2.10.2005. Kaum hat sich eine „Allparteienregierung“ der wichtigsten Rebellengruppen und der Regierung unter dem Präsidenten Joseph Kabila, der dieses Amt von seinem Vater 2001 geerbt hat,
zusammengefunden und es werden positive Nachrichten in Bezug auf die Vorbereitung der Wahlen Ende 2005 vermeldet, da gärt es schon wieder im rebellischen Osten des Landes: der vermutlich von
Ruanda finanzierte Tutsi-General Laurent Nkunda, der durch einige besonders grausame Massaker an der Zivilbevölkerung zu traurigem Ruhm kam, ruft zum Marsch auf die Hauptstadt Kinshasa auf, um
die seiner Meinung nach „korrupte“ Regierung zu stürzen. Derweil sind Teile der Regierungsarmee im Ostkongo zu den Rebellen übergelaufen, nachdem sie vorsorglich ihre loyalen Kameraden entwaffnet
hatten. Andere Teile der Armee ziehen plündernd durch das Land. Auf sie kann die Regierung auch nicht setzen.
Der Kongo ist reich an Bodenschätzen. Gold, Kupfer, Edelsteine und Coltanerz, welches für Handychips benötigt wird, hätten das Land zu einem wohlhabenden afrikanischen Staat machen können. Doch
sind alle Probleme hausgemacht? Immer wieder waren die Bodenschätze Grund für das Eingreifen fremder Mächte.
Schon der linke Unabhängigkeitspremier Patrice Lumumba war damit gescheitert, den Kongo zu einem einheitlichen Nationalstaat zu formen. Wenige Monate nach seiner Amtsübernahme 1960 wurde er auf
Betreiben des US-Günstlings und Armeechefs Mobutu und des von Belgien unterstützten Separatistenführers Moise Tschombé aus der Kupferprovinz Katanga umgebracht.
Der behäbige Staatspräsident Joseph Kasavubu blieb nur bis 1965 im Amt, weil er sich aus der Politik weitgehend heraushielt und jeden Konflikt scheute. In seiner Hilflosigkeit ernannte er 1963
sogar Moise Tschombé zum Premierminister.
Die nachfolgende 32-jährige nicht sonderlich brutale, aber maßlos korrupte Diktatur des Marschalls Mobutu Sese Seko mutet unter den heutigen Verhältnissen wie eine „goldene Ära“ an. Mobutu
bemerkte einmal, er wolle „nicht katholischer als der Papst sein“. Das äußerte sich (trotz US-Protektion) in der Verstaatlichung der belgischen Minen, in einer Kampagne der Afrikanisierung (aus
Kongo wurde Zaire, aus der Hauptstadt Leopoldville wurde Kinshasa) und in dem Ausbau der Beziehungen zu China. Zu guter Letzt erklärte Mobutu sein Opfer Lumumba zum Nationalhelden. Die
Instrumente zur Sicherung seiner Macht waren neben der Einheitspartei MPR, in der jeder Bürger automatisch bei Geburt (!) Mitglied wurde, das Militär und vor allem die viel effizienteren
ausländischen Söldnertruppen, die im Auftrag des Regimes alle Erhebungen niederschlugen. Die Verwaltung funktionierte wie „geschmiert“, denn die Korruption war allgegenwärtig. Er habe seinem Land
alles gegeben, also dürfe er sich auch alles nehmen, verkündete einstmals der Präsident (zeitweiliges Vermögen mind. 5 Mrd. US-Dollar ). Mobutu gehörte einem winzigen unbedeutenden Stamm an, war
also außen vor bei den Rivalitäten der großen Ethnien. Das Land verlotterte immer mehr, die persönliche Bereicherung des einzelnen schien die Staatsdoktrin zu sein. Aufmüpfige Günstlinge
disziplinierte der Präsident mit Luxusentzug, eine zivile Opposition, die sich in den 90iger Jahren bilden konnte wurde durch die von Mobutu betriebene Gründung weiterer Oppositionsparteien auf
ca. 400 Parteien zersplittert. Der Westen wünschte sich nun einen Neuanfang, die USA ließen Mobutu fallen und setzten auf den ehemals marxistischen Lumumba-Anhänger Laurent-Desiree Kabila. Gegen
dessen von den USA, Ruanda und Uganda aufgerüstete Truppen hatte die marode Mobutu-Armee keine Chance. Die Unterstützung von der angolanischen Rebellenarmee UNITA kam für den alten Marschall zu
spät.
Der neue Präsident Kabila entpuppte sich als noch mörderischer und als ebenso korrupt wie Mobutu. Bald überwarf er sich mit seinen Tutsi-Verbündeten aus Ruanda. Diese zogen sich wieder in den
Osten des Landes zurück und zettelten Rebellionen gegen die Zentralregierung in Kinshasa an. Als zur Unterstützung dieses Aufstandes reguläre Truppen aus Uganda und Ruanda (mit US-Billigung) in
den Kongo einfielen, rief Kabila Truppen aus Angola, Simbabwe und zeitweilig auch aus Namibia und dem Tschad zu Hilfe.
Die USA hatten bewußt auf Kabila gesetzt und nicht auf den relativ angesehenen Führer der zivilen Opposition unter Mobutu, Etienne Tshisekedi. Der greise Vorsitzende der Union für Demokratie und
Sozialen Fortschritt (UDPS) war Anfang der 90er Jahre kurzzeitig Regierungschefs einer oppositonellen Regierung, deren Reformbemühungen von Mobutu unterlaufen wurden. Diese Ereignisse, das
Scheitern der Regierungen von Lumumba, Tschombé und von Mobutus erstem Technokratenkabinett brachte die USA wohl zu der Einsicht, daß ein Demokrat nicht für den brodelnden und zerrissenen Kongo
taugt, sondern nur ein „big man“, ein Häuptlingspatriarch, dieses Problem meistern kann. Doch Kabila erwies nicht als US-Marionette, sondern verfolgte seine eigene Politik. Sein diktatorischer
Regierungsstil und seine Beratungsresistenz verschärften die Lage im Land. Es dauerte nicht lange, da wurde er von einem Leibwächter ermordet. Sein Adoptivsohn Joseph, ein ethnischer Tutsi, wurde
vom Militär ins Amt gehievt. Obwohl sich der zunächst vom Ausland belächelte Kabila jr. weitaus geschickter anstellte als sein Vater, gelang auch ihm – trotz des Abkommens mit den größten
Rebellenbewegungen – keine Befriedung des Landes.
Einige unbequeme Fragen muß man sich schon stellen.
Wenn also eine Demokratie im westlichen Stil nur schwer auf Afrika und ganz besonders auf die Demokratische Republik Kongo (DRK) übertragbar ist – so die Einschätzung auch von Peter
Scholl-Latour, welche Form der Herrschaft taugt dann für den Kongo? Eine weise Autokratie wie im Nachbarland Sambia unter dem Friedensfreund Kenneth Kaunda? Eine rigide Militärdiktatur wie unter
dem unbestechlichen Asketen Seyni Kountché in Niger?
Oder war am Ende, das korrupte Regime von „le guide“, dem Führer Mobutu, die einzige Möglichkeit diesen Vielvölkerstaat irgendwie mehr schlecht als recht zusammenzuhalten?
Und hätte nicht eine Demokratie größere Chancen, wenn die im Kongo engagierten Staaten sich wirklich um das Land und die Bevölkerung kümmern würden, statt nur raffgierig nach den Bodenschätzen zu
schielen? Um ihre Intervention auf Seiten von Kabila sr. zu bezahlen, wurde den Truppen aus Simbabwe und Angola Gelder und Rechte bei der Ausbeutung von Diamantenminen zugesichert. Zumindest
diese beiden Länder haben ein Interesse daran, das eine Regierung in Kinshasa noch lange auf sie angewiesen ist.
Die USA, die sich mit Ruanda und Uganda zwei neue Vasallen in Afrika herangezüchtet haben, betreiben die Ablösung der alten Hegemonialmacht in Afrika - Frankreich!
Viele Konflikte in Afrika sind bei genauerem Hinsehen, Konflikte zwischen Frankreich und den USA, Stellvertreterkriege also! Als Marc Ravalomanana in Madaskar 2002 den ehemaligen sozialistischen
und von Frankreich unterstützten Militärherrscher Didier Ratsiraka, der 1997 wieder auf demokratische Weise ins Amt zurückgewählt wurde, durch Straßenproteste stürzte. Oder als in der „kleinen“
Republik Kongo, dem Nachbarstaat der DRK der us-unterstützte und demokratisch gewählte Präsident Pascal Lissouba vom ehemaligen Militärherrscher Denis Sassou-Nguesso gestürzt wurde. Während die
Milizen des Präsidenten von einem US-Ölkonzern finanziell unterstützt wurden, bekam der ehemalige Präsident Hilfe von einem französischen Ölunternehmen und dem Nachbarland Gabun. Dessen Präsident
Omar Bongo ist mit Sassou-Nguesso verwandt und gilt als treuester Gefolgsmann Frankreichs in Afrika. Und wurde Mobutu nicht noch bis zum Schluß von Frankreich unterstützt, als die USA ihn schon
längst fallengelassen hatten? Über von Ruanda und Uganda unterstützte Rebellenbewegungen oder gar reguläre Truppen beider Staaten versuchen die USA nun Zugriff auf die Bodenschätze zu bekommen.
Kabila sr. hatte das Spiel durchschaut, doch er war unvorsichtig und nahm das gleiche Ende wie sein früheres Idol Lumumba.
Die Worte von Mobutu kurz vor seiner Flucht aus Zaire bekommen nun geradezu prophetischen Charakter: „Nach mir kommt das Chaos!“
Kay Hanisch
15.11.2005. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit fand in diesem Sommer wieder ein Machtwechsel in einem der unbedeutendsten afrikanischen Staaten statt. Selbst das Auswärtige Amt
der Bundesrepublik hat auf seinen Internetseiten nichts über die Präsidentenwahl vom 1.8.2005 berichtet. Deutschsprachige Quellen findet man im Internet zu diesem Thema schon gar nicht, dabei war
die Wahl keine gewöhnliche. Sie brachte den Befreiungskämpfer und langjährigen Autokraten Joao Bernardo Vieira, genannt „Nino“ auf demokratischem Wege zurück ins Amt.
Mit dem großen linken Unabhängigkeitskämpfer Amilcar Cabral und dessen Halbbruder Luis de Almeida Cabral kämpfte Viera in Guinea-Bissau seit den 60iger Jahren als Führer des militärischen
Widerstandes der Afrikanischen Partei für die Unabhängigkeit von Guinea und Cap Verde (PAIGC)
gegen die portugisische Kolonialmacht. 1973 wurde Amilcar Cabral von innerparteilichen Gegnern auf Betreiben des portugisischen Geheimdienstes ermordet. Die portugisische Revolutionsregierung
gewährte 1975 Guinea-Bissau und den Kapverden die Unabhängigkeit. Vieira, seit 1975 Verteidigungsminister und seit 1978 Premier beseitigte 1980 mit einem Militärputsch das autoritäre Regime von
Präsident Luis de Almeida Cabral. Als Präsident hatte Cabral außenpolitisch einen Kurs der Neutralität und Blockfreiheit verfolgt und galt als Freund Fidel Castros. Innenpolitisch dominierte
jedoch eine kapverdische Elite die PAIGC, die sowohl in Guinea-Bissau als auch im unabhängigen Kap Verde die Regierung stellte. Die gemeinsame Regierungspartei war als Vorstufe zu einer Union
beider Staaten zu sehen, Parteichef war der kapverdische Staatspräsident Aristides Pereira. Nach dem Putsch erfolgte die Spaltung in 2 unabhängige Parteien und Vieira verfolgte einen Sozialismus
der frei sein sollte von sowjetischen und chinesischen Einflüssen. Es gelang ihm, im Zuge dieser Politik einen von der UdSSR in Guinea-Bissau geplanten Flottenstützpunkt zu verhindern.
1991 wurde eine Demokratisierung eingeleitet und Vieira in freien Wahlen 1994 im Amt bestätigt. Die PAIGC erhielt 62 von 100 Mandaten. Im Juni 1998 erfolgte dann eine Armeerevolte unter Vieiras
Adoptivbruder General Ansumane Mané, mit dem Ziel den Präsidenten zu stürzen, da dieser den General wegen Waffenschmuggels entlassen hatte. Der Sturz Vieiras zog sich aber bis zum Mai 1999 hin,
da dieser von seiner 400 Mann starken Leibwache und Truppen aus den Nachbarstaaten Guinea und Senegal unterstützt wurde. Nachdem der Präsidentenpalast heruntergebrannt wurde, beantragte „Nino“
Asyl in Portugal.
Die nachfolgenden 6 Jahre waren gekennzeichnet von Chaos, häufigen Regierungswechseln, erfolgreichen und gescheiterten Putschen und administrativer Unfähigkeit. Auf Vieira folgte
Parlamentspräsident Malam Bacai Sanah (PAIGC), Oppositonsführer Kumba Yala von der Partei für Soziale Erneuerung (PRS) wurde am 28.11.1999 zum Präsidenten gewählt. Doch Yala erwies sich bald als
ebenso autoritär wie seine Vorgänger und zudem als unfähig das Land zu einen. Posten wurden mit Günstlingen des Präsidenten besetzt, Streitigkeiten mit dem liberalen Koalitionspartner, der
Guinea-Bissau-Widerstandsbewegung (RGB) führten zu Regierungsum-
bildungen. Zwei Armeeaufstände, einer davon unter General Mané, der dabei erschossen wurde, scheiterten.
Nachdem Yala am 14.9.2003 durch einen Militärputsch gestürzt und durch den Übergangspräsidenten Henrique Rosa ersetzt wurde, siegte bei den Parlamentswahlen auch wieder die PAIGC, die sich seit
1999 von Vieira emanzipiert hatte.
Am 7.4.2005 kehrte der ehemalige Befreiungskämpfer in sein Land zurück und kündigte an, als Unabhängiger zur Präsidentenwahl am 19.6.2005 anzutreten. Die Bevölkerung hatte die Wahl zwischen drei
Ex-Präsidenten: Malam Bacai Sanah (PAIGC) erhielt 35,3% der Stimmen, Kumba Yala (PRS) 25,7% und Vieira als Einzelkandidat 28,5%. Die Stichwahl gegen Sanah gewann er aber nur, weil sein
langjähriger Rivale, der Sozialist Yala, aufrief für den ehemaligen Autokraten zu stimmen, der die Versöhnung und die Überwindung der innerstaatlichen Spaltung zu seinem Hauptwahlkampfthema
gemacht hatte. Es bleibt abzuwarten, ob ihm die Stabilisierung eines der ärmsten Länder der Welt dauerhaft gelingen wird.
Kay Hanisch
17.11.2005. Es waren noch nicht einmal alle Stimmen ausgezählt, da wurde sie schon als Präsidentin gefeiert: Ellen Johnson-Sirleaf, die erste Frau an der Spitze eines afrikanischen Staates
und künftige Präsidentin Liberias. Nach der Auszählung von 97% der Stimmen kommt sie auf 59,4%, ihr unterlegener Rivale, der Weltfußballstar George Weah, kam auf etwa 40% der Stimmen. Schon
sprechen Mitglieder von Weahs Kongreß für Demokratischen Wandel (CDC) von Wahlbetrug und skandieren Parolen wie „No Weah! No Peace!“ In der Tat hatte sich der ehemalige Stürmer vom AC Mailand und
Weltfußballer des Jahres 1995 große Verdienste um die Wiedereingliederung von ehemaligen Kindersoldaten in die Gesellschaft des krisengebeutelten Landes gemacht. Auch flößte sein Reichtum
Vertrauen bei der armen Bevölkerung ein. Wer reich sei, so glaubten die meisten, habe es nicht nötig, sich zu weiter zu bereichern. Inzwischen hat Weah, der im ersten Wahlgang mit 28% führte, in
einem BBC-Interview Neuwahlen gefordert und erklärt, die Wahlkommission habe Stimmzettel zugunsten von Ellen Johnson-Sirleaf gefälscht. Weah rief die Bevölkerung zur Ruhe auf, nachdem UN-Truppen
protestierende Liberianer mit Tränengas auseinander getrieben hatten, kündigte aber eine Wahlanfechtung an.
Wahlfälschung oder nicht? Afrika ist bekannt dafür, daß seine unterlegenen Präsidentschaftsbewerber nicht gerade die besten Verlierer sind. Andererseits ist es kein Geheimnis, daß die ehemalige
Mitarbeiterin der Weltbank Johnson-Sirleaf dem IWF und dem Westen lieber ist, als der populistische George Weah, der kaum eine Schulbildung genossen hat, aus äußerst ärmlichen Verhältnissen
stammt und als Held der Jugend und Slumbewohner gilt.
Schon jetzt wird Ellen Johnson-Sirleaf, die der amerika-liberianischen Elite entstammt, als „Eiserne Lady“ gefeiert. Doch ist es das, was Liberia jetzt braucht?
Schon einmal hatte in Afrika ein Mitarbeiter der Weltbank und Afrikanischen Entwicklungsbank das Präsidentenamt übernommen. 1991 löste Nicéphoré Soglo in Benin den ehemaligen sozialistischen
Autokraten Mathieu Kérékou in der ersten demokratischen Wahl des Landes ab. Doch der als Reformer angetretene Soglo enttäuschte. Landauf, landab präsentierte er sich mit weißem Hut und weißen
Anzug im Dandy-Look, vermochte oder wollte die demokratischen Spielregeln aber genauso wenig wie sein Vorgänger einhalten und schien an den Sorgen und Nöten der Bevölkerung wenig Anteil zu
nehmen. Die Quittung kam 1996, als das Volk den zum Demokraten gewandelten Kérékou, der nicht umsonst den Spitznamen „das Chamäleon“ trug, wieder auf den Präsidentenstuhl wählte.
1820-22 wurden ehemalige Sklaven aus den USA an der afrikanischen Westküste ausgesetzt und gründeten 1847 die Republik Liberia. Diese Amerika-Liberianer bildeten eine Elite, die bis 1980 mit der
von einigen Dutzend Familien getragenen „True Whig Party“ das gesamte politische Geschehen in Liberia beherrschte und benahmen sich wie schwarze Kolonialherren. Während die neue Präsidentin
dieser oft geschmähten Oberschicht angehört, stammen die meisten Kindersoldaten, aber auch der Kandidat Weah aus den unterprivilegierten Schichten. Es ist unwahrscheinlich, daß diese Spaltung der
liberianischen Gesellschaft ohne tiefgreifende Reformen und Einbeziehung der bisher vernachlässigten Bevölkerungsteile zu überwinden ist.
Die 67-jährige Johnson-Sirleaf war zudem lange Zeit eine Gefolgsfrau des 2003 von der Macht vertriebenen Diktators und Warlords Charles Taylor, der mit seiner blutigen Herrschaft und der
Unterstützung für Rebellengruppen in den Nachbarstaaten (darunter eindeutige Terror-Armeen wie die berüchtigte RUF in Sierra Leone) Liberia zu einem Paria-Staat machte. Der ehemalige Tyrann sitzt
heute im nigerianischen Exil und läßt verlauten, daß er einige Kandidaten zur Präsidentenwahl steuere. Gehört Ellen Johnson-Sirleaf dazu? Zwar hatte sie sich mit Taylor recht bald überworfen und
gründete ihre „Einheitspartei“, aber heute wird sie von Jewel Taylor, der Ehefrau des Ex-Diktators unterstützt. Auch einem Tribunal zur Aufarbeitung der Diktatur steht die Präsidentin ablehnend
gegenüber, weil dadurch „alte Wunden aufgerissen werden“ würden. Die Gegner Taylors sammeln sich derweil hinter George Weah.
Einen Schritt in Richtung Versöhnung hatte Johnson-Sirleaf schon gemacht. Sie bot George Weah einen Posten in ihrer neuen Regierung an, bevorzugt als Minister für Jugend und Sport. Vermutlich
wäre dies das Ressort, in dem Weah noch die größte Kompetenz hätte, doch unter den gegebenen Umständen ist dieser unbedeutende Posten wohl eher eine Brüskierung des unterlegenen Kandidaten. Und
jemand mit dem Vermögen eines George Weah wird sich damit nicht „kaufen“ lassen.
Kay Hanisch
25.11.2005. Während die Welt auf die Präsidentenwahl in Liberia schaut, wurde ebenfalls in Westafrika eine weitere Präsidentenwahl - weitgehend unbemerkt von den Massenmedien –
durchgeführt.
In Burkina Faso siegte ein Mann, der das Präsidentenamt nur innehat, weil er 1987 seinen Amtsvorgänger und einen seiner besten Freunde in einem blutigen Putsch beseitigen ließ.
Blaise Compaoré wurde am 13.11.2005 mit 80,3% der Stimmen wiedergewählt. Natürlich erhob die Opposition einen bekannten Einwand - richtig! WAHLBETRUG!
Burkina Faso ist ein Land mit bewegter Vergangenheit. 1966 wurde der sechs Jahre zuvor nach der Unabhängigkeit an die Macht gekommene pro-französische Autokrat Maurice Yaméogo, der das Land als
Einparteienstaat führte, wegen seiner ruinösen Staatsführung durch einen Generalstreik und Massenproteste abgesetzt. Die Demonstranten setzten den populären Stabschef General Sangoulé Lamizana
als Staatschef ein, der das Land 14 Jahre einem gemäßigtem Militärregime mit mehreren Parteien und gewählten Regierungschefs unterwarf. Ab und zu entließ er den Premier und führte selbst die
Regierung für kurze Zeit. Nach dem er sich 1978 bei demokratischen Wahlen im Amt bestätigen ließ, wurde er zwei Jahre später durch einen unblutigen Militärputsch von Oberst Saye Zerbo gestürzt.
Dessen Regime wurde 1982 durch einen weiteren Putsch unter Jean Baptiste Ouedraogo beseitigt, dessen Regierung 1983 dem Putsch von Thomas Sankara und dem jetzigen Präsidenten Compaoré zum Opfer
fiel.
Abenteurer, Revolutionär, Staatsmann, Visionär. Das sind einige der Bezeichnungen, mit denen man den 33-jährigen Luftwaffenoffizier Capt. Thomas Sankara politisch einordnen kann. In den folgenden
Jahren seiner kurzen Regierungszeit avancierte er zum Hoffnungsträger und Idol der afrikanischen Jugend. Sankara versuchte „einen Sozialismus ohne Marx und Engels“, angepaßt an afrikanische
Verhältnisse, zu verwirklichen. Das Programm seiner Militärregierung konnte sich sehen lassen!
1984: Massenimpfung von 2,5 Mio. Kindern binnen15 Tagen.
1985: Programm zur Pflanzung von 10 Mio. Bäumen um das Ausbreiten der Wüste zu verhindern.
1987: Kampagne zur Alphabetisierung. Sankara, der auch als „Che Guevara Afrikas“ bezeichnet wird, machte das unbedeutende Land, daß damals noch Obervolta hieß, schlagartig bekannt in der Welt.
Die habgierigen Dorfchiefs wurden entmachtet, Tributpflicht und Kopfsteuer abgeschafft, korrupte Staatsbeamte wurden zu Enthaltsamkeit und Ehrlichkeit verpflichtet und zweimal in der Woche zu
Leibesübungen! Sankara ließ die Luxuslimousinen der Minister durch einfache Renault 5 ersetzen, der Präsident steuerte seinen Renault persönlich durch die Hauptstadt. Kurzum, beim einfachen Volk
war dieser unkonventionelle Draufgänger, der das Land in Burkina Faso (= „Land der aufrichtigen Menschen“) umbenannte, überaus beliebt, während er sich unter der alten Elite viele Feinde
machte.
Doch bereits 1987 wurde Sankara vom heutigen Präsidenten Blaise Compaoré, nach ihm die Nummer Zwei im regierenden „Rat der Nationalen Revolution“ (CNR), gestürzt und mit ca. 100 seiner Anhänger
ermordet. Von „abenteuerlicher Staatsführung“ Sankaras war die Rede in der Erklärung der Putschisten, doch vom Stigma des Präsidentenmordes konnte sich Compaoré nie lösen. Anders als Sankara
verfolgte er eine orthodox-marxistische Linie, wandelte sich aber ab 1991 zum Befürworter eines Mehrparteiensystems. Seitdem hat sich Burkina Faso stabil entwickelt, es gibt eine starke
Zivilgesellschaft und Gewerkschaften.
Die politische Opposition ist allerdings zersplittert und hat bisher keine Chance den Präsidenten abzulösen. Allein im Parlament sitzen mindestens 2 Parteien, die sich als Gralshüter von Sankaras
Idealen verstehen. Von den 14 Parlamentsparteien sind 10 an Compaorés Regierung beteiligt, obwohl sein Kongreß für die Demokratie und den Fortschritt (CDP) auch allein eine knappe
Regierungsmehrheit besitzt. Dies zeigt, daß die Versorgung der eigenen Mitglieder für viele Parteipolitiker leider mit im Vordergrund steht. Vor der Wahl im November schrieben viele
internationale Zeitungen, daß eine Ablösung Compaorés möglich wäre, wenn sich die Opposition auf einen gemeinsamen Kandidaten geeinigt hätte. Allerdings traten dann am 13.11.2005 sage und
schreibe 11 Gegenkandidaten an, von denen Bénéwendé Stanislaus Sankara von der Union für Renaissance/ Sankristische Bewegung (UNIR/MS) – übrigens ein Verwandter des staatlich geächteten, aber
immer noch politisch prägenden Ex-Präsidenten – mit 4,94% das beste Ergebnis einfuhr.
Die Vorwürfe des Wahlbetruges sind vorerst schwer nachzuprüfen, aber in die Trickkiste hat der Präsident dennoch massiv gegriffen. Die Verfassung erlaubt dem Präsidenten nämlich nur zwei
7-jährige Amtszeiten. Diese wären 2005 beendet gewesen. Durch eine Verfassungsänderung, die dem Präsidenten nur noch maximal zwei 5-jährige Amtsperioden zugesteht, ermöglichte Compaoré sich
weitere Jahre auf dem Präsidentenstuhl. Denn nach Meinung seiner Anhänger gilt die neue Verfassung nicht für die vergangen Amtsjahre des Präsidenten, was die Opposition bestreitet.
Burkina Faso ist heute ein Musterschüler von IWF und Weltbank, zum dritten Mal in Folge wurde demokratisch ein Parlament gewählt. Compaoré genießt derzeit das Vertrauen der Mehrheit der
Bevölkerung und ihm kommt das Verdienst zu, das Land stabilisiert zu haben, auch wenn viele der populären Regierungskampagnen (wie die gegen Überweidung oder die Beschneidung der Frauen), schon
in der Ära Sankara ersonnen wurden.
Kay Hanisch
1.12.2005. Als am 27.11.2005 die Präsidentenwahl in Gabun stattfand, rechnete jeder damit daß der Amtsinhaber, nach Fidel Castro immerhin der dienstälteste Präsident der Welt, im Amt
bestätigt werden würde. Deswegen war den meisten Zeitungen diese Tatsache nur eine kleine Meldung wert. So etwas ist für die Liberale Stimme natürlich kein Maßstab, sondern ein Grund sich mit dem
seit 38 Jahren regierenden Omar Bongo (69) , einen zum Islam konvertierten Krimi-Fan, einmal näher zu beschäftigen.
Nach der Unabhängigkeit Gabuns 1960 stieg Bongo, dessen Vorname damals noch Albert-Bernard lautete, unter dem pro-französischen Präsidenten Leon M´Ba in verschiedenen Ämtern auf. Gabun unterhielt
schon damals sehr enge Beziehungen zu Frankreich. 1964 wurde ein marxistischer Putsch des linken Politikers Jean-Hilaire Aubame nur mit Hilfe französischer Fallschirmjäger niedergeschlagen. Als
M´Ba, ein glühender Bewunderer Charles de Gaulles´, 1967 starb, hatte es Bongo bereits zu seinem Vizepräsidenten gebracht und übernahm das Präsidentenamt und verkündete ein Jahr später die
Errichtung eines Einparteiensystems unter der „Demokratischen Partei Gabuns“ (PDG). Obwohl Bongo in seiner politischen Anfangszeit eher links orientiert gewesen sein soll, übernahm er die
konservative und frankreichfreundliche Linie seines Vorgängers. In den folgenden Jahren stieg Gabun zur wichtigsten Stütze der französischen Politik in Afrika auf und galt als Treuester der
Treuen. Jacques Foccard, mehrere Jahrzehnte graue Eminenz der französischen Afrikapolitik und Afrikaberater von 3 französischen Präsidenten nutzte das Land für seine subversiven
Geheimdienstaktivitäten. So war zum Beispiel Gabun auch in den versuchten, aber gescheiterten Sturz des gemäßigten marxistischen Regimes von Mathieu Kérékou in Benin durch eine Invasion weißer
Söldner 1977 verwickelt.
In internationalen Geheimdienstkreisen sprach man von Gabun nur als „Foccard-Land“.
1973 trat Bongo zum Islam über und gab sich den Namen Omar. Dank größerer Erdölfunde und Bodenschätze wie Mangan, Uran und Eisenerz entwickelte sich die Urwaldrepublik wirtschaftlich stabil und
bescherte Gabun mit über 3.300 US-$ eine Zeitlang das höchste Pro-Kopf-Einkommen Schwarzafrikas. Solche Einnahmen ermöglichten Bongo gewisse soziale Wohltaten (erst kürzlich eröffnete eine Klinik
für kostenlose Aids-Behandlung).
Anfang der 80iger Jahre entwickelte sich mit der MORENA eine Oppositionsbewegung , die für ein Mehrparteiensystem eintrat. Nach einem 1989 mißglückten Putschversuch der Volksunion von Gabun (UPG)
und Massenstreiks wegen der vom IWF geforderten Sparpolitik leitete Bongo 1993 eine Demokratisierung und „freie“ Wahlen ein. Allerdings blieben Machtmittel wie die Medien in der Hand des
Bongo-Clans und die oft üblichen afrikanischen Gängeleien von politischen Gegnern sind auch in Gabun an der Tagesordnung. Die Präsidentengarde, die zahlenmäßig ein Drittel der Streitkräfte umfaßt
und unter dem Kommando eines französischen Legionärs steht, ist ein weiteres Mittel zur Absicherung von Bongos Herrschaft. Obwohl sich unter seiner Amtsführung das Land friedlich und stabil
entwickelte, kommt der Reichtum Gabuns nur einer kleinen Oberschicht zu Gute, während der Rest in Armut lebt. Dies ist um so schlimmer, da die Erdölvorkommen nur noch wenige Jahre reichen werden
und vernachlässigt wurde, andere Industrie- und Verarbeitungszweige aufzubauen. Mit der Nationalen Sammlungsbewegung der Holzfäller (RNB) erwuchs Bongo in den 90iger Jahren eine starke
Opposition.
Omar Bongo heiratete 1990 Edith Sassou-Nguesso, die Tochter seines kongolesischen Amtskollegen.
Nach wie vor dominiert die PDG Bongos das Parlament. Zur Wahl am 27.11.05 mußte er sich gegen vier Gegenkandidaten durchsetzen. Dies fiel nicht weiter schwer, da über 40 Parteien dem Präsidenten
ihre Unterstützung zugesagt hatten. Bongo versprach im Wahlkampf einen Monat kostenlos Wasser und Strom für 10.000 Familien und Schulgeldfreiheit für 2006.
Die Opposition hatte den Anti-Bongo-Slogan „40 Jahre sind genug!“ ausgegeben.
Bongo könnte es gelassen sehen. Ihm blieben ja dann noch zwei Jahre.
Ein genaues Endergebnis der Wahl lag den deutschen Medien nach einer halben Woche vor. Omar Bongo hatte mit 79,2% der Stimmen wie erwartet den Sieg davon getragen. Zweitplazierter wurde der
Oppositionspolitiker Pierre Mamboundou mit 13,8%, gefolgt von Zacharie Myboto (6,6%), einem langjährigen Verbündeten des Präsidenten, der kurz vor der Wahl Bongo seine Unterstützung zugesagt
hatte. Jacques Foccard – würde er noch leben – wäre entzückt gewesen.
Kay Hanisch
2.12.2005. Am 27.11. hatte die Bevölkerung von Honduras die Wahl zwischen den zwei Präsidentschaftskandidaten Manuel Zelaya (53) von der Liberalen Partei (PL) und
Porfirio Pepe Lobo (57) von der Nationalen Partei (PN). Auch eine Woche nach der Stimmenabgabe konnte noch nicht eindeutig festgestellt werden, welcher Kandidat, die Wahl gewonnen hat. Doch
spielt das überhaupt eine Rolle? Alle Präsidenten in der Geschichte von Honduras waren entweder Mitglieder der Liberalen oder der Nationalen Partei. Inhaltlich haben diese beiden Parteien wenig
zu bieten und unterscheiden sich programmatisch kaum. Honduras, war im 20. Jahrhundert der Inbegriff einer sogenannten „Bananenrepublik“ und auch heute noch sind die USA ein bestimmender Faktor
in der honduranischen Politik.
Zwischen 1900 und 1925 marschierten die Vereinigten Staaten sechsmal in Honduras ein, um ihre Interessen und die der großen Bananengesellschaften durchzusetzen. Zur mächtigsten dieser
Gesellschaften entwickelte sich die United Fruit Company (später Chiquita). Sie diktierte nicht nur den honduranischen Regierungen ihren Willen, sondern besaß auch einen Großteil des fruchtbaren
Landes und des Eisenbahnnetzes. Die Bananengesellschaften und die USA scheuten sich im Zuge ihrer Hegemonialpolitik nicht, auch brutale Diktatoren, wie Tiburcio Carias Andino (1933-48) zu
unterstützen, der Demonstrationen mit Heckenschützen zusammenschießen ließ. Nach der Diktatur Andinos wechselten sich zivile und militärische Führer an der Staatsspitze ab. 1957 gelangte der
fortschrittlich-liberale Rámon Villeda Morales (PL) durch Wahlen an die Macht. Er schuf wesentliche Institutionen des heutigen Staates wie u.a. das Arbeitsrecht, die Sozialversicherung und die
Verordnungen zur Anerkennung von Gewerkschaften und Genossenschaften. Als er dann auch noch eine Landreform in Angriff nehmen wollte, um die extreme Ungleichverteilung des Landes zu beseitigen
wurde er 1963 durch einen us-unterstützten Militärputsch unter Oberst Oswaldo Lopez Arrellano gestürzt. Lopez Arrellano gilt bis heute als umstrittene Figur der honduranischen Politik. Mit dem
Parteibuch der Nationalen Partei ausgestattet, genoß er das Vertrauen der USA und hielt gleichzeitig bei den Bananenkonzernen die Hand auf. In seine Regierungszeit (1963-71 und 1972-75) fiel auch
der Orkan Fifi. Lopez Arrellano war eine schillernde Mischung aus skrupellosem Caudillo und fortschrittlichen Populisten. Er bereicherte sich an den Hilfsgeldern für die Orkan-Opfer, berief aber
auch eine Regierung aus Reformmilitärs, die die erste echte Landreform in Honduras verwirklichten und den Bananengesellschaften bescheidene Exportsteuern auf die Bananen abpreßten, um
Investitionen im Land durchführen zu können.
Seit Anfang der 80iger Jahre wurde eine Demokratisierung eingeleitet und die von PN und PL gestellten Präsidenten waren nun Zivilisten. Während die PN eine national-konservative Linie verfolgt
und als Partei des Militärs, der Kirche und der Großgrundbesitzer gilt, ist die liberal-konservative PL, in der es mehrere sich bekämpfende Flügel gibt, die Partei des Großbürgertums. 1994
gelangte mit dem Menschenrechtler Carlos Roberto Reina bis 1998 ein Vertreter des linken PL-Flügels an die Staatsspitze, der die Wehrpflicht abschaffte.
Im Gegensatz zu den konservativ geprägten Nachbarstaaten El Salvador und Guatemala, ist in Honduras der auch von Staatsgründer Francisco Morazán vertretene Liberalismus die bestimmende Ideologie.
Bauern-, Gewerkschafts- und Menschenrechtsrechtsorganisationen sind jeweils die stärksten in Mittelamerika und in Honduras setzt man zuerst immer auf Verhandlungen. Das neben Nicaragua ärmste
Land Mittelamerikas wurde von den USA als Bollwerk gegen Sozialismus und Sandinismus militärisch aufgerüstet und unterhält deshalb heute auch die schlagkräftigste Luftwaffe Mittelamerikas.
Die beiden Kandidaten Zelaya und Lobo unterscheiden sich nur um Nuancen. Beide unterstützen den neoliberalen Kurs des scheidenden Präsidenten Ricardo Maduro (PN) und setzen sich für die von den
USA geforderte amerikanische Freihandelszone Cafta ein, die von vielen lateinamerikanischen Ländern - allen voran Venezuela - abgelehnt wird. Die ärmeren Bevölkerungsschichten werden davon nicht
profitieren, sondern nur weiter verarmen. Beide Kandidaten haben auch Hunderttausende von neuen Arbeitsplätzen und ein kompromißloses Vorgehen gegen die jugendlichen Straßenbanden (Maras), die
allmählich zur größten Bedrohung des Staates werden, versprochen.
Manuel Zelaya hatte sich mit Anfang der Woche mit 50,8% der Stimmen zum Wahlsieger ausgerufen, sein nationaler Kontrahent Porfirio Pepe Lobo bekam 45,2% der Stimmen. Juan Almendares von der
linken UD erhielt 1,72%, der Christdemokrat Juan Ramón Martinez bekam 1,35% und Carlos Sosa Coello von der sozialliberalen Partei der Innovation und Nationalen Einheit (PINU) mußte sich mit 0,2%
zufrieden geben. Nach wie vor sind die beiden alten Staatsparteien durch ihre Klientelwirtschaft in der Bevölkerung stark verankert und belegen auch im Parlament ca. 90% der Sitze.
Wahlkampf ist in Honduras auch immer ein bisschen eine Farce. Wenn es in der Provinz an etwas fehlt, zum Beispiel an Zement, bringt der Kandidat auf seiner Tour einfach etwas davon mit, um sich
beliebt zu machen.
Die derzeitigen Wahlergebnisse ändern sich fast von Tag zu Tag. Lobo bestreitet noch den Sieg von Zelaya. Mit einem endgültigen Ergebnis wird erst in einer knappen Woche gerechnet. Man hofft
natürlich, daß der gemäßigtere Zelaya, der zumindest die Wiedereinführung der Todesstrafe ausschließt, das Rennen macht. Aber ändern wird sich für die Bevölkerung nicht wirklich etwas. 64% der
Haushalte leben in Armut, 47% gelten als „extrem arm“ und müssen mit weniger als einem Dollar täglich auskommen. Beide Kandidaten stehen für ein wirtschaftliches und gesellschaftliches
„weiter so“! Zelaya oder Lobo – für die meisten ist das nur die Wahl zwischen Pest oder Cholera.
Kay Hanisch
12.1.2006. Als am 14.12.2005 Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Tansania stattfanden, wählte die Bevölkerung in einer traditionellen Loyalität den Kandidaten
Jakaya Kikwete (55) der ewigen Regierungspartei CCM (Partei der Revolution). Auch nach der Einführung eines Mehrparteiensystems, behielt die von Staatsgründer Julius Nyerere 1977 aus der
Tanganjika African National Union (TANU) und ihrem Gegenstück aus Sansibar, der “Afro-Shirazi Party” (ASP) gegründete basisdemokratisch angehauchte CCM ihre dominante Stellung im Land bei.
Im Jahr 1962 führte Julius Nyerere Tanganjika in die Unabhängigkeit, zwei Jahre später schloß sich das Festland mit der arabisch besiedelten Insel Sansibar und ihren Nebeninseln zur Vereinigten
Republik von Tansania zusammen. Unter Nyerere begab sich das Land auf einen eigenständigen afrikanisch inspirierten Weg des Sozialismus. Dieses Modell, der sogenannte „Ujamaa-Sozialimus“,
scheitert aber an den Realitäten. Die weitverstreuten Bauern wurden in neuen Großkommunen, sogenannten Ujamaa-Dörfern zusammengeschlossen. Dies sollte eine effektivere Bewirtschaftung des Bodens
und eine bessere Versorgung der Bevölkerung mit Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen sicherstellen. Heute sind die Ujammaa-Dörfer meist verlassen, da der karge Boden sich für eine intensive
Bewirtschaftung gar nicht eignete. Ähnlich wie sein enger Freund Kenneth Kaunda in Sambia spielte Nyerere als Stimme der Dritten Welt eine wichtige Rolle auf dem internationalen Parkett, blieb
jedoch mit seinem Ujamaa-Sozialismus wirtschaftlich genauso erfolglos wie Kaunda mit seinem ähnlich gearteten „Sambischen Humanismus“. Die moderate Politik der beiden Autokraten hat aber beiden
Ländern bis heute eine starke Zivilgesellschaft und geringe ethnische Konflikte beschert. Aufgrund des Versagens der Ujamaa-Ideologie und ersten Unmutsbekundungen aus der Bevölkerung, beschloß
Nyerere 1985 nicht mehr als Präsident anzutreten, behielt aber bis 1990 als Parteivorsitzender noch die Fäden in der Hand. Von 1985-95 führte der aus Sansibar stammende Ali Hassan Mwinyi (CCM)
den Staat. Zwar leitete er den Übergang zum Mehrparteiensystem ein, doch nahm die Korruption unter ihm dramatisch zu. Deshalb trat der neue Präsident Benjamin Mkapa (ebenfalls CCM) als Saubermann
gegen die Korruption an. Die Amtszeit des Präsidenten war auf zwei fünfjährige Legislaturperioden begrenzt wurden und die Vereinigte Bürgerfront (CIVIC), die Partei für Demokratie und Entwicklung
(Chadema) und der Nationale Konvent für Aufbau und Reform (NCCR) etablierten sich als wichtigste Oppositionskräfte im Parlament. Der CCM verdanken die Tansanier ein stabiles Land seit der
Unabhängigkeit und auch Nyereres Erfolge im Bildungs- und Gesundheitssektor konnten sich in Afrika sehen lassen, auch wenn durch die vom IWF geforderte Sparpolitik diese Errungenschaften heute
wieder in Frage stehen. Nach wie vor stellt sich die CCM dem Volk als Stabilitätsfaktor und Friedensgarant dar.
So war die Wahl von Jakaya Kikwete mit 80,1% der Stimmen keine Überraschung. Auf dem zweiten Platz landete mit 11,6% Ibrahim Lipumba von der CIVIC, der man eine angeblich pro-islamische Haltung
nachsagt. Freeman Mbowi, Kandidat der Chadema, erhielt 5,9% der Stimmen.
Zur Parlamentswahl traten immerhin 17 Parteien an. Doch von den 232 zu vergebenden Sitzen fielen 206 an die CCM und nur 19 an die CIVIC. Sieben weitere Sitze teilen sich drei kleinere Parteien
darunter die Chadema. Von der üblichen Kritik, z.B. dem fehlenden gleichberechtigten Zugang der Opposition zu den Medien (der ja auch in Deutschland nicht gewährleistet ist) etc. einmal
abgesehen, soll es laut Beobachtern keine größeren Unregelmäßigkeiten bei der Wahl gegeben haben. Jakaya, der unter Mkapa Außenminister war, wurde während seiner gesamten politischen Laufbahn
immer wieder mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert. Der neue Präsident möchte sein Land nun modernisieren und plant u.a. den Forschungsetat drastisch zu erhöhen.
Kay Hanisch
13.2.2006. Schon bevor die Wahl gelaufen war, gab es einen klaren Favoriten für das Amt des Staatspräsidenten in dem gebeutelten Karibikstaat Haiti: René Preval, der
dieses Amt bereits von 1996-2001 innehatte. Der 63-jährige Agraringenieur gilt als enger Vertauter des 2004 gestürzten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide. Nachdem die UNO versucht hat, mit einer
Militärintervention Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nach Haiti zu bringen, muß sie nun erkennen, daß sie gescheitert ist. Nach wie vor beherrschen bewaffnete Banden das Land. In viele
Elendsviertel von Port-au- Prince wagen sich die UN-Truppen der MINUSTAH bis heute nicht. Die Wahl ist eine willkommene Gelegenheit für die UNO, die Verantwortung auf eine neue Regierung
abzuwälzen.
Haiti ist ein Trümmerhaufen. Bereits 1804 erklärte es sich für unabhängig, mußte aber extrem hohe „Entschädigungszahlungen“ an die französische Kolonialmacht zahlen. Damit ist schon der
Grundstein für die heutige Rückständigkeit des Landes gelegt worden. Wegen Brennstoffmangels wurden später die Wälder abgeholzt, was zur Erosion führte. Niedrige Ernteerträge und Schlammlawinen
nach Regenfällen sind dadurch an der Tagesordnung. Kein Land in Amerika (außer eventuell Bolivien) hat derart viele Unruhen, Umstürze und Instabilität erlebt wie Haiti. Erst die blutrünstige
Voodoo-Diktatur des Duvallier-Clans (1957-86) brachte eine gewisse Stabilität, setzte den wirtschaftlichen Niedergang des Landes aber weiter fort. Nach kurzen Intermezzos ziviler und
militärischer Herrscher wurde 1991 in den ersten freien Wahlen der Armenpriester Jean-Bertrand Aristide, ein Anhänger der linken Befreiungstheologie, zum Präsidenten gewählt. Damals unterstützte
ihn ein Bündnis linker Splitterparteien und seine Wahlhilfe-Bewegung Lavalas („Die Lawine“). Als Aristide die Menschenrechtsverletzungen der Duvallier-Diktatur aufarbeiten will und gegen die
Korruption vorgeht, stürzt ihn das Militär unter Generalleutnant Raoul Cédras nach acht Monaten. Unter dem Druck der USA übergibt Cédras aber 1994 wieder die Amtsgeschäfte an Aristide, der schon
bald von seinen hehren demokratischen Zielen Abstand nimmt. Da die Verfassung die unmittelbare Wiederwahl des Präsidenten verbietet, trat 1996 der Aristide-Anhänger René Preval das Amt an. Obwohl
er zum Schluß per Dekret regierte und man ihm auch autoritäres Gebaren vorwarf, kann er mit einer Superlative aufwarten: er ist der erste demokratisch gewählte Präsident Haitis seit 1804, der
seine Amtszeit ordnungsgemäß beendet und überlebt hat. Preval fand nach der Spaltung der Lavalas-Bewegung in die Lavalas-Familie (FL) unter Aristide und in die regierende Partei „Politische
Organisation Lavalas“ (OPL), der er selbst angehörte, in seiner eigenen Partei keinen richtigen Rückhalt mehr. Die nächste Wahl gewann wieder der Volkstribun Aristide, der nun vom Armenpriester
zum Multimillionär wurde. Um nicht noch einmal vom Militär gestürzt zu werden, hatte Aristide es kurzerhand abgeschafft. In den Elendsvierteln regierten die „Chiméres“, Milizen, die sich aus
seinen Anhängern rekrutierten und Gegner des Präsidenten bevorzugt beseitigten, in dem sie ihnen brennende Autoreifen um den Hals hingen. Erinnerungen an die Milizen der Duvalliers, die Tonton
Macoutés, wurden wach. Anfang 2004 begannen zahlreiche in der Demokratischen Konvergenz (CD) zusammengeschlossene Gruppierungen mit Demonstrationen gegen die autoritäre und korrupte
Staatsführung, der Ex-Soldat Guy Phillippe hob mit anderen ehemaligen Militärs eine Widerstandfront aus der Taufe und lieferte sich blutige Gefechte mit den „Chiméres“. Wenige Monate später floh
Aristide ins südafrikanische Exil und die UN installierten eine Übergangsregierung unter Gérard Latortue, der größtenteils in den USA gelebt hatte und nicht in der Lage war, das Land unter
Kontrolle zu bekommen. (Nach der Wahl möchte der entnervte Latortue übigens schnell wieder nach Florida ausreisen.)
Die karibischen Staaten beteiligten sich übrigens nicht an der UN-Truppe. Jamaikas Premier Percival Patterson erklärte, damit wolle man darüber seinen Protest ausdrücken, daß die USA und
Frankreich beim Sturz von Aristide im Hintergrund die Fäden gezogen haben.
Für viele Haitianer gilt René Preval politisch gesehen als „kleiner Bruder“ von Aristide. Doch er hat den Rückhalt der Elendsviertel in Haiti und gegen die kann kein Präsident in diesem Land
regieren. Auch ist wohl nicht vergessen, daß unter seiner Regierung Schulen und Straßen gebaut wurden. Preval stärkte die Anbindung an die USA und Europa, nahm aber gleichzeitig wieder
Beziehungen zu Kuba und zur benachbarten Dominikanischen Republik auf. Auch in den Korruptionssumpf hatte sich Preval nicht so sehr verstrickt wie seine Vorgänger.
Zur Wahl trat er mit seiner neuen Partei Lespwa („Hoffnung“) an. Ob er sich wirklich von Aristide emanzipiert hat, bleibt abzuwarten.
Bei einer Wahlbeteiligung von 63% hat Preval 49,6% der Stimmen erhalten und wird wohl zu einer Stichwahl am 19. März gegen den 75-jährigen Hochschulprofessor Leslie Manigat antreten, der mit
11,6% auf Platz 2 kam. Der christdemokratisch orientierte Manigat war 1988 zum Präsidenten gewählt worden, wurde aber nur fünf Monate später wieder vom Militär gestürzt.
Den dritten Platz von über 30 weitgehend unbekannten Kandidaten belegte mit 8,1% Charles Henry Baker, der einzige „Weiße“ im Rennen um den Präsidentenstuhl, der unter dem Slogan „Ordnung,
Disziplin, Arbeit“ antrat.
Kay Hanisch
Die Wahlen in Costa Rica
2.3.2006. Es hätte eigentlich alles längst gelaufen sein können. Schließlich war die Wahl bereits am 5.Februar 2006. Doch diesmal war einiges anders. Nicht nur, daß als Favorit ein
ehemaliger Staatspräsident antrat, der zudem noch Träger des Friedensnobelpreises ist und das man für seine Kandidatur auch noch die Verfassung ändern mußte. Nein, auch das traditionelle
Zwei-Parteien-System Costa Ricas könnte endgültig der Geschichte angehören.
Costa Rica galt lange Zeit als „Schweiz Mittelamerikas“. Demokratisch, offiziell neutral und wirtschaftlich und politisch stabil. Der Vater der modernen costaricanischen Demokratie war der
Sozialdemokrat José Figueres Ferrer, der in den 40iger Jahren eine „Karibische Legion“ zum Sturz der Diktaturen Mittelamerikas anführte. Zu den ersten Amtshandlungen seiner Präsidentschaft
(1948/49, 1953-58 und 1970-74) gehörte die Abschaffung des Militärs.
In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich ein stabiles Zwei-Parteien-System um die Partei der Nationalen Befreiung (PLN) und die Vereinigte Christlich-Soziale Partei (PUSC).
Obwohl offiziell neutral geriet Costa Rica in den 80iger Jahren immer mehr in den Strudel des Guerilla-Krieges der rechten Contras gegen die sandinistische Regierung in Nicaragua. Die Terroristen
nutzten das Land als Basis gegen Nicaragua, wozu nicht zuletzt der Druck der US-Administration auf die costaricanische Regierung beitrug. Erst mit dem Amtsantritt von
Oscar Arias Sanchez (1986-90) von der PLN bezog ein Präsident deutlich Stellung gegen die US-Aktivitäten im Nachbarland.
Im Laufe seiner Amtszeit entwickelte der neue Präsident den nach ihm benannten Arias-Plan, der eine Befriedung und Demokratisierung Mittelamerikas vorsah. Mit seinem liberalen Amtskollegen José
Azcona del Hoyo von Honduras, dem sandinistischen Präsidenten Daniel Ortega (Nicaragua) und ihren Kollegen aus El Salvador und Guatemala unterzeichnete Arias am 7. August 1987 das Abkommen, daß
ihm den Friedensnobelpreis einbrachte. Als Arias 1990 sein Amt abgeben mußte, da die Verfassung eine unmittelbare Wiederwahl verbot, hinterließ er zudem eine glänzende Wirtschaftsbilanz.
Das politische Geschehen wurden in den folgenden Jahren zunehmend dominiert von der christlich-sozialen PUSC und der sozialdemokratischen PLN. Da sich die beiden Parteien jedoch ganz dem
„neoliberalen Trend“ in den 90iger Jahren hingaben und Punkte wie Armutsbekämpfung und Bildung im Zuge des Schuldenabbaus vernachlässigten, führte dies zum Austritt des
Wirtschaftswissenschaftlers Ottón Solís (51) aus der PLN. Solís, der sich als „sozialdemokratischen Fundamentalisten“ bezeichnet, gründete kurz vor der Wahl 2002 die linksbürgerliche Partei der
Bürgeraktion (PAC), die Front machte gegen Korruption, Vetternwirtschaft und Politikverdrossenheit. Mit diesen Themen wurde die PAC bereits bei der Wahl 2002 zum Shooting-Star und erhielt auf
Anhieb 14 von 57 Sitzen. Die Traditionsparteien PLN und PUSC verloren dramatisch an Sympathien in der Bevölkerung, da sie von Korruptionsvorwürfen umgeben waren und drei ihrer Ex-Präsidenten
wegen eben dieser Vorwürfe unter Anklage standen.
Die Chancen auf einen Wahlsieg standen für beide Altparteien schlecht. Deswegen nominierte die PLN den Millionär Arias, der dem rechten Flügel der Partei angehört, als Präsidentschaftskandidaten.
Der international angesehene Politiker soll etwas vom früheren Glanz des „alten“ Costa Ricas - inkl. Sozialstaat und demokratische Vorreiterrolle – in Wahlkampf bringen. Doch Arias wirkte während
der Wahlschlacht müde und ausgebrannt – und bezeichnete seinen Herausforderer Solís schon mal öffentlich als „Taliban“ – was immer das auch bedeuten sollte.
Bei der Wahl am 5. Februar traten neben Arias (40,5%) und Solís (40,3%) auch noch Otto Guevara von der marktradikalen „Libertären Bewegung“ ML (8,4%) und Ricardo Toledo von der
christlich-sozialen PUSC (3,4%) an. Während Guevara bereits 2002 schon für das Präsidentenamt kandidiert hatte, scheiterte der Versuch der regierenden PUSC des scheidenden Präsidenten Abel
Pacheco de la Espriella, den Präsidentenstuhl mit einem Parteigenossen zu besetzen kläglich. Auch einige Abweichler beteiligten sich am Run auf das höchste Staatsamt: José Miguel Corrales von der
linken Patriotischen Union UP, die sich von der PAC abgespalten hatte und Antonio Alvarez von der Union für den Wechsel (UPC), der aus der PLN wegen der Kandidatur von Arias ausgetreten
war.
Bei der gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahl erlitt die Regierungspartei eine herbe Niederlage. Die PUSC bekam nur noch 4 Mandate und landete noch hinter der kleinen libertären ML (6
Sitze). Die Gewinner der Wahl waren die vom Arias-Bonus zehrende PLN mit 25 Sitzen und die PAC, die 18 Mandate erhielt und damit das traditionelle Zweiparteiensystem fürs erste ausgehebelt hatte.
Weitere 4 Mandate erhielten die kleineren Parteien.
Die Anhänger von Ottón Solís wollten den knappen Sieg von Arias nicht anerkennen. Um Unruhen vorzubeugen wurden die Stimmzettel noch einmal von Hand ausgezählt, doch der Trend eines knappen
Sieges von Arias wurde bestätigt: Mit nur 18.000 Stimmen Vorsprung siegte er nun seit letzter Woche offiziell über seinen Herausforderer Solís, der den Sieg seines früheren Parteifreundes
anerkannte.
Beide Politiker sind übrigens für das amerikanische Freihandelsabkommen CAFTA. Im Unterschied zu Arias wollte Solís aber eine Volksabstimmung über den Beitritt durchführen lassen. Fest steht, daß
Oscar Arias Sanchez gewählt wurde, weil das Volk mit seiner ersten Präsidentschaft eine „goldene Ära“ des Landes in Verbindung bringt. Nun muß er in der Praxis beweisen, daß er das Land auch
unter wirtschaftlich schwierigen Bedingungen erfolgreich lenken kann.
Kay Hanisch
Kérékou geht in Rente
18.3.2006. Bevor Mathieu Kérékou 1972 die Macht übernahm, stand das Land am Rand der sprichwörtlichen Unregierbarkeit. Schon vor der Unabhängigkeit bildeten sich um die drei führenden
Politiker Hubert Maga, Sourou Migan Apithy und Justin Ahomadegbé drei Parteien, die sich hauptsächlich an den Regionalinteressen einzelner Stämme orientierten.
Erster Staatspräsident Dahomeys wurde 1960 Hubert Maga, der bereits drei Jahre später vom Militär unter Oberst Cristophe Soglo gestürzt wurde, da er sich mit Vizepräsident Apithy einen Machtkampf
geliefert hatte. Soglo setze eine Regierung ein, der alle drei rivalisierenden Politiker angehörten, übernahm aber nach deren Scheitern 1965-67 selbst die Regierung. Auf Soglo folgte der
Putschist Émile Zinsou (1968-69), der dem Putsch von Maurice Kouandéte (1969-70) zum Opfer fiel. Nach den Wahlen 1970 übernahm ein „Dreierrat“ mit Maga, Apithy und Ahomadegbé die Macht.
Erst der Militärputsch von Mathieu Kérékou konnte den Teufelskreis aus Chaos, Parteiengezänk und Rivalitäten beenden und das Land stabilisieren. Kérékou errichtete eine Linksdiktatur, verfügte
über die Auflösung aller politischen und gesellschaftlichen Organisationen und über die Verstaatlichung von Banken und Schlüsselindustrien. Das Land wurde von Dahomey in Volksrepublik Benin
umbenannt. 1974 erhob der Präsident den Marxismus-Leninismus zur politischen Leitlinie, doch dies diente nur als Fassade, um an Hilfe aus dem Ostblock zu gelangen. Die Privatwirtschaft blieb
faktisch unangetastet und ein gewisser Schlendrian prägte die Formel vom „Laxismus-Beninismus“.
1975 gründete Kérékou die Partei der Volksrevolution von Benin (PRPB). Die Einheitspartei PRPB war aber nur eine Kaderorganisation mit höchstens 2.000 Mitgliedern. Zwei Jahre später gelang es
Kérékou, einen von Frankreich, Togo und Gabun unterstützten Putschversuch des legendären Söldnerführers Bob Denard zu vereiteln.
Doch ab Mitte der 80iger Jahre erkannte auch die Regierung Kérékou, daß das Land wirtschaftlich am Boden war und beugte sich dem Diktat des IWF und führte harte Sparmaßnahmen durch. Aus dem
Laxisten-Beninisten Kérékou wurde ein – wie man heute sagt - „Neoliberaler“. Die zweite Wandlung folgte: Auf Druck der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich, die Benin großzügig mit
Entwicklungshilfe bedachte, leitete Kérékou eine kontrollierte Demokratisierung ein. Benin wurde zum Versuchskaninchen. An der Einberufung einer „Nationalen Konferenz“ nahmen unter Leitung des
katholischen Erzbischofs De Souza mehr als 70 politische Gruppen, Minister, zurückgekehrte Exilanten, aus dem Gefängnis freigelassene Oppositionelle, Voodoo-Priester und frühere Präsidenten teil.
Die ca. 500 Teilnehmer erklärten sich zur „souveränen“ verfassungsgebenden Versammlung, reduzierten die Vollmachten des Präsidenten auf repräsentative Aufgaben und die Medien legten eigenmächtig
ihren Maulkorb ab. Kurzzeitig schwirrten Putschgerüchte des alten Regimes im Land umher, aber angesichts des aufmüpfigen Volkes, stellte sich Kérékou einer Demokratisierung nicht in den Weg. Aus
dem Diktator war ein Demokrat geworden.
Benin hatte Vorbildcharakter: In zahlreichen ehemaligen französischen Kolonien, wie z.B. in Niger, Elfenbeinküste oder Gabun leiteten „Nationale Konferenzen“ eine Wende zur Demokratie ein.
Im Jahr 1991 fanden freie Wahlen statt. Mathieu Kérékou unterlag dem Kandiaten der Demokratisierungsbewegung, Nicéphore Soglo, der von der Nationalen Konferenz als Übergangspremier eingesetzt
worden war. Soglo, ein Neffe und früherer Wirtschaftsminister von Militärherrscher Cristophe Soglo, der später für die Weltbank und die afrikanische Entwicklungsbank gearbeitet hatte, hielt sich
zur Steigerung der Wirtschaftsleistung Benins strikt an die Auflagen von IWF und Weltbank. Seine rigorosen Sparmaßnahmen führten aber zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und zur weiteren
Verarmung der Landbevölkerung, während sein selbstherrlicher Regierungsstil Zweifel an seiner demokratischen Gesinnung aufkommen ließ. So war es nicht verwunderlich, daß er bei den
Präsidentschaftswahlen 1996 von Mathieu Kérékou, der in diesem Wahlkampf unter dem passenden Symbol des Chamäleons antrat, geschlagen wurde. Der parteilose Kérékou hatte inzwischen eine weitere
Wandlung durchgemacht: Aus dem Marxisten war ein Moslem geworden, der vor Beginn des Wahlkampfs zum Katholizismus konvertierte.
Im Jahre 2001 konnte das Chamäleon Kérékou, der vom Parteienbündnis „Mouvance Présidentielle“ unterstützt wurde, wieder eine Präsidentschaftswahl für sich entscheiden. 2006 ist ihm ein
Wahlantritt nicht mehr gestattet, da ein Präsident nach der Verfassung nicht älter als 70 Jahre sein darf. Im Gegensatz zu vielen anderen afrikanischen Staatsoberhäuptern (wie zum Beispiel
Ugandas Präsident Yoweri Museveni) hatte der 72-jährige Kérékou darauf verzichtet, die Verfassung zu ändern, um länger an der Macht bleiben zu können. Sein Hauptkonkurrent Nicéphore Soglo war
inzwischen verstorben, doch zwei Söhne des Ex-Präsidenten gingen als Außenseiter unter den 26 Kandiadten am 5. März in das Rennen um die Präsidentschaft: Galiou Soglo als Unabhängiger und Lehady
Soglo als Kandidat der Partei „Benins Wiedergeburt“ (RB). Weit mehr Chancen wurden dem ehemaligen Premier und Parlamentschef Adrien Houngbédji, der Vorsitzender der regierungstreuen Partei der
Demokratischen Erneuerung (PRD) ist und dem parteilosen Ex-Präsidenten der Afrikanischen Entwicklungsbank, Yayi Boni eingeräumt. Neben den beiden trat der Vorsitzende der Sozialdemokratischen
Partei PSD, Bruno Amoussou als aussichtsreicher Kandidat an. Amoussou war trotz geringer Stimmenzahl 2001 gegen Kérékou in die Stichwahl „geraten“, da alle anderen Bewerber ihre Kandidatur wegen
angeblicher Wahlmanipulation zurückgezogen hatten.
Nach der Stimmenauszählung der Wahl vom 5. März hatte Yayi Boni mit 31,95% die meisten Stimmen erhalten, gefolgt von Adrien Houngbédji mit 25,21% und dem Sozialdemokraten Amoussou (19,03%).
Der scheidende Präsident hatte keine Wahlempfehlung abgegeben. Nach dem ersten Wahlgang äußerte er Kritik an der mangelnden Transparenz. Kérékou zufolge hätten Minderjährige und Ausländer mit
gefälschten Papieren an der Wahl teilnehmen können.
Da keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erringen konnte, geht es in wenigen Tagen in die Stichwahl. Die Liberale Stimme wird das Endergebnis dann bekannt geben.
Kay Hanisch
Peru im linken Lager
3.4.2006. Vergesst das Geschwafel deutscher Journalisten vom „Wahlkrimi“, wenn es bei einer Landtagswahl darum geht, ob schwarz-rot oder schwarz-gelb regiert, denn gegen die
Präsidentenwahl in Peru nimmt sich eine deutsche Landtagswahl so spannend aus wie die 14. Wiederholung der „Lindenstraße“. Am 9.April wird es in dem Andenstaat wirklich spannend.
Die Hauptdarsteller: ein vom venezuelanischen Präsidenten Hugo Chavez unterstützter linksnationaler Ex-Putschist mit leicht rassistischen Untertönen und eine selbstbewußte Vertreterin der alten
Oligarchie. In den Nebenrollen: ein charismatischer linker Ex-Präsident, der zurück an die Macht will und dabei auch gegen einen ältlichen, doch allgemein respektierten ehemaligen
Übergangspräsidenten antreten muß. Ach ja, eine Anhängerin des Ex-Diktators mischt auch noch mit!
Der derzeitige, durchaus demokratische Präsident Alejandro Toledo, erster Indio im Präsidentenamt, tritt nicht wieder zur Wahl an, da seine Zustimmungswerte infolge seiner neoliberalen
Wirtschaftspolitik z.T. nur noch bei ca. 9 - 19% lagen.
Peru steht bei dieser Wahl am Scheideweg. Derzeit liegt der Linksnationalist Ollanta Humala bei den Umfragen vorn, dicht gefolgt von der Christdemokratin Lourdes Flores.
Humala gilt als Fan von Hugo Chavez und würde Peru gern mit dem Bolivien von Evo Morales wiedervereinigen. Sein Vater ist Begründer einer Bewegung, die schon durch extrem nationalistische
Ausfälle auffällig geworden ist und die Vorherrschaft der „kupferfarbenen“ Rasse predigt. Humala läßt keinen Zweifel daran, daß er Peru auf einen „bolivarischen“ Pfad führen wird. Im Hochland
wird er als Person mit sozialer Verantwortung wahrgenommen und setzt sich auch für die Belange der Kokabauern ein. Mit nationaler und Gerechtigkeit verheißender Rhetorik schaffte es der bis vor
einem Jahr noch fast völlig unbekannte 42-Jährige auf Platz eins in den Umfragen (ca. 30%). Humala ist Mitglied der Nationalistischen Partei Perus PNP und tritt für die Union por el Perú
an.
Als schärfste Konkurrentin tritt die unverheiratete Christdemokratin Lourdes Flores für das Bündnis Unidad Nacional an. Flores selbst ist Vorsitzende der Christlichen Volkspartei PPC und
führt seit 5 Jahren die Mitte-Rechts-Allianz UN. Die 46-Jährige gilt als Vertreterin der Oligarchie und der besser verdienenden Schichten, bemüht sich aber darum, für die ganze Bevölkerung
wählbar zu sein. Bei den Umfragen liegt sie bei ca. 31% der Stimmen.
Über den nächsten Kandiaten Alán Garcia gibt es mehr zu erzählen. Schließlich war er schon einmal fünf Jahre lang Präsident und gehört der legendären, heute als sozialdemokratisch bezeichneten,
Revolutionären Amerikanischen Volksallianz (APRA) an, mit der er über die bestorganisierteste Partei und die meisten Wahlhelfer verfügt.
Die APRA ist die älteste Partei Perus und wurde 1924 von dem Caudillo Víctor Raúl Haya de la Torre im Exil gegründet. Ihre Zielsetzungen konnte man damals durchaus als
sozialrevolutionär-nationalistisch bezeichnen. In den folgenden Jahrzehnten versuchte sie mehrfach durch Wahlteilnahmen oder Putschversuche an die Macht zu gelangen. 1962 gewann Haya de la Torre
die Präsidentenwahl, doch das Militär verhinderte seinen Amtsantritt. Die APRA festigte ihre Position beim Volk, indem sie Sport- und Kulturveranstaltungen, Abendschulen, Gewerkschaften und
„Volkshäuser“ mit eigenen Niedrig-Preis-Restaurants etc. ins Leben rief. Die Parteiführer genossen uneingeschränkte Verehrung und Haya de la Torre hatte dem italienischen Faschismus einige
Elemente entlehnt, um die Begeisterung der Anhänger wecken und lenken zu können, wie z.B. Massenaufmärsche, Parteihymne und Gruß (die Apristen schwenkten ein weißes Taschentuch).
Unmittelbar vor seinem Tod kam der greise Parteigründer 1978/79 seinem Traum von der Präsidentschaft noch einmal kurz nahe, als er von den Militärs und den Parteien zum Präsidenten der
Verfassungsgebenden Versammlung gewählt wurde.
Erst 1985 gelang der APRA der Einzug in den Präsidentenpalast. Der jugendlich wirkende Alán García Pérez löste als Hoffnungsträger der ärmeren Bevölkerungsschichten den glücklosen
Zentrumspolitiker Fernando Belaúnde Terry (Präsident 1963-68 und 1980-85) im Amt ab.
Zunächst erfolgreich ging García gegen soziale Ungerechtigkeiten, Korruption und die Rauschgiftmafia vor, doch den Kampf gegen die brutale Maoistenguerilla Sendero Luminoso („Leuchtender Pfad“)
konnte er wie sein Amtsvorgänger Belaúnde nicht gewinnen. Außenpolitisch steuerte er wie schon zuvor die linksnationale Militärregierung von Juan Velasco Alvarado (1968-75) einen blockfreien
Kurs. Seine Ankündigung, den Schuldendienst seines Landes so gut wie einzustellen, führte dazu, daß der beleidigte IWF Peru als „nicht kreditwürdig“ bezeichnete und eine Hyperinflation ausbrach.
Der einstige Hoffnungsträger García mußte – inzwischen selbst der Korruption bezichtigt – bei den Wahlen 1990 dem neoliberalen Autokraten Alberto Kenyo Fujimori Platz machen, der das Land
wirtschaftlich stabilisieren konnte. Alan Garcia kann derzeit mit etwa 22% der Stimmen rechnen.
Vierter Kandidat mit relativen Chancen ist der 69-jährige Valentín Paniagua, der für die Frente del Centro – einen Zusammenschluß drei kleinerer Zentrumsparteien antritt. Er selbst gehört
der Volksaktion AP an, die 1956 von Fernando Belaúnde Terry, dem Altvater der peruanischen Demokratie, gegründet wurde. Paniagua wurde bekannt, als er in seiner Aufgabe als Parlamentschef nach
der Flucht des Autokraten Fujimori kommissarisch 2000/2001 das Präsidentenamt übernahm. Die Durchführung sauberer Wahlen und seine „überparteiliche“ Amtsführung trugen ihm auch beim politischen
Gegner und beim Volk Achtung ein. Das wirtschaftsfreundliche Programm der Frente del Centro ist ausgewogen und hat auch eine effektive mittelfristige Armutsbekämpfung im Blick. Paniagua
kann mit 5-10% rechen, vor ca. 12 Monaten wollten ihn noch 25% als Präsidenten sehen.
Martha Chávez ist Kandidatin der Alianza por el Futoro, einem Bündnis von drei Parteien, von den sich zwei (Bündnis 90 und Neue Mehrheit) zum ideologischen Erbe der Ära Fujimori
zählen.
Martha Chavez, die gerade von der Justiz rehabilitiert wurde (angebliche Bestechlichkeit) kann auf ca. 5% der Wähler zählen.
Für die Sozialistische Partei PS geht der politische Dinosaurier Javier Diez Canseco ins Rennen.
Des weiteren wollte für die völlig in Misskredit geratene Regierungspartei Perú Posible (PP) von Präsident Toledo, der politische Tausendsassa Rafael Belaúnde, ein Sohn des früheren
Präsidenten, antreten. Der parteilose Belaúnde zog seine Kandidatur aber kürzlich zurück. Ursache war ein Streit des Kandidaten mit der PP. Seine Umfragewerte lagen bei ca. 1% Prozent.
Entscheidend für die Zukunft Perus wird die Konstellation sein, die sich zur Stichwahl formiert: Zentrumsfront und Rechte auf der einen oder Humalistas und APRA auf der anderen? Oder ein Bündnis
der „Gemäßigten Reformer“ (APRA und Zenrumsfront)?
Auf jeden Fall: so sieht ein Wahlkrimi aus!
Kay Hanisch
Déby in der Klemme
17.5.2006. Fast 14 Tage dauerte es, bis die Ergebnisse der Präsidentenwahl vom 3. Mai bekannt gegeben wurden. Tschads Präsident Idriss Déby Itno hatte mit 77,53% der Stimmen seinen Machtanspruch erfolgreich verteidigt. Dies war kein Kunststück, hatte doch fast die gesamte Opposition zum Wahlboykott aufgerufen. Lediglich Brahim Koulamallah von der winzigen Afrikanischen Sozialistischen Bewegung (MSA-R) trat als einziger Vertreter der Opposition gegen Déby an und erhielt 3,67% der Stimmen. Drei weitere Gegenkandidaten Débys waren alle direkt oder über ihre Parteien mit der Regierung liiert. Offiziell Zweiter wurde Delwa Kassiré Coumakoye mit 8,81%, die beiden anderen Kandidaten lagen bei 5,35% und 4,64%.
Die Wahl fand zu einem ungünstigen Zeitpunkt statt, da mehrere Rebellengruppen gegen das Regime kämpfen und sich der Dafur-Konflikt vom Sudan auf den Tschad ausgeweitet hat.
Welt im Blick versucht Licht in das Dunkel zu bringen, wer hier gegen wen kämpft und wer im Hintergrund die Fäden zieht.
Knackpunkt des Konfliktes ist das Volk der Zaghawa, daß sowohl im Westen Sudans (Provinz Darfur) und im Osten des Tschads lebt. Als in Darfur eine Rebellion der schwarzen Bevölkerungsteile (u.a.
Zaghawa, Fur und Masalit) ausbrach, bekämpfte die Zentralregierung diese mit Hilfe brutaler Reitermilizen. Aus Furcht vor einem Überschwappen des Konfliktes auf den Tschad verhielt sich Präsident
Déby zunächst neutral und versuchte zu vermitteln. Dies brachte Teile des eigenen Clans gegen ihn auf, die eine militärische Unterstützung der Blutsbrüder auf der sudanesischen Seite
forderten.
Gegen die Regierung in N´Djamena kämpfen mehrere Rebellengruppen:
Während die herrschende Elite des Landes, wie auch der Präsident, dem Volk der Zaghawa angehört, besteht die Vereinigte Front für den Wechsel (FUC) hauptsächlich aus der kleinen
Tama-Ethnie und wird unterstützt von den sudanesischen Reitermilizen Djanjawid, die in der Provinz Darfur Jagd auf schwarzafrikanische Zaghawa machen und die Flüchtlinge bis tief in den Tschad
hinein verfolgen. Die Djanjawid werden von der sudanesischen Zentralregierung unterstützt als Gegengewicht zu den Zaghawa-Rebellen in Darfur.
Die FUC ist eine Allianz mit den Überresten der Bewegung für Demokratie und Gerechtigkeit im Tschad eingegangen, die sich hauptsächlich aus dem kriegerischen Volk der Tubu
rekrutiert.
Eine weitere Rebellengruppe ist der Sockel für den Wandel, nationale Einheit und Demokratie (Scud), dem sich viele Zaghawa angeschlossen haben, darunter auch hohe Militärs von Déby, die
der Regierung vorwarfen, die Zaghawa im Sudan zu wenig zu unterstützen.
Die sudanesische Regierung des Diktators Omar al-Bashir beschuldigt den Tschad, die Rebellen in der Krisenprovinz Darfur zu unterstützen und so den Sudan zu destabilisieren.
Aus Rache unterstützt Sudan seinerseits die Rebellen im Tschad.
China versorgt Sudan mit Waffen gegen Erdöl und hält im Weltsicherheitsrat schützend seine Hand über das Bashir-Regime. Angeblich soll sich Taiwan hingegen in Tschads Ölindustrie eingekauft
haben. China begrüßt auch deshalb eine Ausweitung des sudanesischen Einflußes in der Region.
Die zivilen Oppositionsparteien wünschen sich ein Ende des Déby-Regimes, scheinen aber von den Rebellen ebenfalls nicht viel zu halten.
Staatspräsident Idriss Déby und sein Clan gehören dem Minderheitsvolk der Zaghawa an.
Die Patriotische Heilsbewegung (MPS) des Präsidenten hat die absolute Mehrheit im Parlament, regiert aber in Koalition mit einigen kleineren Parteien.
Auf Seite der Regierung stehen:
Die Regierungsarme mit ca. 17.000 Soldaten, 60 Kampfpanzern und einigen wenigen leichtbewaffneten Schulflugzeugen. Nachdem der einzige Hubschrauber vor ein paar Wochen abgeschossen
wurde, ist so gut wie keine Luftaufklärung möglich. Die meisten hohen Militärs sind Zaghawa.
Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich besorgt die Luftaufklärung für das Regime und hat mindestens 1.200 Soldaten und einige Mirage-Kampfflugzeuge im Tschad. Frankreich ist derzeit international
die wichtigste Stütze der Regierung.
Kamerun läßt von seinen Häfen französische Waffen an die Regierung in N´Djamena transportieren.
Die Zentralafrikanische Republik (ZAR) unterstützt Déby, hat ihre Grenzen zum Sudan geschlossen und die diplomatischen Beziehungen zu diesem Land abgebrochen. Der mittlerweile gewählte
ZAR-Präsident Francois Bozizé hatte sich vor einigen Jahren mit Débys Hilfe an die Macht geputscht. Die Armee der ZAR ist zu schwach, um zu verhindern, daß die FUC-Rebellen teilweise auf
zentralafrikanisches Territorium ausweichen.
Die USA trainieren Tschads Armee im Anti-Terror-Kampf. Die US-Konzerne Chevron und Exxon beuten gemeinsam mit Petronas (Malaysia) die tschadischen Ölquellen aus. Im gegenwärtigen Konflikt übten
sie bisher Zurückhaltung.
Die Rebellen im Sudan zählen ebenfalls zu den Verbündeten der Regierung. Die Sudanesische Befreiungsarmee (SLA) wird auch von den USA und Eritrea unterstützt, ihr Alliierter ist die
ebenfalls in Darfur kämpfende Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit
(JEM).
Die FUC sucht eine Annäherung an den Scud, doch die Interessen sind völlig gegensetzlich. Lediglich der Wunsch nach Débys Sturz eint die Rebellen. Die FUC hat die Unterstützung der
Zentralregierung Sudans, der Scud will den sudanesischen Rebellen helfen. Nach einem Sturz des Präsidenten werden sich beide Gruppen gewiß gegenseitig bekämpfen.
Seit dem er 1990 den Diktator Hissen Habré, dessen rechte Hand er früher war, durch einen Bürgerkrieg von der Macht vertrieb, genießt Idriss Déby den Ruf eines ausgezeichneten Strategen. Diesem
wurde er vor wenigen Wochen wieder gerecht, als die Rebellenkommandos der FUC in die Hauptstadt N´Djamena eindrangen, in der Hoffnung den Präsidenten entmachten zu können. Die Rebellen glaubten
sich schon fast am Ziel, doch erst verfuhren sie sich in der Hauptstadt und dann stellte sich heraus, daß sie in eine Falle getappt waren. Das Militär erwartete die nächtlich eingesickerten
Kämpfer. In den engen Straßen wurden ihre offenen Pritschenwagen zur leichten Beute für die tschadischen Panzer.
„Als die Söldnerkolonne in N´Djamena ankam, wurde sie erwartet. Unsere Kräfte waren da. Der Hinterhalt stand bereit. Wir haben ihnen die Croissants und den Café heiß serviert, sehr heiß“, gab
sich Déby im Interview mit dem Figaro selbstbewußt.
Sein militärisches Know-How erhielt Déby unter anderem in Frankreich, im Luftfahrtinstitut Amaury-de-La-Grange ließ er sich 1976 zum Kampfpiloten ausbilden. Dort bekam er auch den Spitznamen
„Wüstencowboy“.
Nur zwei Jahre nach der Unabhängigkeit 1960 brach der Bürgerkrieg aus, der einmal heftiger, einmal weniger heftig, weite Teile des Landes umfaßte. Eine wirkliche Demokratie hat es im Tschad nie
gegeben. Als Déby 1990 die Macht übernahm, gelang es ihm, weite Teile des Landes zu befrieden und die Beziehungen zu Libyen und Frankreich, die vorher die gegnerischen Bürgerkriegsparteien
unterstützt hatten, gleichsam zu verbessern. Débys gemäßigte Diktatur mit Mehrparteiensystem gehört wohl zu den moderatesten Regierungen, die der Tschad jemals hatte, doch die Lebensverhältnisse
für die Bevölkerung haben sich nicht verbessert und eine Klüngelwirtschaft wurde lediglich durch eine andere abgelöst. Die FUC-Rebellen sind durch ihre Niederlage in der Hauptstadt entscheidend
geschwächt. Doch schon vermeldet die Regierung der Zentralafrikanischen Republik, daß sudanesische Transportmaschinen Waffen in den Norden der ZAR bringen, um dorthin geflüchtete FUC-Kämpfer zu
unterstützen.
Fest steht, daß der Stuhl von Idriss Déby wackelt. Noch hält Frankreich seine schützende Hand über den Wüstencowboy von N´Djamena. Aber wenn Déby nicht bald erkennt, daß nur ein politischer
Dialog mit der zivilen Opposition, die Einführung echter demokratischer Reformen und wirkliches Bemühen um die Probleme des unterentwickelten Landes langfristig die Stabilität des Tschad
gewährleisten können, ist sein strategisches Genie vielleicht doch überbewertet.
Kay Hanisch
30.5.2006. Nach seiner wechselvollen politischen Karriere, die ihn seit 1941 vom „Gottkönig“ zum Gründer einer sozialistisch angehauchten Partei und zum Premierminister, später zum
Staatspräsidenten und Guerilla-Führer und politischen Häftling sowie zum provisorischen Staatsoberhaupt und wieder zum König geführt hat, hat sich Kambodschas Ex-Monarch Norodom Sihanouk auch
nach seiner Abdankung im Jahr 2004 und der Krönung seines Sohnes Norodom Sihamoni zum neuen König nicht komplett aufs Altenteil zurückgezogen. In seinem Blog (www.norodomsihanouk.info) teilt der
„Vater der kambodschanischen Unabhängigkeit“ der vernetzten Welt seine Ansichten über Politik, Hollywood und Gesellschaft mit. Sein Internet-Auftritt kommt dabei ohne großen technischen Firlefanz
aus. Täglich ca. zwei Stunden arbeitet der 83-jährige Sihanouk an seiner Seite, in die auch schon einmal bekritzelte und eingescannte Notizzettel Eingang finden.
Die Seite hat täglich über 1.000 Besucher und ist in Englisch, Französisch und der Landessprache Khmer lesbar. Der früher nur als „Prinz Sihanouk“ (der Titel trifft nach seiner Abdankung nun
wieder zu) bekannte Politsenior schreibt im Stil eines einfachen Journalisten und sieht sich selbst als „älterer Bürger, der keinerlei Amtsgewalt hat“. Dennoch hat sein Wort in Kambodscha noch
großes Gewicht und auch die Medien greifen häufig auf seinen Blog zurück.
Schon während seiner Herrschaft in den 50iger und 60iger Jahren betätigte sich Sihanouk als Filmregisseur und Choreograph des königlichen Balletts. Neben seiner Liebe zur Musik (er spielt
Saxophon sowie Akkordeon und komponierte zahlreiche Schlager und Tangos) besaß der Prinz schon immer einen skurrilen Sinn für Humor. So verfaßte er die Leitartikel der kambodschanischen Presse
selbst und bezeichnete sich als Korrespondent der Pariser Satire-Zeitung „Le Canard Enchaine“.
Von dem Parteiengezänk und dem Machtgerangel zwischen dem autoritären Ministerpräsidenten Hun Sen (Kambodschanische Volkspartei CPP) und seinem Sohn Norodom Ranariddh (Parlamentspräsident und
Vorsitzender der einst von Sihanouk gegründeten monarchistischen FUNCINPEC-Partei) zeigte sich der ehemalige König eher abgestoßen. In seinem Blog äußerste sich ein „Brieffreund“ und „Journalist“
namens Ruom Ritt kritisch über die Zustände in Kambodschas politischer Klasse und machte sich über die Regierung lustig. Wie sich aber bald herausstellte, war Ruom Ritt niemand anderes als
Sihanouk höchstpersönlich. Hun Sen war derart wütend, daß der damals noch als König amtierende Sihanouk versprach, sein „alter ego“ Ruom Ritt werde sich nicht mehr über das heutige Kambodscha
äußern.
Kürzlich schrieb der Prinz, der an Krebs, Bluthochdruck und Diabetes leidet, er habe gehört, daß eine Zeitung schon an seinem Nachruf arbeite. Sihanouk, der für mich mehr ist, als nur eine
interessante Figur der politischen Zeitgeschichte, schrieb dazu: „Doch selbst heute, am Freitag dem 13., bin ich mir noch nicht meines Todes bewußt. Vielleicht bin ich schon tot. Aber ich werde
weiter glauben, daß ich am Leben bin.“
Kay Hanisch
Gewalt in Osttimor
Juni 2006. Nur vier Jahre nach dem die ehemalige portugiesische Kolonie Timor-Leste (Osttimor) aus der indonesischen Besetzung so hoffnungsvoll in die Unabhängigkeit entlassen wurde, droht
dem kleinen Inselstaat nun Chaos und Anarchie nach dem Vorbild der unweit gelegenen Salomonen.
Dabei hatte die Unabhängigkeit Osttimors so gut begonnen. Freie demokratische Wahlen unter UN-Aufsicht hatten die linke Befreiungsbewegung Fretilin als stärkste politische Kraft bestätigt, mit
Xanana Gusmao kam ein äußerst populärer Führer des militärischen Kampfes gegen die brutale indonesische Besatzung ins Präsidentenamt. Der parteilose Außenminister José Ramos-Horta, der dieses Amt
schon während der 14-tägigen Unabhängigkeit 1975 inne hatte, ist Träger des Friedensnobelpreises, genießt das Vertauen der internationalen Staatengemeinschaft und war zeitweilig als neuer
UN-Generalsekretär im Gespräch. Gute Voraussetzungen für den Aufbau einer funktionierenden Demokratie also. Doch nun beobachten wir einen spektakulären Absturz.
Die Ursache für die Schießereien zwischen Regierungstruppen, desertierten Soldaten und kriminellen Banden, die seit ihrem Ausbruch vor einigen Wochen über 30 Tote gefordert hatten, werden zum
Teil auch dem Premierminister Mari Alkatiri angelastet. Auslöser des Aufruhrs war die Entlassung von ca. 600 Soldaten aus der nur 1.500 Mann starken Armee, die aus Protest gegen die
Diskriminierung und die Lebensbedingungen in den Kasernen in Streik getreten waren. Sie forderten u.a. den Rücktritt Alkatiris, der die Proteste ignoriert hatte und für die daraufhin folgende
Entlassung der Soldaten verantwortlich war.
Der Konflikt besitzt auch ethnische Dimensionen. Die Bewohner des Ostens gehören einem anderen Volk an als die des Westens. Während die Ostler im wesentlichen den Befreiungskampf trugen,
kooperierten die Westler mit den indonesischen Besatzern. Viele der heutigen Rebellen kommen aus dem Westen des Landes.
Präsident Gusmao genießt in der Bevölkerung sowie bei den Aufständischen nach wie vor hohes Ansehen und schaltete sich nun mit einem Aufruf zur Belegung der Krise direkt ein. Der ehemalige
Befreiungskämpfer, den ein schweres Rückenleiden plagt, ließ sich Sondervollmachten einräumen. Doch auch die Autorität des sonst eher mit repräsentativen Aufgaben betrauten Präsidenten schwindet
immer mehr.
Premierminister Alkatiri wehrt sich gegen seine „Entmachtung“ durch Gusmao. Da er auch Generalsekretär der Fretilin ist, konnte er auch glaubhaft damit drohen, zehntausend Anhänger zu
mobilisieren.
Außenminister Ramos-Horta, rief 2.300 ausländische Soldaten, vor allem aus Australien und Neuseeland, in die Inselrepublik. Ob diesen Truppen nun die Stabilisierung gelingt, wird sich zeigen.
Auch die ehemalige Kolonialmacht Portugal plant die Entsendung von Polizeieinheiten.
Für die Souveränität der armen Inselrepublik ist die Entsendung der vor allem aus australischen Kräften bestehen Schutztruppe nicht hilfreich. Denn mit dem übermächtigen Nachbarn gibt es seit
Jahren Streit um ein Gebiet, in dem Ölreserven vermutet werden und das Australien beansprucht, obwohl es in den Hoheitsgewässern Osttimors liegt. Gelingt es Australien nun, das Land wesentlich zu
befrieden, wird man in Canberra entsprechende „Dankbarkeit“ aus Osttimors Hauptstadt Dili erwarten. Diese könnte sich im Abtreten des umstrittenen Gebiets an Australien äußern. Schon heute
bestreitet australische Hilfe einen großen Teil des Haushalts der winzigen Republik.
Immer mehr Pazifikstaaten steuern in ähnliche anarchistische oder chaotische Konflikte. Vor wenigen Wochen stürzte ein Aufstand, den erst fünf Tage amtierenden Premierminister der Salomonen,
Snyder Rini. Vor nicht all zu langer Zeit gab es auf Fidschi Unruhen, die von den Milizen des Geschäftsmannes George Speight angezettelt wurden. Die Proteste gegen die korrupte Monarchie in Tonga
nehmen zu, seit Jahren gibt es Kämpfe mit Separatisten in Papua-Neuguinea. Eine Oase des Friedens scheint dagegen die ehemalige deutsche Kolonie Samoa zu sein, in der es zwar ein
Mehrparteiensystem gibt, daß aber den Gesetzmäßigkeiten einer traditionellen samoanischen Häuptlingsaristokratie unterliegt, die Konflikte im dörflichen Palaver ausräumt. Diese Idylle hat sich
das erstarrte System aber mit einer der weltweit höchsten Jugendselbstmordraten erkauft.
Kay Hanisch
Einmischung der EU
8.7.2006. Nach der Vereidigung der neuen, von den Sozialdemokraten geführten Koalitionsregierung in der Slowakei erhob sich international ein Geschrei, als hätte dort
Pol Pot die Wahl gewonnen und mit Adolf Hitler und dem Beelzebub eine Koalition gebildet. Die „Sozialdemokratische Partei Europas“ , eine Art europäische Fraktionsgemeinschaft, schloß die
slowakischen Sozialdemokraten aus ihren Reihen im Europäischen Parlament aus. Die „Sozialistische Internationale“ erwägt ähnliches und auch selbsternannte „unabhängige“ Medien stoßen in dieses
Horn. Das ganze erinnerte stark an die Hetzjagd auf Jörg Haider nach seinem Wahlsieg in Österreich. Doch was war eigentlich passiert?
Vor einigen Wochen hatte bei den Parlamentswahlen in der Slowakei die 1999 gegründete, linksliberale Bewegung „Smer“ (auf deutsch: „Richtung“) unter ihrem Spitzenkandidaten Robert Fico die Wahl
gewonnen und wurde mit 50 Abgeordneten stärkste Fraktion. Am 1.1.2005 war eine Verschmelzung der Smer mit zwei kleineren Parteien erfolgt: der „Sozialdemokratischen Alternative“ und der 1990 von
Alexander Dubcek, dem Initiator des „Prager Frühlings“, gegründeten „Sozialdemokratischen Partei der Slowakei“. Seit dem nennt sich Ficos Partei „Richtung-Sozialdemokratie“, weshalb sie oft als
„sozialdemokratisch“ betrachtet wird.
Die neoliberale Regierungskoalition unter dem bisherigen Ministerpräsidenten Mikulas Dzurinda hatte einen knallharten Reformkurs zu Lasten sozial Schwacher gefahren. In einem unkonventionellen
Wahlkampf (Fico ließ die Stimmung vor seinem Bad in der Menge durch Kabarettisten anheizen) zog die Smer gegen den Einheitssteuersatz („Flat Tax“) zu Felde und versprach die Reformen von Dzurinda
u.a. im Gesundheitswesen sozial abzufedern.
Nach der Wahl verblieben neben Smer nur die beiden christdemokratischen Regierungsparteien und die Partei der ungarischen Minderheit, die ebenfalls zur alten Koalition gehörte, im Parlament,
sowie die linksnationale „Bewegung für eine demokratische Slowakei“ (HZDS) und die rechte, minderheitenfeindliche Nationalpartei SNS.
Ausgerechnet mit den beiden letzteren will Fico, der mit allen Fraktionen bereits Gespräche geführt hat, nun die Regierung bilden, was international für Furore gesorgt hat. Tatsächlich sind beide
Regierungspartner nicht unumstritten:
Die HZDS war unter ihrem Chef Vladimir Meciar, der von 1992-1998 als Premier wie ein lateinamerikanischer Caudillo in der Slowakei herrschte, in zahlreiche Skandale verwickelt. Der Sohn des
verfassungstreuen Staatspräsidenten und Meciar-Gegners Michal Kovac wurde vermutlich mit Beteiligung des Geheimdienstes entführt. 1992 starb der beliebte und international geachtete
Parlamentschef Alexander Dubcek bei einem mysteriösen Autounfall, in dessen Verlauf die Aktentasche des Opfers verschwand.
Der Führer der Nationalpartei Jan Slota ist hingegen mit Hasstiraden und Gewaltaufrufen gegen die ungarische Minderheit und gegen Sinti und Roma berühmt-berüchtigt geworden.
Doch die beiden umstrittenen Parteiführer sollen laut Fico kein Ministeramt erhalten, sondern lediglich im Koalitionsrat wirken. Fico erklärte, die Smer „steht für pro-europäische Politik,
garantiert die Erfüllung sämtlicher außenpolitischer Verpflichtungen und wird die Rechte nationaler Minderheiten weiter sichern“. Diese Beteuerungen scheinen den Falken unter den
Koalitionskritikern nicht zu genügen, sie wollen eine EINDEUTIG pro-europäische und bitteschön auch zu 100% neoliberale Regierung. Daß Fico Tony Blair und Gerhard Schröder als seine Vorbilder
nennt, scheint nicht von Belang. Die Fico-Gegner im In- und Ausland schüren Panik und verbreiten Gerüchte, ausländische Investoren würden verschreckt werden und der Slowakei den Rücken kehren.
Das mehr soziale Sicherheit auch weniger sozial motivierte Unruhen und besseres Investitionsklima bedeuten können, wird einfach weggewischt.
Doch hier geht es auch um die Glaubwürdigkeit (ein Wort das dem durchschnittlichen deutschen Berufspolitiker völlig unbekannt sein dürfte) von Smer und ihrem Chef.
Fico hat versprochen, aus der Slowakei einen modernen Sozialstaat zu machen – eine Forderung, die zahlreiche europäische „sozialdemokratische“ Parteien offensichtlich nicht nachvollziehen können.
Da mit den von Fico bevorzugten Partnern wie der Ungarnpartei SMK diese Forderung nicht umsetzbar war, blieb ihm nur noch die Allianz mit HZDS und Nationalpartei oder der Gang in die Opposition.
Letzteres dürfte für die meisten slowakischen Wähler nicht vermittelbar sein und entsprechend hätten sie die Partei bei den nächsten Wahlen abgestraft.
Paul Ryrup Rasmussen, gescheiterter dänischer Ex-Premierminister und europäischer Sozialistenchef erklärte der taz, die Koalition sei „vom sozialdemokratischen Standpunkt her inakzeptabel“. Fico
solle sich andere Regierungspartner suchen, die politischen Kräfteverhältnisse ließen das schließlich zu. Das Fico aber dann vermutlich genau die Politik mittragen müßte, gegen die er im
Wahlkampf angetreten ist, ist Herrn Rasmussen offensichtlich egal. Da muß die Frage erlaubt sein, ob jetzt europäische Parteifunktionäre in der Regierungsbildung einzelner Nationen
weisungsberechtigt sind und wo das erst hinführen soll, wenn eine europäische Verfassung – am besten ohne Volksabstimmung und öffentliche Diskussion – eingeführt wird.
Die ersten angekündigten Maßnahmen der „sozialdemokratisch inakzeptablen“ Koalition: die Rücknahme der Praxisgebühr, der Abzug der 104 slowakischen Soldaten aus dem Irak und die Besteuerung von
Lebensmitteln mit 5% statt wie bisher mit 19%.
Besonders die von der SPD-eigenen Medienholding DDVG dominierte Sächsische Zeitung (SZ) hatte sich auf die slowakische Koalition eingeschossen. Man warnte vor „weiterer Schuldenpolitik, die die
für das Jahr 2009 geplante Einführung des Euro gefährden würde“.
Wäre dies der Fall wegen der eher bescheidenen Sozialmaßnahmen der Smer-HZDS-SNS-Koalition, hätte die neoliberale Vorgängerregierung aber ziemlich miserabel gewirtschaftet.
In dem Abzug der slowakischen Soldaten aus dem Irak sieht SZ-Kommentator Uwe Peter nicht das Verlassen eines völkerrechtswidrigen und illegalen multinationalen Besatzungsregimes, sondern „eine
verdächtig populistisch-nationalistisch geprägte Entscheidung“.
Der slowakische Staatspräsident Ivan Gasparovic von der „Bewegung für Demokratie“ HZD, einer kleinen Abspaltung der Meciar-Partei, warnte vor einer Vorverurteilung der neuen Regierung und rief
auf, erst einmal abzuwarten, wie sich das Kabinett in der täglichen Arbeit bewährt. Und letzten Endes kommt es nämlich nur darauf an – auf den Inhalt und nicht auf die Verpackung!
Kay Hanisch
Der Erbe Lumumbas
19.7.2006. Bei den ersten demokratischen Wahlen im Kongo seit seiner Unabhängigkeit 1960 am 30. Juli tritt eine neue Politikergeneration an. Ihre Nachnamen sind
bekannt, es sind meist Töchter, Söhne oder Enkel ehemaliger Präsidenten, Premiers oder anderer Spitzenpolitiker. Präsident Joseph Kabila hat das Amt von seinem 2001 ermordeten Adoptivvater
„geerbt“. Unter seinen 32 (!) Gegenkandidaten finden sich klangvolle Namen wie Justine Mpoyo Kasavubu, Tochter des ersten Staatspräsidenten Joseph Kasavubu (1960-65). Mit Guy-Patrice Lumumba
tritt ein Sohn des legendären Unabhängigkeitspremiers an, Nzanga Mobutu hingegen kandidiert in Equateur und ist der Sohn des früheren Diktators Mobutu, der als „König der Diebe“ 32 Jahre das Land
ausplündern durfte. Doch unter die zahlreichen Abkömmlinge großer Politiker hat sich ein „Original“ gemischt: der 80-jährige Antoine Gizenga, der 1960 nach der Ermordung Lumumbas während der
Kongo-Krise als Chef einer international viel beachteten sozialistischen „Gegenregierung“ in der Ostprovinz um Stanleyville für Aufsehen sorgte, will Präsident Kabila ablösen. Dazu verfügt er
nach dem Präsidenten über die am besten organisierte Anhängerschaft aller Kandidaten.
Im April 1959 hatte Antoine Gizenga die radikale „Partei der Afrikanischen Solidarität“ PSA gegründet. Kurz darauf vertrat er seine Partei bei der Brüsseler Allparteienkonferenz, die
vorbereitende Verhandlungen für die Unabhängigkeit Belgisch-Kongos und die ersten Wahlen führte. Doch statt an der Konferenz teilzunehmen, tourte Gizenga durch den Ostblock und machte auf seiner
Rückreise bei Sekou Touré, dem marxistischen Präsidenten von Guinea Station.
Auf die Frage eines amerikanischen Journalisten, ob er Kommunist sei, soll Gizenga allerdings mit der Gegenfrage geantwortet haben: „Wenn Sie nach Peking fahren, werden Sie dann Chinese?“
Im nationalen Parlament erhielt die PSA nur 13 der 137 Sitze, schnitt aber in einigen Provinzparlamenten deutlich besser ab. Vor den Wahlen hatte Gizenga eine Allianz mit der regionalistischen
ABAKO des pro-westlichen Präsidenten Kasavubu gebildet. Im Konflikt zwischen dem Präsidenten und seinem antiimperialistischen Premier unterstützte er Lumumba. Als der spätere Diktator Mobutu im
September 1960 mit CIA-Hilfe zum ersten Mal putschte und Lumumba gefangen setzte, floh Gizenga, inzwischen stellvertretendender Ministerpräsident, nach Stanleyville, wo er eine „lumumbistische“
Gegenregierung ausrief.
Militärisch unterstützt wurden Gizengas Anhänger von der Streitmacht des Generals Lundula, der sich bei den Beförderungen in der Armee übergangen fühlte. Diese linke „Quasi-Republik“ von
Stanleyville bekam Hilfe aus der Sowjetunion und dem Ostblock, die Vereinigte Arabische Republik (ein kurzzeitiger Staatenbund zwischen Ägypten und Syrien) richtete gar eine Luftbrücke ein.
Auf seiner Flucht aus der Hauptstadt nach Stanleyville wurde Lumumba ermordet, Gizenga kehrte 1961 als stellvertretender Premier in Regierung zurück. Doch schon im Januar 1962 wurde er auf
Betreiben prowestlicher Kräfte inhaftiert und auf die malariaverseuchte Insel Bula Bemba verschleppt.
Nach 27jährigem Exil (u.a. in Frankreich, Angola, Kongo-Brazzaville und der Sowjetunion) kehrte Gizenga auf Einladung des Diktators Mobutu in seine Heimat zurück.
Der alte Mann mit der Hornbrille und dem unbeweglichen Pokerface hatte schon im Exil die „Partei der Vereinigten Lumumbisten“ (PALU) gegründet und sich zum wahren Erben von Patrice Lumumba
stilisiert.
2002 nahm die PALU an den in Südafrika durchgeführten Allparteiengesprächen der kongolesischen Bürgerkriegsparteien teil.
In Umfragen des Instituts Les Points vom Februar 2005 belegte Gizenga Platz 5 auf der Liste der populärsten Politiker des Landes – mit allerdings nur 4,2% Zustimmung. An der Spitze stand
weiterhin Etienne Tshisekedi, der Führer der größten zivilen Oppostionspartei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) mit 34,9%. Da aber Tshisekedi und seine Partei die Wahlen am 30.
Juli boykottieren, ist Gizenga der einzige bekannte Kandidat aus dem Lager der zivilen Opposition. Viele UDPS-Sympathisanten, die doch zur Wahl gehen möchten, könnten für ihn stimmen und ihm zu
mehr als einem Achtungserfolg verhelfen. Während die meisten der 282 kandidierenden Parteien aus nur „einem Großmaul nebst Ehefrau“ bestehen (so die Schriftstellerin Michela Wrong) verfügt die
PALU über eine homogene Anhängerschaft im ganzen Land und orientiert sich nicht wie viele andere Parteien an ethnischen oder regionalistischen Interessen.
Zwar konnte die Partei von Präsident Kabila ihre Anhängerschaft im Osten des Kongo vor geraumer Zeit beträchtlich erweitern, einige Prozente dürften dem alten Haudegen Gizenga bei der Wahl aber
durchaus zuzutrauen sein.
Kay Hanisch
Im September feiert Belize 25 Jahre Unabhängigkeit
30.8.2006. Unter dem heute als „Vater des Vaterlandes“ bezeichneten Premierminister George C. Price wurde der kleine Karibikstaat im September 1981 von Großbritannien
in die Unabhängigkeit entlassen. Seit dem machte das Nachbarland Guatemala immer wieder Gebietsansprüche auf fast das gesamte Staatsgebiet von Belize geltend. Teilweise war es nur den in Belize
stationierten britischen Truppen zu verdanken, daß Guatemala von einer militärischen Besetzung des Nachbarstaates abgeschreckt wurde. Der Status quo gilt als labil.
Mit der Abwertung des Belize-Dollars begann in den 50iger Jahren eine Unabhängigkeitsbewegung zu entstehen, an deren Spitze sich die 1950 von George Price gegründete sozialdemokratische
Vereinigte Volkspartei (PUP) stellte. Über mehrere Jahrzehnte hinweg blieb die PUP die führende politische Kraft im Lande. George Price wurde 1956 zum Bürgermeister der Hauptstadt Belize
City, 1961 zum Chefminister gewählt und führte ab 1964 den Titel eines Premiers, nachdem Belize, daß damals noch Britisch-Honduras hieß, die innere Autonomie zugestanden bekam. Der Name Belize
wurde erst 1973 eingeführt und sollte die Distanzierung vom Kolonialstatus verdeutlichen. Die Verhandlungen über die Unabhängigkeit zogen sich wegen der guatemaltekischen Gebietsansprüche in die
Länge. Der Hintergrund: nach dem Zusammenbruch des spanischen Königreiches beanspruchten Mexiko und Guatemala das Territorium von Belize.
Mexiko verzichtete später aber auf seine Ansprüche. Mit Guatemala schloß Großbritannien 1859 einen Vertrag in dem Guatemala die Grenzen des Settlement of Belize anerkannte, es aber weiterhin als
eine als eine seiner Provinzen ansah.
Großbritannien verpflichtete sich im Gegenzug zum Bau einer Straße zwischen beiden Hauptstädten. Diese wurde aber nie gebaut, deswegen fühlte sich Guatemala später auch nicht mehr an den Vertrag
gebunden und erhob Gebietsansprüche auf Belize. Dies führte dazu, daß Belize erst 1981 in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Der junge Staat blieb Mitglied im Commonwealth, Staatsoberhaupt ist
die britische Königin, die durch einen Generalgouverneur vor Ort vertreten wird. Dank einer zersplitterten Opposition blieben PUP und George Price bis 1984 an der Macht. Die ersten Wahlen nach
der Unabhängigkeit gewann die konservative Vereinigte Demokratische Partei (UDP) unter Manuel Esquivel, der das Land stärker an die USA heranführte. Er wurde 1989 wieder vom
Sozialdemokraten Price abgelöst (bis 1993). George Price hingegen versuchte das multikulturell geprägte Belize eher an die karibischen Staaten, als an seine lateinamerikanischen Nachbarn zu
binden. Unter seiner Regierung trat Belize der karibischen Staatengemeinschaft CARICOM bei.
Heute ist das Land neben Costa Rica eine der wenigen stabilen Demokratien Mittelamerikas. Das politische System hat sich – auch in Folge der langjährigen britischen Protektion – am Reich von
Queen Elizabeth II. orientiert und wird hauptsächlich von beiden großen Parteien getragen. Seit 1993 existiert die mit der UDP verbündete Nationale Allianz für Belizianisches Recht
(NABR).
In den letzten Jahren hat sich das mit nur ca. 274.000 Einwohnern dünn besiedelt Land in ein Paradies für Ökotourismus und Individualtouristen verwandelt. 1998 übernahmen die Sozialdemokraten
unter Premier Said Wilbert Musa wieder die Regierung. Der fast 80-jährige George Price wurde Beratender Minister ohne Aufgabenbereich.
Obwohl Guatemala seine Gebietsansprüche 1987 offiziell aufgegeben hat, kommt es immer wieder vor, daß Präsidenten Guatemalas diese wieder auf die Tagesordnung setzen, sei es, um Wählerstimmen zu
bekommen oder um von innenpolitischen Problemen abzulenken.
Bereits zwischen beiden Staaten geschlossene Vereinbarungen scheinen plötzlich für Guatemala keine Gültigkeit mehr zu besitzen.
Da die kleine Armee von Belize nur über ca. 1.500 Soldaten, drei Mehrzweckflugzeuge und wenige Patrouillenboote verfügt und das Land kaum verteidigen kann, scheint Belize auch in Zukunft vom
Wohlwollen des größeren Nachbarn abhängig.
Kay Hanisch
Déby wirft Konzerne raus
8.9.2006. Das Jahr 2006 ist das Jahr, in dem Tschads Präsident Idriss Déby für Furore sorgt. Nachdem seine Armee im Frühjahr die schon in die Hauptstadt N´Djamena
eingedrungenen Rebellen der Vereinigten Front für den Wandel (FUC) zurückschlagen konnten, gewann er kurz darauf die Präsidentenwahlen, bei denen er dreien seiner vier Gegenkandidaten den
Wahlkampf selbst finanzierte (mehr Kandidaten = sieht nach mehr Demokratie aus).
Vor wenigen Wochen folgte die – zumindest formelle – Versöhnung mit dem Erzfeind Omar al-Bashir, dem Diktator Sudans. Gleichzeitig brach der Tschad die Beziehungen zum langjährigen Verbündeten
Taiwan ab und erkannte die VR China als „einziges China“ an.
Und letzte Woche warf Déby zwei große Ölkonzerne, Chevron (USA) und Petronas (Malaysia) aus dem Land, die zusammen 60% der tschadischen Erdölförderung kontrollierten und kündigte
die Gründung einer nationalen Erdölgesellschaft im Tschad an. Was auf den ersten Blick aussieht, wie das opportunistische Gebaren eines launischen Autokraten, ist in Wahrheit eine kühle
Strategie, bei der es um nicht nur um das Überleben der Regierung Déby, sondern auch um die Beendigung des Bürgerkrieges geht.
Déby begründete sein Vorgehen damit, daß die beiden Unternehmen keine Steuern an den Tschad gezahlt hätten, was von den Unternehmen dementiert wurde. Tatsache ist aber, daß der US-Ölkonzern
Exxon, der das Dreierkonsortium mit 40% Beteiligung angeführt hat, unbehelligt blieb und die Regierung auch weiter mit diesem Konzern zusammenarbeiten möchte. Feststeht auch, daß Déby einige
Minister entlassen hat, die Chevron und Petronas angeblich sogar geraten hatten, ihre Steuern nicht zu zahlen.
Vor jubelnden Anhängern verkündete Idriss Déby nun, daß eine neue tschadische Erdölgesellschaft den 60%igen Anteil der geschassten Ölmultis übernehmen wird. Bisher bekam der Tschad nur ein Achtel
der Einnahmen aus der Ölförderung, „Krümel“, wie sein Präsident zu Recht findet.
Die „Strategen“ von der Financial Times Deutschland mutmaßen hier, daß der Tschad nur den Preis, sprich den Eigenanteil bei den Einahmen hochtreiben möchte und bei einer Ablehnung der Konzerne
chinesische Investoren ins Land holen würde. Doch diese Begründung greift zu kurz. Déby spielt bewußt die nationale Karte, denn er muß seine Macht festigen. Die Wahlen im Frühling wurden von
großen Teilen der zivilen Opposition boykottiert, die vor allem im Süden, dem Ölfördergebiet viele Anhänger hat und wo es eine regelrechte Anti-Ölförderungs-Bewegung gibt, da für die Förderung
des Schwarzen Goldes offenbar gravierende Umweltschäden in Kauf genommen wurden. Das Regime muß dem nun entgegen wirken, will es nicht zulassen, daß ein neuer Unruheherd entsteht, denn auch
mehrere Rebellengruppen, darunter die FUC als stärkste, bedrängen die Herrschaft des Déby-Clans. Zeitweise soll die Regierung nach Rebellenangaben nur noch 20% des Landes kontrolliert haben. Déby
scheint sich entschlossen zu haben, nicht ausschließlich auf die militärische Karte zu setzen.
Der Bruch Tschads mit Taiwan, neben Frankreich der wichtigste nichtafrikanische Verbündete der Regierung, war auch nur taktisches Kalkül. Schließlich war es die rohstoffhungrige VR China, die
über den Sudan die FUC-Rebellen unterstützt hatte. Die Aussöhnung mit dem großen Nachbar Sudan und der Volksrepublik ist ein erster Versuch, den Rebellen das Wasser abzugraben. In einem Brief an
Taiwans Präsident Chen Shui-bian entschuldigte sich Déby für den Abbruch der Beziehungen und erklärte, warum der Kurswechsel notwendig war. Er hoffe weiter auf gute „inoffizielle Zusammenarbeit“
mit der Inselrepublik, schrieb er. Und Débys Versprechen bei seiner Vereidigung, seine dritte Amtszeit werde „im Zeichen des Sozialen stehen“ und er werde sich für „völlige Transparenz“ bei der
Verwendung der Gelder aus den Erdölgewinnung einsetzen, kann als Zugeständnis an die zivile Opposition und an die Weltbank gewertet werden, mit der die Regierung Anfang des Jahres wegen der
Verwendung der Öleinnahmen für Waffenkäufe im Streit lag.
Insgesamt sind die Aktivitäten der Volksrepublik China in Afrika als eher bedenklich einzustufen. Zwar sind die Chinesen bei afrikanischen Potentaten beliebt, pflegen sie doch mit der Formel der
„Nichteinmischung in die internen Angelegenheiten afrikanischer Staaten“ auch in Sachen Menschenrechten keine kritischen Kommentare abzugeben. Doch daß es mit dieser „Nichteinmischung“ nicht weit
her, hat der Tschad gerade am eigenen Leib erfahren müssen. Hinzu kommt die Unterstützung für Gewaltherrscher wie Simbabwes senilen Diktator Robert Mugabe oder den wenig skrupelbelasteten Omar
al-Bashir, der gerade in der sudanesischen Bürgerkriegsprovinz Darfur die eigene Bevölkerung bombardieren läßt.
Kay Hanisch
Oppositionskongreß in Leipzig
13.9.2006. Die Freiheitliche Partei Deutschlands (FP Deutschlands), die Deutsche Soziale Union (DSU), die Demokratie PUR, die STATT Partei, die DEMOKRATEN und die Deutsche Gemeinschaft für
Gerechtigkeit (DGG) planen am 3. Oktober 2006 sich in Leipzig mit einer öffentlichen Veranstaltung und einem Appell an das Volk und an die Medien zu wenden. Dies wurde bei vorbereitenden Treffen
der sechs Parteien am 21.7. und 28.7.2006 in Leipzig bekräftigt.
Während die DSU noch aus der Wendezeit 1989/90 bekannt ist, erregte die STATT Partei bei ihrem Einzug in den Hamburger Landtag 1993 Aufsehen, wo sie 4 Jahre gemeinsam mit der SPD regierte. Beide
Parteien verfügen über zahlreiche kommunale Mandate.
Die seit 1993 existierende FP Deutschlands ist seit Januar 2006 mit zwei Landtagsabgeordneten im sächsischen Landtag vertreten und verfügt im Landkreis Riesa-Großenhain ebenfalls über einige
kommunale Mandate.
Neben der DSU, die Anfang der 90iger Jahre durch ein buntes Zweckbündnis von CDU-, SPD- und PDS-Überläufern mit fünf Abgeordneten im sachsen-anhaltinischen Landtag vertreten war, nehmen noch die
relativ jungen Parteien Demokratie PUR und DEMOKRATEN teil. Auch die 2004 ursprünglich von Günter Peipmann, einem früheren Landesvorstandsmitglied des NEUEN FORUMs in Sachsen, gegründete DGG
gehört ebenfalls noch zu den jüngeren Parteien. Ähnlich wie bei den DEMOKRATEN war ihrer Gründung das Bemühen um einen Zusammenschluß verschiedener kleiner Parteien vorausgegangen.
Das derzeitige Bündnis soll aber zunächst eine Allianz bleiben, in der alle teilnehmenden Parteien und Gruppen ihre Unabhängigkeit behalten.
Die gemeinsame Veranstaltung unter dem Motto „Deutschland erhalten – Deutschland erneuern“ findet am 3. Oktober 2006, dem Tag der Deutschen Einheit im „Haus Leipzig“ in der Elsterstraße 22-24
statt. Nicht ohne Grund wurde die Messestadt als Tagungsort auserkoren, steht man doch hier auf geschichtsträchtigen Boden, von dem einst die friedliche Revolution in der DDR ihren Lauf
nahm.
Von 10-12 Uhr wollen die einzelnen Parteien in jeweils ca. 10minütigen Stellungnahmen zu verschiedenen Themengebieten Position beziehen. Während der Mittagspause spielt vor der Tagungsstätte eine
Schalmeienkapelle.
Am Nachmittag stehen die Verabschiedung einer gemeinsamen Erklärung zur Lage in Deutschland und Gespräche über die Schaffung einer „starken demokratischen Opposition“
auf dem Programm. Auch interessierte Einzelpersonen und andere politisch arbeitende Gruppen sind zu diesem Treffen eingeladen und haben ihr Kommen signalisiert.
Viele der führenden Mitglieder der sechs Parteien kannten sich schon länger durch gemeinsame Aktionen. FP Deutschlands und Demokratie PUR gehörten 2005 mit zu den unterzeichnenden Parteien der
Eisenacher Erklärung. Im gleichen Jahr setzten sich FP Deutschlands und STATT Partei und zwei weitere Parteien mit einem gemeinsamen Schreiben für den bedrängten kritischen Staatsrechtler Hans
Herbert von Arnim ein und mahnten in einem weiteren Brief an Bundestagspräsident Thierse einen Volksentscheid und eine öffentliche Diskussion über die Einführung und den Inhalt der Europäischen
Verfassung an. Dieser Brief geriet dann sogar bis in den Petitionsausschuß des Bundestages.
Die Antwort des Parlaments - wie zu fast allem Fragen direkter Demokratie - war natürlich eine Ablehnung dieser Forderungen.
In den Nachwehen der Eisenacher Erklärung gründeten sich die DEMOKRATEN.
Die Veranstaltungen, die zur Gründung der DGG führten, hatten mit Kay Hanisch von der sächsischen STATT Partei einen interessierten Gast.
Der Bundesvorsitzende der FP Deutschlands, Dr. Johannes Hertrampf kann mit seiner Partei als festes Element der sächsischen Kleinparteienszene angesehen werden.
Und der DSU läuft man im Freistaat sowieso häufig über den Weg, gehört sie hier doch zu den Kleinen mit den meisten kommunalen Mandaten.
Ein Anfang für die Kooperation ist bereits gemacht: Die FP Deutschlands bietet den beteiligten Parteien an, über ihre beiden Landtagsabgeordneten Kleine Anfragen an die sächsische Staatsregierung
zu stellen.
Vielleicht bietet sich nun diesmal endlich die Chance, den Grundstein für den Aufbau einer demokratischen Opposition zu legen, um so den Herrschenden zu zeigen, daß die Bürger nicht mehr bereit
sind, dem Niedergang unserer Republik tatenlos zuzusehen.
Kay Hanisch
Kein Wechsel in Sambia
Herbst 2006. Seit 1964 gilt die Republik Sambia als Hort relativer Stabilität im südlichen Afrika. Der Präsidentenwahl in diesem afrikanischen Land fiel deshalb auch Bedeutung zu, weil ein
aussichtsreicher Kandidat die Chinesen, Inder und Libanesen aus dem Land werfen möchte und diese Reichtümer für seine Landsleute reservieren möchte: Michael Sata, genannt „King Cobra“, der
Kandidat der Patriotischen Front (PF).
Das vielgepriesene demokratische Musterland, als das Sambia in den 90iger Jahren immer dargestellt wurde, ist es allerdings nicht. Dazu ein kleiner Blick hinter die Kulissen.
Sambia ist zwar eines der ärmsten Länder der Welt, doch hatte es das Glück, nie Opfer eines brutalen Regimes oder eines Bürgerkrieges zu sein. Das ist hauptsächlich der Verdienst des Humanisten
und Staatsgründers Kenneth Kaunda unter dem das Land 1964 die Unabhängigkeit erlangte. Zwar führte er acht Jahre später ein Ein-Parteien-System ein, doch lag dies hauptsächlich an der drohenden
Bürgerkriegsgefahr, da die Parteien immer mehr dem ethnischen Klientelismus verfallen waren. Die dominante Rolle der Einheitspartei UNIP (Vereinigte Nationale Unabhängigkeitspartei)
nutzte Kaunda, um den Hunger auf Posten und Macht aller Stämme und Völker Sambias zufrieden zu stellen. Während er in der Welt als geachteter, integerer Staatsmann galt, konnte Kaunda im eigenen
Land der wirtschaftlichen Talfahrt nichts entgegensetzen. Als ihn eine Demokratiebewegung, aus der sich die heutige Regierungspartei MMD entwickelte, nach 27 Jahren zu freien Wahlen zwang, die er
gegen MMD-Chef Frederick Chiluba verlor, zog sich der Staatsgründer 1992 aus der Politik zurück.
Die neue MMD-Regierung startete mit vielen Vorschußlorbeeren – besonders vom Westen und dem IWF. Doch die harten neoliberalen Sparmaßmaßnahmen und das zunehmende autoritäre Gebaren Präsident
Chilubas, führten 1995 dazu, dass der 71-jährige Kaunda Morgenluft witterte und noch einmal die Führung der UNIP übernahm, um für das Präsidentenamt zu kandidieren. Von da an ließ die Regierung
ihre Maske fallen. Es setzte eine beispiellose Kampagne Chilubas gegen Kaunda und die UNIP ein. Die Verfassung wurde dahingehend manipulierte, dass Kaunda nicht kandieren konnte,
Oppositionsmitglieder wurden schikaniert und verhaftet, Kaunda und sein Bündnispartner Rodger Chongwe von der Liberalen Fortschrittsfront (LPF) auf einer Demonstration durch die Polizei
angeschossen und verhaftet. Als der Staatsgründer dann ins Gefängnis wanderte, regte sich internationaler Widerstand (u.a. von Nelson Mandela) und er kam wieder frei. Viele MMD-Mitglieder
verließen ihre Partei und gründeten neue Formationen, wie das Forum für Demokratie und Entwicklung (FDD), da auch die Korruption des Chiluba-Clans immer mehr zunahm. Nachdem das Parlament
eine Verfassungsänderung abgelehnt hatte, die Chiluba eine nicht zustehende dritte Amtszeit genehmigt hätte, schickte er seinen Strohmann Levy Mwanawasa ins Rennen, der die Wahlen 2001 gewann,
u.a. gegen Kaundas Sohn Tilyeni.
Mwanawasa, der aufgrund eines Autounfalls einen Sprachfehler hat und wenig Charisma besitzt, galt als Marionette Chilubas. Um so größer war das Erstaunen, als er gegen den ehemaligen Präsidenten
wegen des Verdachts der Korruption ermitteln ließ und sich mit den Oppositionsparteien aussöhnte. Kritische Stimmen behaupten, die Korruptionsverfahren gegen Chiluba und seine Clique dienten nur
dazu, die Stellung der Mwanawasa-Anhänger in Staat und Partei zu festigen.
Bei den Wahlen 2006 bedienten sich alle Parteien und Kandidaten des Populismus. Dass aber die Schimpfkanonaden des 69-jährigen Michael Sata besonders gegen die Chinesen auf fruchtbaren Boden
fallen, ist kaum verwunderlich. Dank seines wichtigsten Bodenschatzes Kupfer und der starken chinesischen Nachfrage nach diesem Metall erlebte Sambia in den letzten Jahren einen kleinen
Wirtschaftsboom. Doch die chinesischen Firmen im nördlichen „Kupfergürtel“ des Landes bieten vor allem Zeitverträge mit Hungerlöhnen. Auch die Arbeits- und Sicherheitsbedingungen sind miserabel:
Im April 2005 starben 49 Bergleute bei der Explosion einer chinesischen Sprengstofffabrik. Sata, dessen Name von Präsident Mwanawasa im Wahlkampf als „Satan“ verunglimpft wurde, plante auch die
politische Anerkennung von Taiwan – ein schiere Provokation. Der Nationalistenführer blieb mit 29,37% der Wählerstimmen aber doch abgeschlagen hinter Mwanawasa, der vom „Amtsbonus“ zehren konnte
und 42,98% erhielt.
Auf Platz 3 folgte Hakainde Hichilema, von der größten Oppositionspartei UPND (Vereinigte Partei für Nationale Entwicklung) mit 25,32%. Die für sambische Verhältnisse vorbildlich
demokratische UPND hatte gemeinsam mit dem FDD und der alten Staatspartei UNIP ein Wahlbündnis „Vereinigte Demokratische Allianz“ gegründet.
Der MMD-Dissident Godfrey Miyanda von der Heritage Party (HP) bekam 1,57%, Winright Ngondo , Kandidat des All Peoples Congress (APC) nur 0,76% der Stimmen.
Am letzten Sonntag randalierten Anhänger von Michael Sata, bis „King Cobra“ seine Leute wieder zur Ruhe rief. Sata erklärte, er wolle den Wahlsieg Mwanawasas akzeptieren, hatte aber kurz zuvor
noch davon gesprochen, dass ihm „der Sieg gestohlen“ worden sei.
EU-Beobachter bemängelten in der Tat Unregelmäßigkeiten bei Wählerregistrierung, während die Wahlbeobachter der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC) keine Bedenken hatten.
Für Sambia bedeutet das Wahlergebnis, dass erst einmal alles beim alten bleibt. Was vom Volkstribun Sata zu erwarten gewesen wäre, bleibt ungewiß. Als Kandidat einer demokratischen Erneuerung
galt ohnehin Hakainde Hichilema.
Herbst 2006. Nun ist es also heraus: der neue Präsident der „Demokratischen Republik Kongo“ (DRK) heißt Joseph Kabila. Was bedeutet dies für den Kongo und was bedeutet
es für den Westen, dessen Interesse an den reichhaltigen Bodenschätzen dieses gewaltigen afrikanischen Landes so groß ist?
Zunächst einmal ist Joseph Kabila der Mann, den der Westen schon immer als Kandidat favorisiert hat, auch gilt er als „Marionette“ reicher kongolesischer Geschäftsleute. Als sein Adoptivvater,
der Präsident Laurent-Desiree Kabila 2001 von seinem eigenen Leibwächter ermordet wurde, hievte das Militär den Filius auf den Präsidententhron, weil man glaubte ihn leicht beherrschen zu können.
Bei der Beendigung des Bürgerkrieges stellte sich der oft belächelte Kabila jr. aber weitaus geschickter als sein Vater an. Die Führer der wichtigsten Rebellengruppen wurden als gleichberechtigte
Vizepräsidenten in eine Übergangsregierung aufgenommen, darunter sein Herausforderer in der Stichwahl, Jean-Pierre Bemba.
Joseph Kabila hat ausländischen Konzernen die Bodenschätze zu Schleuderpreisen überlassen. Dennoch dürfte er die bessere Wahl für die Kongolesen sein.
Sein Rivale Bemba ist der Sohn eines Geschäftsmannes, der schon unter dem Kleoptokraten Mobutu Sese Seko sagenhaften Reichtum angehäuft hat. Im Gegensatz zu Kabila tritt Bemba weitaus
demagogischer und aggressiver auf. Trotz seiner nationalen Rhetorik besteht kein Zweifel daran, dass auch er zuerst Geschäftsinteressen mit der Bewerbung um das Präsidentenamt verfolgte.
Drittplazierter unter den über 30 Kandidaten im 1. Wahlgang war mit 13% der 82-jährige „Marxist“ Antoine Gizenga, der unter dem Unabhängigkeitshelden Patrice Lumumba 1960/61 stellvertretender
Regierungschef war und sich nun zur Unterstützung Kabilas durchgerungen hatte. Er erklärte, dass die Unterstützung für Bemba oder Kabila für ihn eine Wahl zwischen „zwei entsetzlichen Übeln“ sei.
Für Kabila entschied er sich nicht wegen dessen Fähigkeiten, sondern weil dieser besonnener auftritt als der Politrabauke Bemba und Gizenga beim Wahlsieg des letzteren eine Spaltung des Landes
befürchtete.
Doch eigentlich ist es egal, wer von den beiden das Rennen gemacht hat. Der neue Präsident des größten schwarzafrikanischen Landes wird nach dem Willen der internationalen Hochfinanz ohnehin
nichts zu sagen haben, sondern nur deren Vorgaben umzusetzen haben.
Denn die Stimmen des ersten Wahlgangs vom 30. Juli waren noch nicht einmal vollständig ausgezählt, da trafen sich Vertreter von Weltbank und Internationalem Währungsfonds mit Emissären aus den
USA und Europa in Kongos Hauptstadt Kinshasa. Gemeinsam einigten sie sich auf ein neues Regierungsprogramm für den Kongo. Aber Kongolesen waren zu dieser neokolonialen Veranstaltung nicht
eingeladen. Die Verwendung der internationalen Hilfsgelder durch die neue Regierung ebenso wie die Staatsausgaben – das alles wird nur noch im Einvernehmen mit den Experten aus Brüssel und
Washington umgesetzt werden. Weigert sich die neue Regierung, so droht der Westen den Geldhahn abzudrehen.
Zwar sollen unter der Aufsicht des Westens neue gewaltige Wasserkraftwerke zur Stromerzeugung erbaut werden, doch das eigentliche Interesse zielt auf die Bodenschätze des Kongos ab. Fast 70% der
Weltreserven von Coltanerz, dass für die Chips in Handys benötigt wird, fast die Hälfte des verfügbaren Kobalts, gut ein Viertel aller Industriediamanten und große Mengen an Gold, Uran und Kupfer
machen das Land äußerst populär in den rohstoffhungrigen Staaten des Westens oder in China.
Der Kongo, so sagt man in der westlichen Welt, könnte aufgrund seiner Bodenschätze eines der reichsten Länder der Welt sein. Doch immer wieder flossen die erwirtschafteten Gelder auf die Konten
brutaler Warlords oder korrupter Diktatoren. Deswegen müsse der Kongo nun „unter Aufsicht“ gestellt werden, damit es dieses Mal besser wird und alle Kongolesen am Reichtum ihres Landes teilhaben
können.
Doch wenn der Niedergang dieses Riesenlandes wirklich nur in der Verantwortung der Kongolesen gelegen hat – warum hat dann der Westen den Diktator Mobutu, der das damalige Zaire zwar halbwegs
zusammenhielt, aber auch schonungslos ausplünderte und verkommen ließ, 32 Jahre lang unterstützt? Warum hat ihn der Westen 1997 fallengelassen und seinem noch brutaleren und ebenso korrupten
Nachfolger Kabila sr. zur Macht verholfen, statt den demokratischen Reformpolitiker Etienne Tshisekedi zu unterstützen?
Warum fädelte der Westen, speziell Belgien und die USA, nach der Unabhängigkeit die Abspaltung der reichen Kupferprovinz Katanga ein und nahm dafür einen Bürgerkrieg in Kauf?
Warum ließen CIA und Belgien den Premierminister und Nationalhelden Patrice Lumumba ermorden, der darauf bestand, dass Katanga ein Teil Kongos bleibt und der UNO-Truppen ins Land rief?
Das alles spricht eine sehr verständliche Sprache. Die Staaten, die sich heute als die „guten Gouvernanten“ des Kongos aufspielen, haben den Niedergang dieses Landes von der Unabhängigkeit bis
heute maßgeblich mitzuverantworten. Damals wie auch heute ging es nur um die Bodenschätze. Nur die Methoden heute sind feinsinniger geworden und naive Entwicklungshelfer lassen sich gutwillig vor
den Karren der Konzerne spannen. Sie verteilen die Krumen, während die Mächtigen dieser Welt nach dem ganzen Kuchen grabschen.
Die Militärintervention der UN diente nicht nur vordergründig der „Absicherung der Wahlen“, sondern der Unterstützung von Präsident Kabila. Zwar hätte man sich auch mit Bemba einigen können, doch
klebte an den Händen des ehemaligen Rebellenführers zuviel Blut und so etwas sieht in der Öffentlichkeit nicht sehr schön aus.
Die Wahlen im Kongo wurden weltweit als Erfolg gefeiert. Davon, dass die größte demokratische Oppositionspartei, die Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt (UDPS) des kurzzeitigen
Reformpremiers Etienne Thisekedi die Wahlen boykottiert hat, liest man heute nichts mehr. Lediglich die kleine Freiheitliche Partei Deutschlands (FP Deutschlands) merkte in einem Schreiben
vom 4.6.2006 an Thisekedi an, dass sie die internationale Militärintervention für verhängnisvoll halte und solche Einsätze grundsätzlich ablehne.
Die beste Wahl als kongolesischer Präsident wäre wohl noch der Politveteran Gizenga gewesen. Zum einen hätte der Nationalist bestimmt nicht zugelassen, dass der Reichtum des Kongos unter Wert
verkauft wird. Zum anderen orientiert sich seine „Partei der Vereinigten Lumumbisten“ (PALU) als eine der wenigen einflussreichen Gruppen nicht an ethnischen Leitlinien und verfügt
über eine homogene Anhängerschaft im ganzen Land. Und der dritte und nicht zu verachtende Grund ist das hohe Alter des Kandidaten – mit 82 Jahren ist man nicht mehr darauf bedacht sagenhafte
Reichtümer anzuhäufen oder seine Macht in allen Bereichen auszubauen. Man will seinem Land eher etwas Bleibendes für die Zukunft hinterlassen.
Kay Hanisch
Parteien der Macht
Wie sich die Bundestagsparteien vor politischer Konkurrenz schützen, Teil 1
Anfang 2007. Die im Bundestag vertretenen Parteien CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis ´90/DIE Grünen bilden ein gemeinsames Parteienkartell, dass sich immer dann als schnell
einig erweißt, wenn es darum geht, die politische Opposition in Deutschland (seien es kleine Parteien, Bürgerinitiativen, Wählergemeinschaften oder einzelne Opponenten) auszuschalten. Die
Linkspartei/PDS nimmt hier noch eine Sonderrolle ein (z.B. die derzeitig noch erhobene Forderung nach Abschaffung der 5%-Hürde), aber es ist die Tendenz erkennbar, dass sich diese Partei auch dem
Kartell der Altparteien annähert. So z.B. stimmte sie im Sächsischen Landtag für die Erhöhung der Anzahl an Unterstützungsunterschriften, die eine kleine Partei oder Wählergruppe zur Zulassung
bei der Kommunalwahl braucht.
Es ist schon heute erkennbar, dass die PDS/Linke über kurz oder lang zu diesem Kartell gehören wird, wie sich ihm auch einst die GRÜNEN angeschlossen haben.
Der kritische und daher wohl vorzeitig pensionierte Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim bringt diese Methoden zum Machterhalt in seinem Buch „Das System – Die Machenschaften der Macht“ auf den
Punkt:
1.) Die 5%-Klausel schirmt die etablierten Parteien vor Herausfordererparteien ab und nimmt diesen zugleich den Mut und die Hoffnung.
2.) Die Ausgestaltung der direkten staatlichen Parteienfinanzierung sorgt dafür, dass die etablierten Parteien den Löwenanteil bekommen und kommunale Wählergemeinschaften bei gleicher Stimmenzahl
völlig ausgeschlossen bleiben.
3.) Die in der Vergangenheit immer weiter erhöhten Staatsmittel für Fraktionen und für Fraktions- und Abgeordnetenmitarbeiter kommen nur den im Parlament vertretenen Parteien zugute.
4.) Auch die gewaltig angewachsenen öffentlichen Mittel für Parteistiftungen fließen ausschließlich an die „Stiftungen“ der Etablierten.
5.) Regierungsmitglieder mitsamt ihren Stäben in Bund und in den Ländern können ebenfalls nur die Etablierten aufbieten.
6.) Auf die Unterstützung von politischen und anderen in die Ämter patronierten Beamten können nur die Etablierten hoffen, da sie allein über Patronagemöglichkeiten verfügen.
7.) Die Verfassungsgerichte und ihre Mitglieder, also die Schiedsrichter in hochpolitischen Fragen, wählen allein die Etablierten aus – ein Verfahren, das problematisch erscheint, wenn es um
Auseinandersetzungen zwischen etablierten und nichtetablierten Parteien geht.
Wir stellen also fest, dass es nicht nur die Schuld der Wähler oder die „Unfähigkeit“ der kleinen Parteien selbst ist, dass diese nicht in die Parlamente gelangen, sondern dass wir es mit einem
ganzen System verschiedener Hürden zu tun haben, die errichtet wurden, um die politische Konkurrenz klein zu halten.
Hinzu kommt noch, dass die etablierten Parteien oftmals über ein umfangreiches Arsenal von eigenen Medien verfügen, bzw. sich in angeblich „unabhängige“ Medien eingekauft haben. So stellt die
SPD-eigene Verlagsgesellschaft DDVG den größten Anteilseigner bei der Sächsischen Zeitung (SZ). Die gleiche Gesellschaft hat 90% der Anteile der vormals unabhängigen linksliberalen Frankfurter
Rundschau (FR) erworben und den für seine sozialkritischen Kommentare bekannten Chefredakteur Dr. Wolfgang Storz entlassen, obwohl die Karl-Gerold-Stiftung (des ehemaligen Herausgebers K.
Gerold), die 10% der Anteile hielt, sich vehement dagegen gewährt hat. Die zweite große sächsische Tageszeitung LVZ (Leipziger Volkszeitung) gehört dem Springerverlag, der auch die
staatstragend-dumpfpopulistische BILD-Zeitung unters Volk wirft. Das die Springer-Blätter alle eine gewisse Nähe zur CDU aufweisen, muß wohl nicht noch gesagt werden.
In den Rundfunkräten hocken die Vertreter der Parlamentsparteien, im ZDF dominiert die CDU, bei der ARD hat die SPD das Sagen – man kungelt die Sitzverteilung in den Räten paritätisch aus.
Und schließlich bleibt dann noch der Bundeswahlausschuss mit seinen von den Bundestagsparteien ernannten Vertretern, die darüber entscheiden dürfen, welche Partei außer den Etablierten noch zur
Wahl antreten darf.
Die Liste von Zuständen, die alles andere als demokratisch sind, kann man noch ein ganzes Stück lang fortsetzen. Wir werden hier in einer kleinen Reihe einige dieser Zustände genauer
beleuchten...
Bald mehr davon!
Kay Hanisch