wirren der Gas- und Erdölgeschäfte bestens
auskennt, forderte schon von Anbeginn ihrer Regierung die „Eliminierung der dubiosen Zwischenhändler“ und meint damit die Firma „RosUkrEnergo“, welche den Gashandel zwischen der Ukraine und
Rußland kontrolliert. Timoschenko will die Firma durch ein zahmeres Staatsunternehmen ersetzen. „RosUkrEnergo“ gehört zu 45% dem ukrainischen Geschäftsmann Dimitri Firtasch und seinem
Geschäftspartner Iwan Fursin (5%). 50% hält aber der russische Staatskonzern Gasprom an dem Unternehmen. RosUkrEnergo hämmert sich also auch noch seinen Profit von den Gaspreisen, welche die
Ukraine an Russland zu zahlen hat, ab und Gasprom verdient dabei noch ein weiteres Mal. Dies treibt natürlich die Gaspreise für die Ukraine weiter in die Höhe.
Auch Präsident Juschtschenko soll hervorragende Kontakt zu „RosUkrEnergo“ haben und ihm sind die Aktivitäten seiner Premierministerin natürlich ein Dorn im Auge. Auch deshalb versuchte er
Timoschenko im Herbst 2008 vergeblich abzusetzen und beide Kontrahenten beschuldigten sich wechselseitig der „Korruption“.
Drittens: Ziel Rußlands ist es auch, den ukrainischen Staatskonzern „Naftogas“, der die Pipelines auf ukrainischer Seite betreibt, in den Bankrott zu treiben, um danach das ukrainische
Pipelinenetz durch Gasprom zu übernehmen. Die Forcierung von „Nord-Stream“ und „South-Stream“, wie die Diskreditierung der Ukraine als zuverlässiger Gaslieferant für Europa würde dazu beitragen.
Rußland hat – zumindest vorläufig - ein Interesse am Erhalt von „RosUkrEnergo“ als Zwischenhändler, um über diese Firma dafür Sorge zu tragen, daß Gas aus Zentralasien auch in Zukunft nur über
Gasprom und nicht über andere Ölkonzerne nach Europa geliefert wird.
Viertens: Vorgehen gegen niedrige Erdölpreise! Die Preise für Erdöl sind derzeit niedrig, gleichzeitig geht die Menge des in Rußland geförderten Erdgases offenbar immer mehr zurück. Wenn weniger
Gas fließt, wechseln die Europäer, in den Bereichen, wo es technisch möglich ist, zum Erdöl. Dies erhöht die Nachfrage und damit den Preis, was wiederum den Gaspreis erhöht, da beide eng
miteinander verbunden sind, so Volodymyr Saprykin, Direktor der Energieprogramme vom „Rasumkow“-Zentrum.
Die Regierung Julija Timoschenkos sucht nun nach Auswegen. Kürzlich wies sie die Industrie an, ihre Energieversorgung von Gas auf Masut, einen Destillationsrückstand des Erdöls, umzustellen und
erleichterte die Regeln für den Erwerb von Masut. Obwohl die Umstellung offenbar problemlos erfolgte, reichen die ukrainischen Masut-Vorräte nicht hinten und vorn.
Die Verhandlungen mit Rußland laufen, werden wieder abgebrochen, wieder aufgenommen... Wie weit Rußland das Spiel noch treiben will, ist nicht klar. Auch halten sich die Russen nicht an das, von
den Regierungschefs beider Länder unterzeichnete Memorandum, daß eine stufenweise Preiserhöhung für russisches Gas vorsah. Stattdessen fordert Gasprom nun gleich den vollen Preis.
Die Ukraine hat laut Oleksandr Todijchuk, dem Präsidenten des internationalen „Kiew-Enrergie-Klubs“ bereits 70 Mio. Kubikmeter Gas aus eigenen Speicherungs- und Lagerstätten genutzt, um den
Transport in die EU sicherzustellen.
Wie kann dieser Konflikt gelöst werden? Durch ein Einknicken der Ukraine vor der willkürlichen Preispolitik von Gasprom? Wird Rußland nicht dadurch noch ermutigt, genauso weiter zumachen? Zumal
es in Litauen bald ebenfalls einen Energie-Konflikt mit Rußland geben könnte.
Fest steht, und dies wurde auch nach dem russischen Einmarsch in Georgien deutlich, Moskau betreibt eine Hegemonialpolitik genau wie Washington. So wie die USA jahrzehntelang Lateinamerika als
ihren „Hinterhof“ betrachteten und glaubten, bestimmen zu können, was dort zu geschehen habe, so sehen auch die Russen die ehemaligen Sowjetrepubliken als ihr Einzugsgebiet und sprechen ihnen
jedes Recht auf einen eigenen politischen Weg ab.
Kay Hanisch
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Interview mit Johannes Hertrampf zur Finanzkrise
Johannes Hertrampf ist Doktor der Ökonomischen Wissenschaften und der Philosophie. Seit 1993 ist der ehemalige Dozent der TU Dresden Bundesvorsitzender der
Freiheitlichen Partei Deutschlands (FP Deutschlands) und gehörte 2006 zu den Gründern der „Allianz Demokratischer Parteien und Organisationen“.
Welt im Blick: Herr Dr. Hertrampf, wie beurteilen Sie die derzeitigen Maßnahmen der Bundesregierung zur Weltfinanzkrise?
Hertrampf: Sie sind nicht auf eine Beseitigung der Ursachen der Finanzkrise gerichtet, sondern auf eine Umverteilung in neuen Dimensionen in den vom Finanzsystem beherrschten Ländern.
Die Finanzkrise ist ein großer Weltbetrug, bei dem es darum geht, die Weltherrschaft der USA zu retten.
Welt im Blick: Sie kritisieren in Ihrem Aufsatz „Finanzkrise – Irrweg und Ausweg“, daß die BRD den US-Banken finanziell unter die Arme greift. Ist es nicht richtig, daß Finanzsystem zu
stützen, um einen völligen Zusammenbruch zu verhindern?
Hertrampf: Wenn das gegenwärtige Finanzsystem Riesenlöcher in die Staatshaushalte und in die Budgets der Bürger reißt, weil es die Mittel für eine falsche Politik bereitzustellen hat,
dann sollte es nicht saniert werden, sondern es sollte ein kontrollierter Abriss erfolgen. Ein solcher „Zusammenbruch“ ist für die Völker wie die Befreiung von einem bösen Leiden.
Welt im Blick: Sie bezeichnen die „Wirtschaftsweisen“ der Bundesregierung verständlicherweise als „Scharlatane“, da sie weitere Investitionen in das marode Finanzsystem fordern, ohne zu
erklären, woher das Geld kommen soll. Wie sollten sich die „Wirtschaftsweisen“ Ihrer Meinung nach verhalten?
Hertrampf: Ein Weiser ist ein besonders vernünftiger Mensch. Wer heute weitere Investiti-onen fordert und nicht gleichzeitig einen politischen Wandel verlangt, der fordert das, was die
Bundesregierung schon tut: noch mehr Kredite aufnehmen und noch mehr Zinsen über Steuern und Abgaben an die Banken abliefern. Das ist aber den „Wirtschaftsweisen“ bekannt. Sie müssten den Mut
haben, der Öffentlichkeit reinen Wein einzuschenken. Von Perikles stammt die Aussage: „Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut“.
Welt im Blick: Eine Ihrer Forderungen ist es, die Verbindungsstränge zu den internationalen Finanzorganisationen IWF und Weltbank zu kappen. Würde das Deutschand nicht in ein wirtschaftliches
Chaos führen?
Hertrampf: Die Finanzblase, die um den Erdball schwebt, ist ein Mittel zur Beherrschung realwirtschaftlicher Vorgänge. Die von Ihnen genannten Institutionen sind Steuerzentralen dieser
Finanzblase. Wenn die Staaten ihre Verbindungsstränge zu diesen kappen, wird damit der realwirtschaftliche Ablauf nicht gestört, sondern sein Missbrauch unterbunden. Die Kriege in Jugoslawien, im
Irak, in Afghanistan haben viel Geld gekostet und kosten es noch. Das alles muss bezahlt werden. Die Politik am Tropf ist der eigentliche Grund für die Ausplünderung. Und genau diese Geldströme
gilt es zu unterbinden.
Welt im Blick: Seit einigen Jahren fordert Ihre Partei ein jährliches Investitionsprogramm des Staates in Höhe von 50 Mrd. Euro, um die deutsche Wirtschaft anzukurbeln. Seit letztem Jahr hat
die Linkspartei diese Forderung offenbar übernommen. Woher soll das Geld angesichts leerer Kassen denn kommen?
Hertrampf: Ein solches jährliches Investitionsprogramm in Höhe von 50 Mrd. Euro muss zweckgebunden verausgabt und öffentlich kontrolliert werden. Es soll nicht nur Arbeitsplätze
schaffen, sondern es muss der Erneuerung von Wirtschaft und Gesellschaft dienen. Bei der Finanzierung legen wir den Schwerpunkt auf ein Moratorium der Staatsschulden. Aber es gibt auch weitere
Möglichkeiten, Gelder frei zu bekommen, ohne den Bürger und die Wirtschaft auch nur mit einem Cent zu belasten. Ich nenne hier die Auslandseinsätze der Bundeswehr, die sogenannten
Verteidigungsausgaben und das Milliardengrab EU. Übrigens, die Regierung von Ecuador hat ein solches Schuldenmoratorium beschlossen.
Welt im Blick: Im Jahr 2006 wirkten Sie an der Gründung der „Allianz Demokratischer Parteien und Organisationen“ mit, einem Zusammenschluß völlig unterschiedlich ausgerichteter Gruppierungen,
der mittlerweile einige seiner „Konkurrenzprojekte“, wie die Kleinparteien-Fusions-Bewegung „Perspektive“ überlebt hat. Einige der Gruppierungen in der „Allianz“ bezeichnen sich als
„humanistisch“, einige als unabhängig, links, Mitte-links, oder bürgerlich, andere wiederum als patriotisch oder neutralistisch. Wie kam es zum Zusammenschluß gerade dieser verschiedenen
Gruppierungen und ist es nicht schwer, hier einen gemeinsamen Nenner zu finden?
Hertrampf: Der Ausgangspunkt unserer Bemühungen war: Deutschland braucht eine starke demokratische Alternative. Das Fehlen einer solchen Alternative macht sich bei jeder Wahl
bemerkbar. Der Bürger sucht, aber er findet nicht das, was er sucht. Die kleinen demokratischen Oppositionsparteien sind ein Ausdruck dieser Unzufriedenheit. Jede dieser Parteien hat sich im
Verlaufe der Jahre auf ihre Weise profiliert und die Mitglieder haben selbstlos und mit Begeisterung gearbeitet. Die Zersplitterung zu überwinden, bei Erhaltung von Besonderheiten, ist eine
richtige Einsicht. Aber es hat sich gezeigt, ein bloßer Zusammenschluss ist nicht möglich. Die demokratische Opposition braucht ihr eigenes, neues politisches Konzept, welches nicht einfach die
Quintessenz aller bisherigen Vorstellungen ist. Ich möchte sagen, sie braucht ihre eigene Philosophie. Die demokratische Alternative für Deutschland ist eine Neuschöpfung. Sie ist ein
praktisch-geistiges Produkt, welches erarbeitet werden muss und nicht einfach übernommen werden kann. Und am besten dadurch, dass man an der politischen Auseinandersetzung unmittelbar
teilnimmt.
Welt im Blick: Was wären aus Ihrer Sicht die Kernforderungen für einen alternativen Entwicklungsweg Deutschlands?
Hertrampf: Ganz oben steht die politische Reform, mit dem Ziel, eine wirkliche Volkssou-veränität auf den Weg zu bringen. Dazu gehören: Einführung von Volksabstimmungen und
Volksbefragungen, Änderungen des Wahlgesetzes, politische Entmachtung der Parteien. Als nächstes ist die wirtschaftliche und gesellschaftliche Erneuerung zu nennen, mit einem vor-bildlichen
Bildungs- und Sozialwesen als Voraussetzung für eine hohe Leistungskraft unseres Volkes. Die vor uns liegende Erneuerung Deutschlands erfordert einen noch nie da gewesenen Leistungswillen und
eine noch nie da gewesene Schöpferkraft unseres Volkes. Und schließlich brauchen wir eine europa- und weltpolitische Neuausrichtung der deutschen Politik. Wir können nicht länger Vasallen der USA
sein. Wir wollen freie, solidarische und leistungsorientierte Beziehungen zu allen Völkern und Staaten.
Welt im Blick: Wird Ihrer Partei 2009 zu einer Wahl antreten?
Hertrampf: Unsere Partei hat sich vorgenommen, an der Landtagswahl in Sachsen teilzunehmen.
Welt im Blick: Wir danken Ihnen für dieses Interview.